Sozpäds an Förderschulen

GEW-Broschüre zu den neuen Richtlinien liegt vor

Die bis 2006 in Hessen gültige Richtlinie enthielt keine eindeutige Beschreibung der Tätigkeitsmerkmale der sozialpädagogischen Fachkräfte an den Förderschulen für geistige Entwicklung (GE) und für körperliche und motorische Entwicklung (KME) und der Aufteilung ihrer tariflich festgelegten Arbeitszeit. Die Folge war, dass Schulleiterinnen und Schulleiter die Arbeitszeitanteile für Unterrichts- und Erziehungszeit, für Vor- und Nachbereitung und für außerunterrichtliche Tätigkeiten sehr unterschiedlich festlegten, manchmal in der irrigen Annahme, Konferenzen oder Elternarbeit seien Freizeitaktivitäten der sozialpädagogischen Fachkräfte, die außerhalb ihrer Dienstzeit zu leisten seien. Personalräte waren in den Anfangszeiten oft überfordert und kannten die Rechte dieser relativ kleinen Gruppe Tarifbeschäftigter im hessischen Schuldienst noch nicht, für die die Pflichtstundenverordnung keine Gültigkeit hatte.

Aus „sozialpädagogischen Wohnzimmertreffen“ im mittelhessischen Raum bildete sich eine GEW-Gruppe, die bald landesweit vernetzt war und den Vorsitz der Landesfachgruppe Sozialpädagogische Berufe der GEW übernahm. Ein erster, mit Unterstützung der GEW erzielter politischer Erfolg war die Wählbarkeit der „Sozpäds“ für die Schulkonferenz. Dieser hart erkämpfte Teil demokratischer Teilhabe ist heute eine Selbstverständlichkeit an den Schulen. Die Stärke der sozialpädagogischen Fachkräfte in Hessen beruht auch heute noch darauf, dass ein hoher Anteil dieser Beschäftigten in der GEW organisiert ist, dass regelmäßig gut besuchte hessenweite Treffen stattfinden und inzwischen in fast allen Gesamtpersonalräten sozialpädagogische Fachkräfte über die Angestelltenliste der GEW gewählt wurden. Über ihre eigene Fachgruppe hinaus arbeiten heute „Sozpäds“ in allen Gremien der GEW mit. Ein weiterer wichtiger Schritt der Mitbestimmung wurde möglich, als auf der GEW-Liste die erste sozialpädagogische Fachkraft in den Hauptpersonalrat der Lehrerinnen und Lehrer (HPRLL) gewählt wurde. Als ab Oktober 2005 die alte Richtlinie überarbeitet wurde, war es möglich, fachkompetent in Zusammenarbeit mit dem HKM die Tätigkeitsmerkmale zu beschreiben und erstmalig hessenweit durch den HPRLL eine verbindlich festgelegte Aufteilung der Arbeitszeit durchzusetzen.

Zähes Ringen

Den ersten Richtlinien zur Arbeitszeit der sozialpädagogischen Fachkräfte ging 2006 ein zähes Ringen des HPRLL mit dem Hessischen Kultusministerium (HKM) voraus, das mit einem Kompromiss der Einigungsstelle endete. Anlass zur Erstellung der Richtlinien war eine Überprüfung der Arbeitszeit der sozialpädagogischen Fachkräfte durch den Hessischen Landesrechnungshof zwischen 2003 und 2004 und die darauf folgende Klarstellung durch das HKM: „Fehlende Nachweise der Arbeitszeit dürften nicht zu dem Schluss führen, dass die Arbeit nicht geleistet worden sei. Die Aussage, wonach jährlich Arbeitskraft im Wert von rund 2 Mio. Euro ungenutzt bleibe, sei demzufolge in ihrer absoluten Festlegung so nicht zu bestätigen. Auch die Gleichsetzung dieser angenommenen ‚Arbeitskraftreserve’ mit einer Kapazität von 44 Stellen als mögliches Einsparpotenzial sei rein rechnerisch zu sehen und gehe am Bedarf der Schulen vorbei.“

