Lobbyismus: Eine Nachlese

HKM beantwortet Fragen zu Lobbyismus an hessischen Schulen

HLZ 5/2016

Mit dem „Lobbyismus an Schulen“ befassten sich mehrere Beiträge der HLZ 3/2016. Christoph Degen, bildungspolitischer Sprecher der SPD im hessischen Landtag, forderte in einem Gastkommentar: „Mehr Transparenz, Herr Minister!“ und kündigte zugleich „einen Brief mit weiteren Fragen“ an Kultusminister Alexander Lorz (CDU) an. Schließlich hatte der Bericht des Hessischen Kultusministeriums (HKM) an den Kulturpolitischen Ausschuss (KPA) des Landtags zahlreiche Fragen offen gelassen (1).

HLZ-Autor René Scheppler (GEW Wiesbaden) hatte schon in der HLZ 1-2/2016 auf den höchst irritierenden Sachverhalt hingewiesen, dass der vom HKM zitierte „Sponsoringbericht“ der Landesregierung zwar der „Herstellung größtmöglicher Transparenz gegenüber der Öffentlichkeit“ dienen soll, gleichzeitig dieser aber konsequent vorenthalten wird. Kultusminister Lorz scheint das nicht zu irritieren und teilt in dem aktuellen Antwortschreiben an Christoph Degen lapidar mit: „Der Sponsoringbericht wird dem Landtag alle zwei Jahre durch die Landesregierung vorgelegt. Grundlage für diesen Sponsoringbericht ist ein Beschluss des Hessischen Landtages vom 19. Mai 2010, in dem die Landesregierung aufgefordert wird, einen solchen Bericht vorzulegen. Daher entscheidet der Hessische Landtag über die Veröffentlichung.“

Deep Lobbying

Unzufrieden war Degen auch mit der Tatsache, dass der Wert verschiedener im Sponsoringbericht aufgeführter Sachleistungen „nicht bezifferbar“ ist. Als Beispiel nannte Degen die Verteilung von 60.800 Warn- und Sicherheitswesten und Brustbeuteln zum Schulanfang durch den ADAC. Auch hier hat das HKM eine lapidare Antwort: Der ADAC habe eben keine Auskunft gegeben, „wie viel ihn die Materialien gekostet haben“. Es ist nur zu hoffen, dass ein solche Logik nicht auch an anderen Stellen die Transparenzberichte beherrscht.

Felix Kamella vom Verein LobbyControl erläuterte im HLZ-Gespräch die Strategie des „Deep Lobbying“, die mehr und mehr die klassische Werbung, die Schleichwerbung und das offene Sponsoring ersetzt. Sie zielt auf die „Steuerung von Stimmungen und Diskursen in der Bevölkerung, um so indirekt politische Entscheidungen zu beeinflussen“ (HLZ 3/2016, S.10). Das HKM kann den Begriff zwar dem Verein LobbyControl zuordnen, doch sei er „bisher“ weder vom HKM noch von den Staatlichen Schulämtern verwendet worden. Deshalb gab es bisher auch „seitens der Schulen keine Anzeigen oder Nachfragen“. Sollten damit aber zum Beispiel die vielfältigen regionalen Kooperationen mit Unternehmen, Banken, Sparkassen oder Zeitungsverlagen gemeint sein, so seien diese „im Rahmen der Berufs- und Studienorientierung“ oder im Rahmen der „Öffnung von Schule“ sogar „ausdrücklich gewünscht“. Hier sehr viel genauer hinzusehen, war allerdings die Intention des HLZ-Schwerpunkts. Nicht jede Kooperation ist Teufelswerk, aber man sollte bei den beteiligten außerschulischen Kooperationspartnern auch nicht per se von ausschließlich selbstlosen Motiven ausgehen.

Werbung, Spenden, Sponsoring

Das HKM weist allerdings noch einmal darauf hin, dass Sponsoringverträge nur vom Staatlichen Schulamt, nicht aber von den Einzelschulen abgeschlossen werden dürfen. Werbung in Schulen sei „nur in Form des Sponsorings zulässig“. Werbung zum Beispiel „in Form des Verkaufs von Werbeflächen“ ist unzulässig. Im Schuljahr 2014/15 – so eine Abfrage des HKM bei den Schulämtern – gab es im Bereich Werbung insgesamt 23 Nachfragen durch Schulen bei den Staatlichen Schulämtern: „In elf Fällen wurde den Schulen empfohlen, die geplante Veranstaltung nicht durchzuführen oder die geplante Werbemaßnahme nicht vorzunehmen.“
Die Annahme von Spenden bedarf dagegen „keines Vertrages und ist für Schulen grundsätzlich zulässig.“ Eine Prüfung durch die Schulämter erfolge nur „auf Anfrage“. Im Schuljahr- 2014/2015 habe es deshalb auch nur acht Anfragen gegeben: „In drei Fällen wurde empfohlen, die Spende abzulehnen.“

