Mitbestimmungsrechte der Personalräte während der Pandemie

GEW-Personalräte ziehen eine Corona-Bilanz

28. September 2021 Pressemitteilung

Seit Mitte März 2020 befindet sich der schulische Bildungsbetrieb in Hessen nun schon unter Corona-Bedingungen und seitdem müssen auch die Personalräte der Lehrkräfte und sozialpädagogischen Fachkräfte im Schuldienst an den Schulen, Staatlichen Schulämtern, Studienseminaren und am Kultusministerium im „Corona-Modus“ arbeiten. Dieser war bis jetzt vor allem dadurch geprägt, dass die Schul- und Arbeitsorganisation sowie die Hygienemaßnahmen für alle Schulformen in einem gewaltigen Tempo immer wieder neu an die jeweiligen Pandemiebedingungen angepasst werden mussten. Die Beteiligung der jeweils zuständigen Personalräte an den mitbestimmungspflichtigen Maßnahmen blieb dabei allerdings oft auf der Strecke. Dies legten am Montag, den 27. September die in der GEW organsierten Personalrät:innen Katja Pohl, Tony C. Schwarz, Thilo Hartmann und Peter Zeichner anhand von zahlreichen konkreten Beispielen dar.

Für den öffentlichen Dienst in Hessen regelt das Hessische Personalvertretungsgesetz alles rund um die Personalvertretungen in den Dienststellen und insbesondere auch, auf welchen Gliederungsebenen des Schulsystems Personalvertretungen einzurichten sind und welche vom Dienstherrn bzw. der Dienststellenleitung geplanten Maßnahmen der Mitbestimmung der Personalräte unterliegen. So gibt es im Kultusbereich örtliche Personalräte an allen Schulen und Studienseminaren, Gesamtpersonalräte an allen 15 Staatlichen Schulämtern in Hessen und einen Hauptpersonalrat, der direkt im Kultusministerium angesiedelt ist. All diese Personalräte haben an ihren Dienststellen (nach § 74 HPVG) Mitbestimmungsrechte, wenn es um Fragen der Arbeitsorganisation („Maßnahmen zur Hebung der Arbeitsleistung und zur Erleichterung des Arbeitsablaufes“, „Regelungen der Ordnung und des Verhaltens der Beschäftigten an der Dienststelle“, „Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit und der Pausen sowie der Verteilung der Arbeitszeit auf die einzelnen Wochentage“) oder um Arbeitsschutzmaßnahmen geht. Darüber hinaus regelt auch das Arbeitsschutzgesetz grundlegende Pflichten von Arbeitgebern auf diesem Gebiet. Dazu gehört nach §3 ArbSchG für die Planung und Durchführung von Arbeitsschutzmaßnahmen „Vorkehrungen zu treffen, dass die Beschäftigten ihren Mitwirkungspflichten nachkommen können.“

Nicht alle von der Landesregierung (und mit der „Bundesnotbremse“ z.T. auch von der Bundesregierung) getroffenen Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie, die zentral in ständig modifizierten, hessischen „Corona-Verordnungen“ festgehalten werden, beziehen sich auf den Bereich Schule oder sind für Personalräte mitbestimmungspflichtig. Einiges ergibt sich auch gesetzlich zwingend aus dem Infektionsschutzgesetz oder aufgrund anderer gesetzlicher Vorgaben. Dies bestreiten wir GEW-Personalräte keineswegs, ebenso wenig wie das notwendige Tempo zu Beginn der Pandemie, mit dem Maßnahmen ergriffen werden mussten und wo selbst bei den besten Beteiligungsabsichten eine vorherige Beteiligung von Personalräten zeitlich schlicht nicht möglich war.

Dennoch sind Personalräte je nach Vertretungsebene aber bei Arbeitsschutz- und Arbeitsorganisationsmaßnahmen (im oben spezifizierten Rahmen) prinzipiell im Vorfeld zu beteiligen, wenn Gesetze oder Verordnungen dafür Handlungsspielräume zur Ausgestaltung lassen, und die gab es nach unserer Auffassung auf jeder Personalvertretungsebene zu Genüge! Eine Beteiligung von Personalräten erfolgte allerdings nicht! Darüber hinaus gehörte es zum Stil der Corona-Politik nicht nur in Hessen, auch sehr spezifische Maßnahmen für den Schulbereich auf Verordnungsebene zu regeln, wodurch diese der Beteiligung von Personalräten grundsätzlich entzogen waren, denn qualifizierte Beteiligungsrechte für den Hauptpersonalrat der Lehrerinnen und Lehrer am Hessischen Kultusministerium beginnen rechtlich erst auf der Ebene von Erlassen. Für einige der Maßnahmen, die stärkere Eingriffe in Persönlichkeitsrechte von Schülerinnen und Schülern sowie Lehrkräften und sozialpädagogischen Fachkräften darstellen (wie z.B. die Masken- oder Testpflicht), mag es auch gute rechtliche Gründe geben, diese rechtlich auf einer hohen Ebene zu verankern; für andere Maßnahmen wie die konkrete Unterrichtsorganisation im Präsenz-, Hybrid- oder Distanzunterricht in den verschiedenen Schulformen und Jahrgangsstufen gilt dies allerdings nicht! Hier hätte durch eine Beteiligung von Personalräten oder bei Verordnungen auch von Verbänden und Gewerkschaften der Lehrkräfte und sozialpädagogischen Fachkräfte die eine oder andere Fehlentscheidung im Vorfeld vermieden werden können. Dies hätte darüber hinaus auch für mehr Akzeptanz der Planungen bei den im Schulwesen Beschäftigten gesorgt.

