Die Klassenkasse als Privatvergnügen?

Praktikable Regelungen sind nicht in Sicht

HLZ 3/2016: Lobbyismus und Schule

Lehrkräfte sind nicht verpflichtet, zur Durchführung schulischer und außerschulischer Veranstaltungen von Schülerinnen und Schülern Geld einzusammeln. Sie sind auch nicht verpflichtet, eine Klassenkasse zu führen, selbst wenn ein entsprechender Beschluss der Gesamtkonferenz vorliegt. Führt eine Lehrkraft dennoch eine Klassenkasse, dann ist das keine dienstliche, sondern eine außerdienstliche Tätigkeit. Dementsprechend ist es auch schlüssig, dass sich der Anspruch von Eltern, die Geld aus der Klassenkasse zurückfordern, gegen die Lehrkraft als Privatperson richtet.

So lautete sinngemäß die Auskunft eines Staatlichen Schulamtes auf die Anfrage eines Gesamtpersonalrates. Und es mag manche überraschen, die Auskunft ist absolut richtig.

Eine außerdienstliche Tätigkeit

Eine Mutter hatte zum Ende des vergangenen Schuljahres ihre Tochter von der Schule abgemeldet und auf eine andere Schule umgemeldet. Noch vor den Sommerferien richtete die Schülerin dem Klassenlehrer aus, ihre Mutter, damals noch Elternbeirätin der Klasse, wünsche eine Abrechnung der Klassenkasse. Der Klassenlehrer ließ der Mutter durch die Schülerin mitteilen, er werde die Abrechnung erstellen und sich dann bei der Mutter melden. Einige Tage später kam eine erneute Anfrage der Mutter über ihre Tochter nach Abrechnung der Klassenkasse, worauf der Klassenlehrer die Mutter erneut vertrösten musste mit der Begründung, er könne im Moment die Klassenkasse noch nicht abrechnen, da noch drei Zahlungseingänge von Eltern fehlten und er außerdem noch auf eine Rechnung des Verkehrsverbundes warte.
Daraufhin wandte sich die Mutter in einem kurzen Schreiben mit Datum vom 23.7.2015, also dem vorletzten Schultag vor den Sommerferien, an den Klassenlehrer mit der erneuten Aufforderung, die Klassenkasse bis zum 14.8.2015 abzurechnen. Dieses Schreiben schickte die Mutter der Schule zu. Der Klassenlehrer fand es erst Ende September in seinem Brieffach, also rund sechs Wochen nach dem gesetzten Termin. Wäre dem Klassenlehrer das Schreiben noch zu Beginn der Sommerferien zugegangen, hätte der Wunsch der Mutter bis zu dem gesetzten Termin auch nicht erfüllt werden können, da sich an der Sachlage bis dahin nichts geändert hatte.

Rechtsstreit um 11 Euro

Natürlich ging es der Mutter nicht nur um die Abrechnung der Klassenkasse, sondern auch um die Auszahlung des Überschusses, der, und das war der Mutter bekannt gewesen, ungefähr elf Euro betragen hatte. Was dann passierte, könnte man in den Bereich der Satire einordnen, doch es ist bittere Realität. Die Mutter beauftragte einen Rechtsanwalt, der mit Schreiben vom 7.10.2015 die Schulleitung aufforderte, auf den Klassenlehrer „auch unter schulaufsichtsrechtlichen Gesichtspunkten einzuwirken und diesen zu veranlassen, nunmehr Rechnung zu legen“. Dafür setzte der Rechtsanwalt eine Erledigungsfrist bis zum 23.10.2015. Ergänzt wurde das Schreiben durch die Aufforderung, ein ggf. errechnetes Guthaben für die Mutter zu überweisen, und die Drohung, dass er bei nicht fristgemäßer Erledigung der Mandantin weitere Schritte empfehlen werde. Des Weiteren sah der Rechtsanwalt die Schule in Zahlungsverzug und kündigte deswegen an, dass diese auch die Kosten seiner Inanspruchnahme zu tragen habe.

