Mentoring als Arbeitsbündnis

Besprechung „Mentoring im Referendariat - eine Black Box?“ | HLZ Juni 2024

 

Wer als Lehrkraft in der Schule arbeitet, kennt die Situation: Mentoren oder Mentorinnen werden gesucht – sei es für Studierende im Praktikum, sei es für das Referendariat. Will man das, kann man das, soll man das? Man kann Glück haben, man kann Pech haben. Der Alltag in der Schule ist doch stressig genug, macht es nicht doch auch Spaß? Kurz: Es gibt die unterschiedlichsten persönlichen Stellungnahmen zur Praxis des Mentoring.
 

Da ist es hilfreich, dass eine wissenschaftliche Arbeit unter dem Titel „Mentoring im Referendariat – eine Black Box?“ anhand des Vorbereitungsdiensts zum Lehramt an Gymnasien rekonstruiert, welche organisationspädagogischen Überlegungen insgesamt zu Mentoring existieren.
 

Es ist das Verdienst von Andrea Gergen, in ihrer 300 Seiten umfassenden wissenschaftlichen Arbeit mit großer Systematik die unterschiedlichen Sichtweisen auf das Mentoring im schulischen Vorbereitungsdienst mit der Diskussion in der Personalentwicklung zu verknüpfen, da in der Organisationspädagogik durchaus auch das Mentoring in Institutionen und Betrieben thematisiert wird, wie ihre umfangreiche Literaturauswertung deutlich zeigt. Aber der Schwerpunkt der Studie liegt auf der Allgemeinen Pädagogik.
 

Professionalität im Kontext des Mentoring in der Lehrkräftebildung kommt in einem umfangreichen empirischen Teil mit den für eine wissenschaftliche Arbeit notwendigen methodischen Überlegungen vor. Sie wird ausführlich anhand von vier sogenannten Eckfällen rekonstruiert, um die verschiedensten Aspekte von der Beratung über die Lehrprobe des unterrichtsbezogenen Praktikums bis hin zum Lernen im Mentoring so aufzubereiten, dass klar wird, dass die pädagogische Perspektive des Mentoring im Arbeitsbündnis besteht: Die wirkliche praxis- und theorieorientierte Auseinandersetzung als nachvollziehbare Hilfestellung für Mentees ist, so Gergen, ein Kernpunkt von Mentoring.
 

Im abschließenden Teil wird auf Möglichkeiten und Notwendigkeiten weiterer Studien zu diesem Thema hingewiesen, da die Bedeutung des Mentoring sowohl in der Theorie als auch in der schulpädagogischen Praxis unterschätzt wird. Jede Lehrkraft und darüber hinaus alle diejenigen, die mit Mentoring zu tun haben, werden sicher mit großem Gewinn in diese umfangreiche Arbeit hineinschauen, manche Teile gründlicher, manche Teile weniger gründlich studieren, je nach der eigenen Ausgangssituation. Und das kann nur – besonders für alle in der GEW Aktiven – nachdrücklich empfohlen werden.


Aus dem Inhaltsverzeichnis:

1. Mentoring im deutschen Referendariat/Vorbereitungsdienst zum Lehramt. Gesetzliche Rahmungen und schulpädagogischer Diskurs
2. Mentoring im Personalentwicklungsdiskurs
3. Die Organisationspädagogik als Referenzrahmen für das Mentoring in der Lehrkräftebildung
4. Pädagogische Professionalität von Mentor:innen in der Lehrkräftebildung
5. Methodologie und Forschungsdesign der Studie
6. Rekonstruktionen zu vier Eckfällen
6.1 Christian Bootz – Referendar:innenorientierung
6.2 Moritz Eisner – (Ausbildungs-)Zielorientierung
6.3 Jochen Brix – (schulkulturelle) Entwicklungsprozessorientierung
6.4 Irma Brandt – Schüler:innenorientierung
7. Organisationspädagogischer Erkenntnisgewinn
8. Forschungsdesiderate und Ausblick

Andrea Gergen (2023): Mentoring im Referendariat – eine Black Box? Organisationspädagogisch-rekonstruktive Analysen des Vorbereitungsdienstes zum Lehramt an Gymnasien. Erschienen in der Reihe Organisation und Pädagogik, Band 37, herausgegeben von Nicolas Engel, Claudia Fahrenwald, Michael Göhlich, Andreas Schröer & Inga Truschkat, Springer VS, Wiesbaden.