Genaueres wollte Degen auch über das Engagement des von den Arbeitgeberverbänden getragenen Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) für das „JUNIOR-Schülerfirmenprogramm“ wissen. Obwohl BDI und BdA keinen Mangel leiden, wird das Projekt sowohl aus Steuermitteln des Landes als auch aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds (ESF) kofinanziert. Bei den damit verbundenen Lehrerfortbildungen des IW verweist das HKM auf die Akkreditierung durch die Lehrkräfteakademie (LA). Hierzu muss man jedoch wissen, dass die LA zwar jede Veranstaltung „auf rassistische, diskriminierende, verfassungsfeindliche Inhalte und Zielsetzungen“ überprüft, mögliche lobbyistische Intentionen aber bei der Prüfung keine Rolle spielen – so die Antwort der LA auf eine Anfrage von René Scheppler.

Ausführlich hakte Degen auch noch einmal bei der Frage der Zulassung von Publikationen und Veröffentlichungen außerschulischer Träger für die Verwendung im Unterricht nach. Professor Tim Engartner hatte in der HLZ erneut eindringlich auf die „lobbyistisch motivierte Einflussnahme mittels Unterrichtsmaterialien“ hingewiesen, mit denen die Schulen regelrecht überflutet werden (HLZ 3/2016, S.8). Die Antworten des HKM sind wenig erhellend. Die formale Abgrenzung der Begrifflichkeiten (Schulbuch, ergänzendes Druckwerk, sonstige Schriften) wird der Schulrealität kaum gerecht. Letztlich wird der Schwarze Peter doch wieder der einzelnen Lehrkraft zugeschoben: Sie darf sich im Unterricht „der Unterstützung von Unternehmen und Organisationen bedienen“, wenn zugleich die Grundsätze der „Neutralität und Integrität“ beachtet und „jeder Anschein der Einflussnahme auf die Wahrnehmung der öffentlichen Aufgaben vermieden wird“.

Zum Schluss rafft sich das HKM aber doch zu einer klaren Aussage auf. René Scheppler hat sich in der HLZ das Unterrichtswerk „Von der Idee zum Ziel“ des „Network for Teaching Entrepreneurship“ vorgenommen, das den „Unternehmergeist in öffentliche und private Schulen“ bringen und die „im Vergleich zu den USA viel skeptischere und kritischere Einstellung der Deutschen zum Unternehmertum“ beeinflussen möchte (HLZ 3/2016, S.14).

Bei der Prüfung der ersten Fassung des Schülerbuchs habe sich die Kritik des HKM auf die Tatsache beschränkt, dass „das Thema ‚Schülerfirmen‘ nur theoretisch behandelt“ wurde und das Buch „viel zu textlastig“ gewesen sei: „Inzwischen hat sich das Fachreferat eine aktuelle Version beschafft. Diese Version ist in der Tat vollständig von offener und versteckter Werbung durchzogen. Insofern widerspricht der Einsatz dieses Buches den rechtlichen Vorgaben des Werbeverbotes in Schulen und hätte daher keine Zulassung durch die Schulleitungen erhalten dürfen. Das Hessische Kultusministerium wird Maßnahmen ergreifen, den Gebrauch im Unterricht zu untersagen.“

Dass sich diese Einsicht erst knapp zwei Jahre nach der ersten Kritik durch die GEW einstellte, zeigt sowohl die mangelnde Sensibilität des HKM für dieses Thema als auch erneut die Notwendigkeit einer unabhängigen Prüfstelle für Unterrichtsmaterialien, die die Lehrerinnen und Lehrer zeitnah beraten kann.


(1) Den Berichtsantrag der SPD-Fraktion 19/2029 und die entsprechende Ausschussvorlage zum Thema „Werbung, Sponsoring und Lobbyismus an hessischen Schulen“ sowie weitere Materialien zum Thema findet man auch auf der Homepage der GEW Hessen (www.gew-hessen.de > Aktuell > Themen > Lobbyismus).