Fachgespräch Inklusion und Lehrer_innenbildung

Expertisen, Erfahrungen und Konzepte

Juni 2014

Am 30. Juni 2014 führte das Referat Aus- und Fortbildung der GEW Hessen ein Fachgespräch durch, das sich mit der Frage beschäftigte: Welche Einsichten, Fähigkeiten und Fertigkeiten können Lehrkräfte für die inklusive Schule in Aus- und Fortbildung erwerben?

Dr. Franziska Conrad, die zusammen mit Heike Lühmann das Referat Aus – und Fortbildung der GEW Hessen leitet, hob die große Bedeutung hervor, die die KMK der Ausbildung für eine inklusive Schule zumisst. Schließlich habe die KMK  zur Umsetzung der Anforderungen, die ein inklusives Schulsystem an die Ausbildung von Lehrkräften stellt, gerade die „Ländergemeinsamen inhaltlichen Anforderungen für die Fachwissenschaften und Fachdidaktiken in der Lehrerbildung“ im Hinblick auf Inklusion aktualisiert. Das Angebot an Fortbildung sei dagegen nicht ausreichend; in der Lehrerausbildung halte das Thema ebenfalls erst allmählich Einzug. So gebe es im Referendariat für Grund-, Haupt- Real- und Förderschulen das Modul „Diversität in Lehr- und Lernprozessen nutzen“, in welchem schwerpunktmäßig auf die Inklusion vorbereitet werden soll. Erst allmählich dringe die Frage in die Ausbildung an den gymnasialen Studienseminaren.

Dr. Ilka Hoffman, Leiterin des Organisationsbereichs Schule im Bundesvorstand der GEW und selbst Förderschullehrerin, stellte die Haltungen und Fähigkeiten heraus, die Lehrkräfte im inklusiven Schulsystem benötigten:

  • Fähigkeit zur Selbstreflexion: Haltungen, Vorurteile hinterfragen ...
  • Selbstbewusstsein
  • Didaktisch-methodische und fachliche Kompetenz: Differenzierung
  • Teamfähigkeit: sich gegenseitig beraten, gemeinsame Unterrichtsvorbereitung
  • Mut und Offenheit gegenüber Neuem: „Change Management“
  • Ambiguitätstoleranz: Umgang mit Widerstand

In allen drei Phasen der Lehrerbildung gebe es jedoch Defizite, die auch damit zu tun hätten, dass es zum gegenwärtigen Zeitpunkt kein Lernen am Modell gebe und ein selektives Schulsystem mit hochdifferenzierten Bildungsgängen eine inklusive Haltung erschwere.

Ilka Hoffmann stellte folgende Forderungen auf:

  • Stufenlehrer_innenausbildung anstatt schulartbezogener Studiengänge
  • Ziel: gemeinsames inklusives Kerncurriculum für alle Pädagog_innen
  • Integrierte Sonderpädagogik: Möglichkeit, eine sonderpädagogische Fachrichtung zum Stufenlehramt dazu zu studieren
  • Verzahnung der Phasen und von Theorie und Praxis
  • Verankerung von Differenzierung/Umgang mit Heterogenität in allen Fachdidaktiken
  • Selbstreflexion als Prinzip der Ausbildung: Sensibilisierung für Formen der Diskriminierung, Entwicklung von Ambiguitätstoleranz, Entwicklung eines Berufsethos und Stärkung des Selbstwertgefühls
  • Fortbildungen für gesamte Kollegien (schulinterne Fortbildung zur Unterrichts- und Schulentwicklung: Module)
  • ausreichende Beratungskapazitäten für alle Schulen

Rosemarie Heußner-Kahnt, Ausbilderin am Studienseminar GHRF Heppenheim, referierte über den Stellenwert des Themas Inklusion im Referendariat. Sie monierte, dass sich Berufsanfänger_innen, sowohl allgemeiner Schulen als auch im Lehramt Sonderpädagogik, auf die Tätigkeit in inklusiven Settings nicht vorbereitet fühlten.

Aus GEW-Sicht sei zu fordern:

  • Gemeinsame Ausbildung von LiV der Förderschule und der allgemeinen Schule im inklusiven Unterricht muss als Regelfall ermöglicht werden.
  • Intensive Beratung durch die begleitenden Ausbildenden und Mentor_innen (Entlastung!)
  • Senkung der Unterrichtsverpflichtung der LiV und der Anrechnung an den Schulen
  • Ermöglichung von Hospitationen an anderen Schulformen und im inklusiven Unterricht
  • Fortbildung der Ausbildenden – Erhöhung des Zuweisungsfaktors
  • Bewertungsfreie Zeit muss ausgeweitet, Bewertungskriterien müssen erweitert/überarbeitet werden.
  • Ausbildungsveranstaltungen zu Inklusion und Bildungsgerechtigkeit sollten in der ersten und zweiten Phase regelmäßig angeboten werden. 

Ein Konzept einer Fortbildung aus vier Bausteinen stellte Kim Siekmann vom Studienseminar für Grund-, Haupt-, Real- und Förderschulen Marburg vor.

Baustein 1 stellt neue Arbeitsfelder der Förderpädagogik wie BFZ, Inklusion, dezentrale Erziehungshilfe in den Mittelpunkt. In Baustein 2 geht es um die Frage, wie Individualisierung und Differenzierung im Unterricht realisiert werden kann. Baustein 3 stellt ETEP – ein entwicklungspädagogisches/-therapeutisches Konzept zur Förderung sozialer und emotionaler Kompetenzen bei Kindern und Jugendlichen - in den Mittelpunkt. In Baustein 4 geht es um die Problematik der Überforderung und um Unterstützungsmöglichkeiten.

Die anschließende Diskussion zeigte, wie dringend nötig die Kolleg_innen eine hilfreiche Fortbildung für eine inklusive Schule halten; sie zeigte auch, dass große Bereitschaft vorhanden ist, mit dieser Unterstützung sich auf den Weg zur inklusiven Schule zu begeben. 

Stellungnahme | Rosemarie Heußner-Kahnt, Studienseminar GHRF Heppenheim

LehrerInnenbildung für inklusive Schulen | Dr. Ilka Hoffman

Herausforderung und Chance von Heterogenität in Schule | Kim Y. Siekmann, Janina Shehi