Mit Schreiben vom 14.10.2015 wies die Schulleitung den Klassenlehrer in Form einer Bitte an, dem Rechtsanwalt den Überschussbetrag aus der Klassenkasse in Höhe von 11,90 Euro zu überweisen, ihm die Abrechnung zuzusenden und ihm auch zu erklären, dass diese beim Elternabend besprochen worden sei, sowie ihm die verspätete Zahlung zu begründen. Dies tat der Klassenlehrer auch am nächsten Tag, obwohl immer noch nicht alle ausstehenden Beträge eingegangen waren.

Die Antwort kam postwendend: Der Rechtsanwalt schickte der Schule seine Kostennote über 83,45 Euro zu, mit der Begründung, die Schule bzw. der Klassenlehrer habe sich zum Zeitpunkt seiner Mandatierung in Verzug befunden. Die Schulleitung lehnte eine Übernahme dieser Kosten ab und übte Druck auf den Klassenlehrer aus, den Betrag zu zahlen, da ihm andererseits die Zahlung noch höherer Kosten drohen könnte. Dies lehnte der Klassenlehrer nach Rat der GEW-Rechtsberatung ab.

Die Sache war inzwischen von der Schulleitung auch an den zuständigen Justiziar des Staatlichen Schulamtes abgegeben worden, der den Rechtsanwalt dahingehend belehrte, dass das Land Hessen auf Grund der Rechtslage für derartige Kosten nicht aufkomme. Deswegen versuchte der Rechtsanwalt nun, die Kostennote privat beim Klassenlehrer einzutreiben. Dies konnte durch ein Schreiben des GEW-Rechtsberaters abgewendet werden.

In diesem Schreiben wurde deutlich gemacht, dass der Lehrer zu keinem Zeitpunkt in Zahlungsverzug gegenüber der Mutter geraten war. Deswegen hatte für sie auch nie ein nachvollziehbarer Grund bestanden, einen Rechtsanwalt zu beauftragen. Und – sicher hart für einen Rechtsanwalt – er musste sich auch belehren lassen, dass das Führen einer Klassenkasse keine dienstliche Angelegenheit sei und deshalb seine Aufforderung an die Schulleitung, unter aufsichtsrechtlichen Gesichtspunkten auf den Lehrer einzuwirken, vollkommen abwegig sei.

Daraufhin ließ der Rechtsanwalt nichts mehr hören. Offenbar hat er eingesehen, dass weder Schule noch Lehrer in Zahlungsverzug gewesen waren und er deswegen kein Recht hatte, sich die Bezahlung seines Tätigwerdens beim Lehrer zu holen. Vielleicht hatte er das aber auch vorher schon gewusst. Nun, man kann es ja mal versuchen!

Regelungen bei Klassenfahrten

In einem Telefonat hatte der Justiziar des Staatlichen Schulamtes dem Rechtsanwalt dargelegt, dass einzelne Lehrkräfte nach der Anordnung über die Vertretung des Landes Hessen im Geschäftsbereich des Hessischen Kultusministeriums (HKM) nicht berechtigt seien, Verträge zu Lasten des Landes Hessen abzuschließen, weder schriftlich noch mündlich noch „schlüssig“. Das Einsammeln und Verwahren von Elterngeldern stelle aber ein solches „schlüssiges“ Rechtsgeschäft dar, weshalb er Lehrkräften dringend von der Übernahme derartiger Geldgeschäfte abrate und empfehle, einen Kassenwart aus der Elternschaft wählen zu lassen.

Damit Lehrkräfte nicht in die Versuchung geraten, im Namen der Schule oder durch schlüssiges Handeln für das Land Hessen Klassenfahrten organisieren zu müssen, hat das Kultusministerium per Erlass geregelt, dass die Lehrkräfte die erforderlichen Verträge „im Namen der Eltern oder volljährigen Schülerinnen und Schüler abschließen“ (1). Verträge dürfen die Lehrkräfte erst dann abschließen, wenn zuvor die schriftlichen Zustimmungen der Eltern bzw. die Erklärungen der volljährigen Schülerinnen und Schüler zur Kostenübernahme und die Genehmigungen zum Abschluss der Verträge vorliegen. Ob dadurch allerdings Konfliktfälle wie der oben beschriebene ausgeschlossen bleiben, darf bezweifelt werden. Es kann auch hierbei vorkommen, dass Eltern meinen, Geld zurückfordern zu müssen.