Dessen ungeachtet legte das HKM im Oktober 2005 einen Entwurf für eine neue Richtlinie für die Tätigkeit sozialpädagogischer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an den Schulen für Praktisch Bildbare und an den Schulen für Körperbehinderte vor, der die eigenständige, eigenverantwortliche pädagogische Arbeit der sozialpädagogischen Fachkräfte beschreibt. Auf den Widerstand der Beschäftigten, der GEW und des HPRLL stieß die Arbeitszeitdokumentation, die als diskriminierend, misstrauisch und extrem arbeitsaufwändig eingeschätzt wurde, ebenso die formalisierte Form der Umlegung der Schulferienzeit auf die Unterrichtswochen und der vom HKM viel zu hoch angesetzte Zeitanteil mit Schülerinnen und Schülern innerhalb der Gesamtarbeitszeit, also des Teils, der mit extrem hoher physischer und psychischer Belastung einher geht. Gleichzeitig wurde der Anteil der Zeit für außerunterrichtliche Tätigkeiten im Verhältnis zu den realen Bedingungen als viel zu gering angesehen. Dieser Einschätzung schlossen sich auch der Verband Deutscher Sonderschulen (heute: Verband Sonderpädagogik), Schulleitungen und Eltern an. Diese Proteste stärkten den HPRLL und die GEW in den Verhandlungen mit dem HKM, so dass wesentliche Änderungen des Richtlinienentwurfs durchgesetzt werden konnten. Nicht zuletzt haben die intensive Diskussion über eine Arbeitsniederlegung und die Einrichtung einer GEW-Tarifkommission der sozialpädagogischen Fachkräfte mit dem Ziel einer tariflichen Regelung der Ausgestaltung der Arbeitszeit der sozialpädagogischen Fachkräfte den Druck bei den Zuständigen deutlich gemacht.

Die Verhandlungen von HPRLL und GEW wurden in permanentem Austausch mit den Betroffenen geführt. Das in der Einigungsstelle erzielte Ergebnis war ein Kompromiss, aber eben auch eine deutliche Verbesserung gegenüber dem ersten Entwurf.

Mit der Richtlinie von 2006 kam es zur völligen Umkehr von der bisherigen Praxis. Es war vorgegeben, dass alle Tätigkeiten dokumentiert werden müssen. Gleichzeitig wurde so aber auch der tarifliche Anspruch auf einen Ausgleich von Überstunden und Mehrarbeit deutlich. Beides musste nun im Schulalltag umgesetzt werden. Wie von der GEW erwartet, haben diese völlig unterschiedlichen Arbeitszeitregelungen für sozialpädagogische Fachkräfte einerseits und Lehrkräfte andererseits Konflikte in die Schulen getragen.

Evaluation belegt Mehrarbeit

Für die nach einer Erprobung von zwei Jahren vereinbarte Evaluation der Richtlinie wertete das HKM mit hohem Kostenaufwand alle Arbeitszeitnachweise aus – mit einem für die GEW keineswegs überraschenden Ergebnis: Die vom Rechnungshof befürchtete Unterschreitung der Arbeitszeit war ausgeblieben, vielmehr wurden Überstunden und Mehrarbeit nachgewiesen, besonders bei Klassenfahrten. Dieses Ergebnis hat bis heute eine über die unmittelbar Betroffenen hinausgehende Relevanz für etwaige neue Arbeitszeitmodelle der Lehrkräfte. Da sozialpädagogische Fachkräfte im Wesentlichen mit den Lehrkräften im Team arbeiten, liegt es auf der Hand, dass auch die Lehrkräfte über die vorgeschriebene Arbeitszeit hinaus arbeiten. Das belegen im Übrigen auch andere Untersuchungen.

