Ergebnisse der Fachtagung

„Lehrerinnen- und Lehrerbildung unter Veränderungsdruck. Modelle und Erfahrungen“

27. Februar 2013/ DGB–Haus Frankfurt

Am 27. Februar veranstaltete die GEW Hessen eine Fachtagung zur Frage: Wie kann Lehrerbildung verbessert werden? Die Tagung sollte Impulse für eine Positionsbestimmung der GEW hinsichtlich der Reform der Lehrerausbildung liefern. Die Referentinnen und Referenten thematisierten zentrale Punkte, die gegenwärtig diskutiert werden:
 
Der GEW-Landesvorsitzende Jochen Nagel begrüßte die rund sechzig Teilnehmerinnen und Teilnehmer und kritisierte die drastische Kürzung der Ressourcen in der Lehrerausbildung in der Zweiten Phase seit November 2011. Auch äußerte er sich kritisch zu dem kürzlich vorgelegten Gesetzentwurf der Regierungsparteien für ein Praxissemester, da dieser curricular und organisatorisch unausgegoren und außerdem ein „Sparmodell“ sei. 

Prof. Dorit Bosse zeigte in ihrem Eröffnungsvortrag "Situation der Lehrerausbildung in Deutschland – Modelle und Erfahrungen" sowohl „Baustellen“ als auch hoffnungsvolle Initiativen auf. Reformbedarf wird deutlich, wenn sie auf eine aktuelle Umfrage hinweist, die zum Ausdruck bringt, dass sich 50 Prozent der befragten Lehrerinnen und Lehrer durch das Lehramtsstudium schlecht auf die Praxis vorbereitet fühlten.

Prof. Bosse gab nach dieser Bestandsaufnahme einen Überblick über drei Perspektiven künftiger Lehrerinnen- und Lehrerausbildung: 

Die Exzellenzinitiative Lehrerbildung aufgrund des KMK-Beschlusses 3/2012, welche unter anderem auf Qualitätsverbesserung des Praxisbezuges und auf die Weiterentwicklung der Lehrerbildung für den Unterricht in heterogenen und inklusiven Lerngruppen zielt, die Empfehlungen der „Baumert“-Expertenkommission für das Land Berlin von 2012, welche eine gleich lange Studiendauer von zehn Semestern für alle Lehrämter und die Integration des Themas „Inklusion“ in das Lehramtsstudium vorsieht, Konzepte der Eignungsüberprüfung und Reflexion, unter anderem das Konzept BASIS. Psychosoziale Basiskompetenzen für den Lehrerberuf, welches an der Universität Kassel umgesetzt wird.

Dorit Bosses Vortrag endete mit einem bedenkenswerten Ausblick auf Befunde der empirischen Lehrerbildungsforschung. Diese kommen zum Ergebnis, dass es zu wenig Abstimmung zwischen erster und zweiter Phase der Lehrerausbildung gebe und dass zu wenig forschungsbasiert gelernt würde. Fazit empirischer Lehrerbildungsforschung ist, dass entscheidend für Kompetenzzuwachs nicht die Quantität, sondern die Qualität von Schulpraktika ist. 

Am Nachmittag wurden Beispiele aus der Praxis dargestellt

Dr. Axel Knüppel stellte das Konzept der schulpraktischen Studien an der Universität Kassel dar und erläuterte, wie eine Verzahnung von erster und zweiter Phase durch eine Lernpartnerschaft von Studierenden und Lehrkräften im Vorbereitungsdienst möglich sei. Dieses Konzept wurde von Tagungsteilnehmerinnen und -teilnehmern kritisch hinterfragt. Dr. Knüppel verwies auf die gute Evaluation dieses Konzepts durch die Studierenden. 
In einem zweiten Praxisbericht stellte Roswitha Wahl, Leiterin des Staatlichen Studienseminars für das Lehramt an Grundschulen in Westerburg, das Konzept der schulpraktischen Studien in Rheinland-Pfalz vor, in welchem die Studienseminare  in die Betreuung der Studierenden in den Vertiefungspraktika eingebunden sind. Außerdem sind ein Lernbericht und das „Career Counselling for Teachers“ (CCT), ein Selbsterkundungsverfahren für angehende Lehrkräfte, obligatorische Elemente zur Förderung der Reflexionsfähigkeit und des forschenden Lernens in der Lehrerausbildung. 

Der Abschluss der Tagung stand unter der Frage: Wie kann Lehrerausbildung in Hessen verbessert werden? Dorit Bosse und Klaus Moegling nahmen am Podium dazu Stellung.

Dorit Bosse stellte drei künftig zu klärende Fragen:

Wie hoch soll die Anrechnung für Mentorinnen und Mentoren bei der Betreuung der Studierenden an den Schulen sein?

Wie kann die Qualität der Zusammenarbeit zwischen erster und zweiter Phase verbessert werden? 
Soll die Eignungsfeststellung im Lehramtsstudium obligatorisch werden? Wie kann die Selbstreflexionskompetenz phasenübergreifend gefördert werden?

Prof. Dr. Klaus Moegling, in der ersten und zweiten Phase der Lehrerausbildung tätig, entwickelte ein Konzept einer „integrierten Lehrerausbildung“, das im Bachelorstudiengang schulpraktische Studien und im Masterstudiengang ein Vertiefungspraktikum vorsieht. Des Weiteren sieht das Konzept vor, dass das Studium für alle Lehrämter gleich lang dauern und eine einjährige Berufseingangsphase eingerichtet werden soll. Dieses Konzept, das die Grundlage des Programms der SPD im Wahlkampf in Hessen bildet, wurde kritisch hinsicht-lich der Ressourcen hinterfragt. Anwesende Lehramtsstudierende kritisierten, dass eine Zulassung für das Masterstudium erforderlich sei, und befürchteten eine bedarfsgesteuerte Zulassung. Kritisch wurde auch gesehen, dass Lehramtsstudierende mit Bachelorabschluss möglicherweise als „Assistenzlehrkräfte“ eingesetzt würden. Andere Teilnehmer sahen ein Problem in der Organisation der Verteilung der Praktikanten auf die hessischen Schulen im Flächenland Hessen. 

Wie die positive Evaluation der Tagung zeigte, erhielten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer Denkanstöße für eine Verbesserung der Lehrerinnen- und Lehrerausbildung. Deutlich wurde aber auch, dass gute Ausbildung nur gelingen kann, wenn die qualifizierte Betreuung und Beratung der angehenden Lehrkräfte garantiert ist. Und dazu sind außer einem guten curricularen und organisatorischen Konzept ausreichende Ressourcen nötig.

Dr. Franziska Conrad und Heike Lühmann, Referat Aus- und Fortbildung