Rechnungshof: Kürzen bei den Kitas

Gutachten rügt die Prüfpraxis des Hessischen Rechnungshofs

HLZ März/April 2023

In seinen jährlich erscheinenden Kommunalberichten ermittelt der Hessische Rechnungshof (HRH) regelmäßig sogenannte „Ergebnisverbesserungspoten­ziale“, unter anderem für die hessischen Kitas. Als Bezugsgröße für die Personalausstattung der Kindertageseinrichtungen nimmt der HRH den gesetzlich geregelten Mindestbedarf an Fachkräften, wobei für die mittelbare pädagogische Arbeit und Leitungstätigkeit ein zusätzlicher Fachkräftebedarf von zehn Prozent zu Grunde gelegt wird. Im Ergebnis liegt jedes Jahr eine mehr oder weniger große Zahl der geprüften Kommunen über dem so als Maßstab festgelegten Wert. Auf dieser Grundlage schlägt der HRH dann eine Kürzung beim Kita-Personal vor.


Die GEW Hessen hat die Art und Weise der Prüfung durch den Hessischen Rechnungshof wiederholt kritisiert, zuletzt anlässlich der Prüfergebnisse für die Kitas in Frankfurt. Hier empfahl der HRH die Erhöhung der Gruppengrößen von 20 auf 25, die Wiedererhebung von Kitabeiträgen für Kinder zwischen drei und sechs Jahren sowie die Kürzung der Zuschüsse für freie Kita-Träger um rund die Hälfte. Nicht nur die GEW Frankfurt kritisierte, dass solche Vorschläge zu Lasten der Beschäftigten, der Kinder und der Familien gingen und eine tiefe Missachtung der Pädagoginnen und Pädagogen in den Kitas darstellten. (1)


Um zu klären, ob das Vorgehen des HRH rechtlich haltbar ist, hat die  GEW Hessen Professor Joachim Wieland von der Deutschen Universität für Verwaltungswissenschaften Speyer mit einem Kurzgutachten beauftragt, das sie Ende Februar der Öffentlichkeit vorstellte (2). 


Ausgangspunkt der rechtlichen Bewertung sind für Wieland die im Gesetz zur Regelung der überörtlichen Prüfung kommunaler Körperschaften in Hessen verankerten Bestimmungen für die Prüfung durch den HRH. Danach muss der HRH feststellen, ob die Verwaltung rechtmäßig, sachgerecht und wirtschaftlich geführt wird. Wieland weist darauf hin, dass „Wirtschaftlichkeit“ immer ein Relationsbegriff ist:
 

„Ob ein Handeln wirtschaftlich ist, hängt immer vom Verhältnis zwischen den eingesetzten Ressourcen und dem erzielten Nutzen ab. Das gilt auch für den Personaleinsatz in einer Kindertageseinrichtung.“ (Gutachten, S.5)


Grundlage der Bewertung des Personaleinsatzes in einer Kindertageseinrichtung müsse deshalb die gewünschte Betreuungsqualität sein.


Kommunale Selbstverwaltung...

Die gesetzlichen Regelungen beschreiben dagegen nur Mindestvorgaben, die von den Kommunen eingehalten werden müssen. Darüber hinaus stehe es ihnen frei zu entscheiden, welche weiteren Qualitätsanforderungen sie in ihren Kitas erfüllen möchten. Da das Selbstverwaltungsrecht der Kommunen verfassungsrechtlich geschützt ist, müssse auch der HRH die Entscheidungen der Kommunen über die Qualität der Betreuung in ihren Kindertageseinrichtungen respektieren:
„Der Hessische Rechnungshof als Einrichtung des Landes könnte nur auf der Grundlage einer gesetzlichen Regelung der Qualität der Kinderbetreuung die Wirtschaftlichkeit und Sachgerechtigkeit des Personaleinsatzes durch die örtlichen Träger der Kinder- und Jugendhilfe verneinen. Die Behauptung von Ergebnisverbesserungspotenzialen, denen eine landesgesetzliche Regelung des Qualitätsniveaus der Kinderbetreuung nicht zu Grunde liegt, beeinträchtigt die kommunale Selbstverwaltung der betroffenen Kommunen unter Verstoß gegen das Recht der kommunalen Selbstverwaltung. Die Gewährleistung der kommunalen Selbstverwaltung im Rahmen der Gesetze schließt eine faktische Beeinträchtigung der kommunalen Selbstverwaltung ohne gesetzliche Grundlage durch das Land und seine Einrichtungen aus. Mit dem Aufzeigen von Ergebnisverbesserungspotenzialen übt der Hessische Rechnungshof Einfluss auf die Ausübung der kommunalen Selbstverwaltung aus. Sein Handeln zielt darauf, die den Kommunen zustehende Bewertung und Festlegung von Qualitätsstandards der Kinderbetreuung durch die Überörtliche Prüfung zu beeinflussen.“ (Gutachten, S. 6)


Mit der Berechnung der Ergebnisverbes­serungspotenziale auf Basis der Mindeststandards drängt der HRH laut Wieland die Kommunen, ihre Qualitätsstandards den gesetzlichen Mindeststandards anzupassen. Dies sei aber  nicht statthaft, vielmehr müsse sich die Prüfung des HRH darauf beschränken, „ob die von den Kommunen festgelegten Vorgaben für die Qualität der Kindertagesbetreuung mit einem geringeren Ressourceneinsatz erreicht werden können.“ (Gutachten, S.7)

 

... ist Verfassungsrecht

Im Ergebnis stützt das Gutachten die seit Jahren von der GEW vorgebrachte Kritik, dass der HRH die Kindertageseinrichtungen nicht gemäß den für ihn geltenden gesetzlichen Vorgaben prüft. Die GEW wiederholte ihre Forderung, dass der HRH seine bisherige Praxis bei der Ermittlung von „Einsparpotenzialen“ im Bereich der Kinderbetreuung unterlässt. Reaktionen der Politik und des HRH auf die Veröffentlichung des Gutachtens lagen bei Redaktionsschluss noch nicht vor. Ganz sicher liefert das Gutachten von Joachim Wieland den hessischen Kommunen und auch den Beschäftigten in den Kindertageseinrichtungen eine juristische Grundlage, um sich gegen unberechtigte Kürzungsvorschläge durch den HRH öffentlich zu wehren.



Kai Eicker-Wolf

(1) Kai Eicker-Wolf, Keine einmalige Entgleisung. Sparvorschläge des Rechnungshofs für Kitas und Schulen, HLZ 4/2022, S. 28f.
(2) Joachim Wieland, Prüfkriterien des hessischen Rechnungshofs im Bereich der Kinderbetreuung/Tageseinrichtungen. Kurzgutachten für die GEW Hessen, Dezember 2022. (https://www.gew-hessen.de/details/gutachten-hessischer-rechnungshof-kita)