Die Missachtung gesetzlich gegebener Beteiligungsrechte ließ und lässt sich in der Corona-Pandemie aber auch auf den anderen Ebenen der Personalvertretung finden. Die Gesamtpersonalräte waren ebenso wie der Hauptpersonalrat von der neuen Direktionskultur per Verordnung betroffen und hatten wie die Schulämter kaum noch Spielräume für die Mitgestaltung. Das nicht nur zu Coronazeiten schwierige Zuständigkeitsgerangel zwischen den Schulträgern und den Schulämtern als untergeordneten Behörden des Kultusministeriums nahm darüber hinaus noch einmal an Intensität zu und zeigt sich aktuell auch bei den Problemen, die durch die Schulträger-Aufgabe des Verleihs dienstlicher Leihgeräte an Lehrkräfte als Landesbedienstete aufgeworfen werden, wobei die Schulträger aber gar keine direkten Verhandlungspartner der Gesamtpersonalräte sind. Und schließlich haben Gesamtpersonalräte derzeit oft hart darum zu kämpfen, auch nur Informationen zum Infektionsgeschehen an den Schulen zu bekommen, die ohnehin für das Kultusministerium erhoben werden.

An den Schulen selbst gäbe es derzeit noch die größten Mitgestaltungsspielräume, wenn die Vorgaben des Kultusministeriums zur Schulorganisation sowie die stets aktualisierten Rahmenhygienepläne in schulische Hygienepläne umgesetzt werden müssen. Aber auch hier berichten nicht wenige Schulpersonalräte, dass Schulleitungen derzeit oft von oben „durchregieren“ und weder Personalräte noch andere schulische Gremien (Gesamtkonferenz, Schulkonferenz) in ihre Planungen mit einbeziehen.

 

Bilanz

Wir GEW-Personalräte wollen nicht die Sinnhaftigkeit jeder einzelnen, von der Landesregierung getroffenen Maßnahme grundsätzlich bestreiten und hatten zu Anfang der Pandemie durchaus Verständnis für die notwendige Geschwindigkeit, mit der Maßnahmen ergriffen werden mussten und wo die Verzögerung durch die Wahrung demokratischer Beteiligungsrechte schnelles Regierungs- und Verwaltungshandeln behinderte. Sehr wohl ist aber grundsätzlich zu kritisieren, dass diese Praxis im zweiten Jahr der Pandemie auch im Schulbereich noch immer die vorherrschende ist; und das in Hessen, wo die Mitbestimmung von Arbeitnehmer:innenvertretungen in Artikel 37 der hessischen Verfassung festgeschrieben ist! Es wäre nach unserer Auffassung längst möglich und rechtlich auch notwendig gewesen, beteiligungsrelevante, insbesondere den Arbeitsschutz- und die Arbeitsorganisation betreffende Aspekte aus den Allgemeinverordnungen der Landesregierung zur Corona-Politik herauszulösen und die zuständigen Personalratsgremien wieder nach dem Hessisches Personalvertretungsgesetz gesetzeskonform vor der Umsetzung von Maßnahmen damit zu befassen. Dies ist aber nicht nur gesetzlich so vorgeschrieben; die Beteiligung von Personalvertretungen, die ihrerseits Stimmen aus der Arbeitspraxis bündeln, führt in der Regel auch zu praktikableren Maßnahmen und erhöht zudem deren Akzeptanz bei den Kolleginnen und Kollegen vor Ort!

Wir sind fest davon überzeugt, dass die grundsätzliche Beteiligung von Beschäftigten an der Arbeitsorganisation die individuelle Arbeitszufriedenheit erhöht und das Arbeits- und Schulklima verbessert. Personalräte als gewählte Vertreter:innen der Beschäftigten sind diesen Zielen in besonderem Maße verpflichtet. Unsere Beteiligungsrechte dürfen auch in schwierigen Zeiten nicht ignoriert werden, sondern müssen ausgebaut werden. Wir begrüßen daher die Bereitschaft der Landesregierung in diesem September den lang erwarteten Dialog mit den Gewerkschaften hin zu einer Reform des Hessischen Personalvertretungsgesetzes zu beginnen. Die DGB-Gewerkschaften haben dazu ein Positionspapier entwickelt, das die Forderungen für alle Ressorts der Landesverwaltung bündelt. Für den Kultusbereich fordern wir neben der Ausweitung von Mitbestimmungstatbeständen vor allem auch bessere Freistellungsregelungen für Personalräte insbesondere auf der örtlichen und der Gesamtpersonalratsebene, damit sie die Interessen ihrer Kolleg:innen in einem stetig komplexer werdenden Berufsfeld weiter kompetent vertreten und auf Augenhöhe mit ihren Dienststellenleitungen verhandeln können.

Anlagen:

  1. Materialien zur Mitbestimmung
  2. Position der DGB-Gewerkschaften für ein modernes Personalvertretungsgesetz in Hessen