Werbung und Sponsoring

HLZ 12/2017

René Scheppler vom GEW-Kreisverband Wiesbaden ist ein sehr kritischer Beobachter der Werbeaktivitäten von Lobbygruppen und Unternehmen in Schulen. Aktuell macht er auf die bundesweite Aktion „Helm auf“ des Möbelhauses Porta aufmerksam, die auch an mehreren hessischen Schulen stattgefunden hat und von der Marketingagentur Pie-Five („Wir machen Marken erlebbar“) organisiert wird. Porta-Mitarbeiter bieten den Grundschulen an, Unterrichtssequenzen zur Verkehrssicherheit zu übernehmen, bei denen die Schülerinnen und Schüler vor großen Aufstellern der Firma Porta sitzen. Den als Geschenk angebotenen Fahrradhelm (natürlich auch wieder mit Porta-Logo) gibt es dann aber nur, wenn sie sich ihn am nächsten Samstag in der Porta-Filiale abholen. 

Rechnen mit Fraport

Kinder und Eltern in lärm­geplagten Anrainergemeinden des Frankfurter Flughafens werden sich auch über die Hausaufgaben aus dem Mathematikbuch „Neue Wege“ des Schroedel-Verlags freuen. In einer Rechenaufgabe liest man, dass der Rhein-Main-Flughafen „vielen Menschen Arbeit gibt“ und „einen neuen Rekord bei der Zahl der Fluggäste“ verzeichnet (Gymnasium Klasse 5, Ausgabe Rheinland-Pfalz, S.18). Die exakte  Zahl von 56.441.742 Fluggästen ist dann Anlass für rechnerische Vergleiche mit dem „recht kleinen Flughafen“ Köln/Bonn und Übungen zum Runden. Offensichtlich bediente man sich hier der in einem Geografiebuch desselben Verlags verbreiteten Erfolgsmeldungen über die „weltweite Bedeutung des Frankfurter Flughafens“ (HLZ 4/2015, S. 33).

Die aktuelle Ausgabe der WLZ, der Mitgliederzeitschrift der GEW Wiesbaden-Rheingau, geht der Frage nach, welche Kriterien Kultusministerium und Schulamt den Schulleitungen an die Hand geben, um Entscheidungen über die Zulässigkeit von Sponsoring-Aktivitäten treffen zu können. Diese Aufgabe wurde ihnen – wie in der HLZ berichtet – im Rahmen der Novellierung des Hessischen Schulgesetzes übertragen (§ 3 Absatz 15, siehe unten*).

In der Antwort auf eine Anfrage der SPD-Fraktion zu den Speed4-Wettbewerben (HLZ 3/2017) hatte das Hessische Kultusministerium (HKM) noch darauf hingewiesen, dass Schulleitungen in Zweifelsfällen „die Unterstützung des Staatlichen Schulamts in Anspruch“ nehmen können. Es sei deren Aufgabe, „die Durchführung solcher Wettbewerbe kritisch zu prüfen und zu begleiten“.

Auf dem Verschiebebahnhof

Eine entsprechende Anfrage des Gesamtpersonalrats der Lehrerinnen und Lehrer im Schulamtsbezirk Wiesbaden landete, so dessen Vorsitzender Michael Zeitz, auf einem „Verschiebebahnhof“. Das Schulamt Wiesbaden erklärte sich für „nicht zuständig“ und erbat eine Antwort des HKM, das wiederum „keinen Handlungsbedarf“ sah, denn es gebe ja auch noch den Erlass zum „Verteilen von Schriften, Aushängen und Sammlungen in den Schulen“. Der enthält allerdings ein ausdrückliches Verbot der „Verteilung von Werbematerialien“. Bei Zweifeln ist „die Entscheidung des Staatlichen Schulamtes einzuholen“. Inzwischen war seit der Anfrage zur Zulässigkeit der Speed4-Wettbewerbe genug Zeit verstrichen, so dass das Schulamt eine Antwort für überflüssig erklärte, denn es gebe inzwischen keine Schule mehr im Amtsbezirk, die daran teilnehme...

*§ 3 Absatz 15 Hessisches Schulgesetz: Die Schulleitung entscheidet …

Werbung für Produkte oder Dienstleistungen ist an Schulen unzulässig. Schulen dürfen zur Erfüllung ihrer Aufgaben Zuwendungen von Dritten entgegennehmen und auf deren Leistungen in geeigneter Weise hinweisen (Sponsoring), wenn die damit verbundene Werbewirkung begrenzt und überschaubar ist, deutlich hinter den schulischen Nutzen zurücktritt und das Sponsoring mit dem Bildungs- und Erziehungsauftrag der Schule vereinbar ist. Die Entscheidung trifft die Schulleiterin oder der Schulleiter. Das Kultusministerium kann durch Richtlinien nähere Regelungen treffen.

Ökonomisierung der Bildung | GEW-Fachtagung am 17.  Februar 2018 

Die Fachtagung der GEW-Bezirksverbände Frankfurt und Südhessen und des GEW-Landesverbands zum „(Un)Sinn ökonomisierter Bildung“ findet am Samstag, dem 17. Februar 2018 von 9.30 bis 17.30 Uhr im DGB-Haus in Frankfurt statt. Damit setzt die GEW ihre in mehreren Vortragsreihen begonnene Kritik an der „Ökonomisierung und  Entdemokratisierung des Bildungswesens“ fort. 

Professor Tim Engartner (Goethe-Universität Frankfurt) fragt nach dem Wert öffentlicher Bildung in einer Republik, in der private Nachhilfeanbieter und Privatschulen immer mehr Zulauf finden. Er hält die Privatisierung von Bildung auch deshalb für problematisch, „weil sie der Fokussierung auf ökonomisch verwertbares Wissen Vorschub leistet“.

Matthias Holland-Letz ist Bildungsjournalist und Autor der Privatisierungsreports der GEW. Er beleuchtet die Arbeit der zahlreichen Stiftungen, die an vielen Schulen zur Sanierung kaputter Schulgebäude oder mit Unterrichtsmaterialien und Fortbildungsangeboten präsent sind, aber eben auch eigene Interessen verfolgen, die der Ökonomisierung und neoliberalen Umgestaltung des Bildungswesens Vorschub leisten.
Professor Thilo Naumann (Hochschule Darmstadt) weist nach, dass die gesellschaftlichen Trends der Ökonomisierung, Entgrenzung und Individualisierung längst auch in die Elementarpädagogik hineinwirken. Dieser Entwicklung setzt er emanzipatorische Perspektiven aus psychoanalytischer Sicht entgegen.

Die Anerkennung als Lehrerfortbildung ist beantragt. Anmeldung: info@gew-frankfurt.de