In Folge der Evaluation griff das HKM 2008 die alte Forderung des HPRLL aus dem Jahr 2005 auf, die Arbeitszeitaufteilung zu pauschalieren. Der Vorschlag des HKM, für Unterricht- und Erziehungsarbeit (UE) einen pauschalen Anteil von zwei Drittel der Arbeitszeit anzusetzen, trug jedoch dem Ergebnis der Evaluation keine Rechnung, weil das übrige Drittel keineswegs auskömmlich für die vielfältigen außerunterrichtlichen Tätigkeiten und die Vor-und Nachbereitung ist. Deshalb lehnte der HPRLL nach intensiven Beratungen mit den sozialpädagogischen Fachkräften das „Angebot“ des HKM ab. Die sozialpädagogischen Fachkräfte haben sich dahingehend verständigt, ihre tarifliche Rechte wahrzunehmen – und dazu gehört der Abbau von Überstunden und Mehrarbeit. Die Arbeitszeitdokumentation bleibt notwendig.

Einheitliches Vorgehen

Seit dem 1. 1. 2015 gilt die neue Richtlinie (Amtsblatt 1/2015), in der viele bisher geltende Regelungen fortgeschrieben oder konkretisiert wurden. Leider gestalteten sich die Verhandlungen zwischen HPRLL und HKM wieder zäh und streckenweise unerfreulich. Nachdem zunächst eine schnelle Einigung in Aussicht stand, versuchte das HKM mit einem neuen Entwurf, eine Präsenzzeit einzuführen. Das konnte der HPRLL abwehren, allerdings um den Preis, dass bei Klassenfahrten nun nicht mehr grundsätzlich alle anfallenden Arbeiten dokumentiert werden können, sondern eine zeitliche Obergrenze der Mehrarbeit festgelegt wurde. Wichtig ist auch der Hinweis, dass Überstunden und Mehrarbeit in allen Bereiche der Arbeitszeit abzubauen sind und nicht allein da, wo sie entstanden sind.
Die GEW-Broschüre mit Empfehlungen zum Umgang mit den Richtlinien kann bei der GEW Hessen (info@gew-hessen.de) bestellt werden und steht im Mitgliederbereich als Download zur Verfügung (www.gew-hesssen.de > Recht > Mitgliederbereich). Sie berücksichtigt die Diskussionen mit sozialpädagogischen Fachkräften und mit Mitgliedern von Schulleitungen. Sie stellt rechtliche Bezüge her, orientiert sich aber vor allem an praktischen Notwendigkeiten. Insbesondere die GEW-Fachgruppe, das zuständige Referat, GEW-Mitglieder in den Personalräten und die Landesrechtsstelle werden sich auch zukünftig bemühen, neu aufkommende Fragen zu beantworten. Die Stärken der GEW sind ihre hauptamtliche und ehrenamtliche Kompetenz, ihr Engagement und die Zahl ihrer Mitglieder, die mit ihren Mitgliedsbeiträgen die GEW-Arbeit erst möglich machen.

Moni Frobel

Moni Frobel leitet das Referat Sozialpädagogische Berufe im GEW-Landesvorstand.
Einleitung zweispaltig

Die GEW Hessen hat jetzt eine Neuauflage ihrer Broschüre zu den 2015 geänderten Richtlinien für Sozialpädagogische Fachkräfte an Schulen mit den Förderschwerpunkten geistige Entwicklung sowie körperliche und motorische Entwicklung und an allgemeinen Schulen mit inklusiver Beschulung in diesen Förderschwerpunkten vorgelegt. Moni Frobel, die das Referat Sozialpädagogische Berufe in der GEW Hessen leitet, stellt die neuen Richtlinien vor und beschreibt die Arbeitsfelder und die Kämpfe der Sozialpädagogischen Fachkräfte an hessischen Förderschulen, die in der GEW anerkennend „Die Sozpäds“ genannt werden.

Bildunterschrift
Die Gruppe der Sozialpädagogischen Fachkräfte in der GEW ist kampferprobt und bei den Aktionen der GEW und bei Streiks der Tarifbeschäftigten immer gut vertreten.
Dass ein Streik - zumal bei gutem Wetter - auch Spaß macht, zeigt das Foto von der Arbeitsniederlegung der Landesbeschäftigten am 11. März 2015 in Gießen.