Lobbyisten gegen Werbeverbot in Schulen

HLZ 4/2017

Foto: Hanauer Grundschulen beteiligten sich 2016 am Speed4-Laufwettbewerb. Das Kreisfinale fand in einem Autohaus
statt. (Foto: René Scheppler)

Der Gesetzentwurf im Wortlaut

§ 3 Absatz 15: Werbung ist in der Schule unzulässig. Ausnahmen für Sponsoring kann das Kultusministerium im Rahmen geltender Vorschriften dann zulassen, wenn eine Beeinflussung sowie der Anschein einer Einflussnahme auf Schule und Unterricht ausgeschlossen ist und das Sponsoring nicht im Widerspruch zu den Bildungs- und Erziehungszielen nach diesem Gesetz steht. Das Kultusministerium kann die Ermächtigung zur Zulassung von Ausnahmen auf nachgeordnete Behörden übertragen. 

Network for Teaching Entrepreneurship 

„Da die Gründungsbereitschaft deutscher Jugendlicher bekanntlich im internationalen Vergleich zu gering ist, ist im Unterricht eine lebendige und zeitgemäße Beschäftigung mit realen, nachhaltigen und zukunftsweisenden Unternehmensmodellen und Produkten notwendig, um die Motivation bei Schülern und Schülerinnen zu steigern.“ (1)

Verband der Chemischen Industrie e.V. Landesverband Hessen 

„Beispielhaft sei die Ausstattung von Fachräumen genannt. Mit Hilfe externer Partner wie dem Fonds der Chemischen Industrie haben Lehrkräfte die Möglichkeit, Dinge anzuschaffen, mit denen sie einen anschaulichen und spannenden experimentellen Unterricht durchführen können. Die Mittel für Gerätschaften, Chemikalien, Fachliteratur, Experimentiersets, Software und Molekülbausteine stehen in den Schulbudgets jedoch meist nicht in ausreichendem Umfang zur Verfügung.“

(1) In der HLZ 5/2016 berichteten wir über die Entscheidung des Hessischen Kultusministeriums (HKM), das von René Scheppler (GEW Wiesbaden) analysierte Schülerbuch des Vereins „Network for Teaching Entrepreneurship“ (HLZ 3/2016) wegen Verstößen gegen das Werbeverbot nicht mehr zur Verwendung im Unterricht zuzulassen.

Hessischer Handwerkstag

„Wir stellen uns die Frage, wie soll zukünftig zum Beispiel ein Teil der Berufs- und Studienorientierung – ebenfalls ein Bildungs- und Erziehungsauftrag hessischer Schulen (§ 2 Abs. 9 HSchG) – aussehen, wenn Unternehmen oder andere Institutionen Schulen in diesem Kontext unterstützen können, indem sie keine Bücher, aber vor allem Materialien und andere Unterrichtshilfen mehr zur Verfügung stellen können.“

Arbeitsgemeinschaft Hessischer Industrie- und Handelskammern

„Wenn Schulen künftig beim Kultusminister oder einer nachgelagerten Behörde um eine Ausnahmegenehmigung bitten müssen, bevor sie eine Leistung von einem Unternehmen entgegen nehmen bzw. eine mit Sponsoring verbundene Kooperation eingehen wollen, würde das zusätzlichen bürokratischen Aufwand bei Schulen und Verwaltung bedeuten, damit eine zusätzliche und unnötige Hürde für Unternehmenskooperationen geschaffen und ein falsches Signal an Schule und Unternehmen gesendet.“

Vereinigung der hessischen Unternehmerverbände

„Werbung, insbesondere Produktwerbung, ist in Schulen richtigerweise unzulässig. Viele Schulen sind jedoch (...) zur Wahrnehmung ihrer Aufgaben (...) auf ein auch privatwirtschaftliches Sponsoring angewiesen, wenn sie künftig finanziell nicht besser ausgestattet werden. Da eine massive Mehrausstattung mit Blick auf die finanziellen Ressourcen der Schulträger, wie auch auf die verfassungsmäßige Schuldenbremse, wenig aussichtsreich und auch zweckmäßig erscheint, jedoch erhebliche Investitionen (...) auf alle Schulen und Schulträger zukommen, wird die zukunftsfähige Schule auch weiterhin absehbar auf ein externes Sponsoring angewiesen sein. (…) Sinnvoll erscheint die vorgesehene Ermächtigung, das Zulassen von Ausnahmen auf nachgeordnete Behörden zu übertragen. Hierfür kompetent wäre die jeweilige Schulleitung, die (...) am besten beurteilen kann, was ihre Schule benötigt. (...) 
Dieselben Passagen finden sich wortgleich in der Stellungnahme der Landesarbeitsgemeinschaft Schule und Wirtschaft Hessen.

Werbung im Schulsport

In einem Leserbrief an die Redaktion der E&W (3/2017) äußerte sich Norbert Baumann, Vorsitzender der GEW-Sportkommission, zu den Laufwettbewerben für Grundschulen, mit denen die Speed4 GmbH Grundschuleltern in Autohäuser lockt (HLZ 3/2017). Dies sei bei weitem kein Einzelfall, „denn mittlerweile tummeln sich unzählige werbliche Unternehmen mit ähnlich aufgeblähten Vorhaben im schulsportlichen Umfeld, um für ihre Produkte zu werben“. Skandalös sei, „dass viele Sponsoren mit ausdrücklicher Unterstützung des Deutschen Olympischen Sportbundes oder dessen Unterorganisationen ihren Weg in die Schulen finden“.

Wie berichtet soll im Rahmen der Novellierung des Schulgesetzes ein grundsätzliches Verbot der Werbung in Schulen verankert werden. Während Eltern-, Lehrer- und Schülervertretungen und fast alle Parteien im Landtag die neue Regelung einmütig begrüßten, liefen Wirtschaftsverbände im Rahmen der Anhörung im Kulturpolitischen Ausschuss und FDP-Vertreter im Landtag Sturm. Wolfgang Greilich, bildungspolitischer Sprecher der FDP, meinte im Landtag, die schwarz-grüne Koalition sei mit ihrer Gesetzesvorlage „einer Kampagne der GEW auf den Leim gegangen“. Die HLZ dokumentiert im Folgenden Auszüge aus den Stellungnahmen der Wirtschaftslobby, denen nur in einem Punkt zuzustimmen ist: Dass sich Schulen in hohem Maß von privatwirtschaftlichen Sponsoren einfangen lassen, ist vor allem auch der Unterfinanzierung durch den Staat zu verdanken.