Es bleibt die Kritik an der gegenwärtigen Regelung, dass das Land Hessen nicht selbst verantwortlich für die Durchführung von Klassenfahrten zeichnet, zumal die Teilnahme an Klassenfahrten zu den Dienstpflichten von Lehrkräften zählt und diese als „wichtige Elemente des Bildungs- und Erziehungsauftrages der Schulen“ gelten.

Eine Sache der Eltern?

Ob der dringende Rat des Justiziars des Staatlichen Schulamtes, einen Kassenwart aus der Elternschaft wählen zu lassen, Abhilfe schafft, ist fraglich. Es beginnt bei der Frage, ob sich in jeder Klasse ein Elternteil für diese Aufgabe breitschlagen lässt. Informationen über Schülerinnen und Schüler, deren Teilnahme an Klassenfahrten durch Zuschüsse des Sozialamtes, des Fördervereins oder aus der Elternspende unterstützt wird, gehen andere Eltern nichts an. Falls sich eine Lehrkraft aber konsequent weigern sollte, Geld für schulische Zwecke einzusammeln, wird der Elternschaft nichts anderes übrig bleiben, als die Geldgeschäfte der Klasse selbst zu verwalten; oder es gibt halt keine Klassenkasse, und eine Klassenfahrt findet auch nicht statt.

Und wie sieht es mit der Abwicklung von Zahlungen für Ausflüge und Klassenfahrten über ein Schulkonto aus? Die Richtlinien des HKM zur Führung von Girokonten durch die öffentlichen Schulen legen fest, dass Zahlungsvorgänge für Klassenfahrten, zusätzliche Lehr- und Lernmittel, Schulveranstaltungen, Schulfeste oder ähnliche Veranstaltungen ausschließlich über die Schulgirokonten abgewickelt werden, insbesondere auch Zahlungen, die bisher über Privatkonten der Lehrkräfte oder Konten von Schulvereinen erfolgten. Die Schulleitung erhält dabei die entsprechende Befugnis zur Konteneröffnung im Namen des Landes Hessen und zur Verwaltung des Kontos.

Lösung Schulgirokonto?

Klingt gut, doch die Umsetzung wirft einige Fragen und Probleme auf. Der Erlass empfiehlt, eine kostenfreie Führung des Schulgirokontos anzustreben, da das Land Hessen keine Mittel dafür habe. Ob Kreditinstitute dazu bereit sind, muss im Einzelfall geklärt werden.Die Kontoführung obliegt dem Schulleiter oder der Schulleiterin gemeinsam mit einem oder mehreren zu benennenden Schulbediensteten. Sieht man sich die im Erlass aufgeführten Pflichten zur Aufzeichnung und Rechnungslegung an, dürfte klar werden, dass man – bedingt durch den Verwaltungsaufwand – Schulbedienstete, die diese Aufgaben übernehmen wollen, wohl nur schwer finden wird. Zudem müssten diese Schulbediensteten einfache Buchhaltungskenntnisse vorweisen können.

Eine kleine Rechnung soll den Aufwand deutlich machen: Bei einer Schule mit 800 Schülerinnen und Schülern in 30 Klassen fallen bei nur einen einzigen Überweisung für die Klassenkasse bereits 800 Buchungen an. Diese können nur zugeordnet werden, wenn in jedem Kontoauszug der Name der Schülerin oder des Schülers und die Bezeichnung der Klasse stehen. Wird zweimal im Jahr eingezahlt oder kommen noch Extrazahlungen oder Ratenzahlungen für Klassenfahrten hinzu, stellt sich natürlich wieder einmal die Frage, wer eigentlich diese ganze Arbeit machen soll. Und dann gibt es ja auch noch Eltern, die Zahlungen versäumen oder verweigern, die gemahnt werden müssen, und vieles mehr.

Die Tatsache, dass alle Kontenbewegungen überprüft werden müssen, führt zu einem weiteren großen Verwaltungsaufwand. Man kann gespannt sein, wenn die ersten Erfahrungsberichte über eingerichtete Schulgirokonten an die interessierte Öffentlichkeit gelangen. Die Tatsache, dass der Erlass nur um ein Jahr verlängert worden ist, zeigt wohl, dass man auch im Kultusministerium nicht sicher ist, das Gelbe vom Ei gefunden zu haben.

Andreas Skorka ist ehrenamtlicher Kreis- und Bezirksrechtsberater im GEW-Bezirksverband Nordhessen.