Mentorinnen und Mentoren

Der vergessene Teil der Lehrerbildung

HLZ 1-2/2014: Lehrerbildung

Die hessische Lehrerbildung ist seit über zehn Jahren im Umbruch. Modularisierung, Kompetenzorientierung, LiV statt Ref, Erhöhung des Pflichtstundenanteils der LiV, Fremdprüfer, Verkürzung des Vorbereitungsdienstes, Erhöhung der Arbeitszeit der Ausbilder, Abschaffung des Stimmrechts des 7. (heute 5.) Prüfungsmitglieds im Zweiten Staatsexamen etc. …

Illustration: Dieter Tonn
Eine Personengruppe, die bei den Reformdiskussionen zunehmend in Vergessenheit gerät, sind die Mentorinnen und Mentoren. Dieser Eindruck erhärtete sich im Februar 2013, als eine bislang in Deutschland einzigartige Aufgabenbeschreibung für Mentoren aus der Verordnung zur Durchführung des Hessischen Lehrerbildungsgesetzes (HLbGDV) gestrichen wurde. Zwar sind die Mentorinnen und Mentoren nach wie vor an der Ausbildung der Praktikantinnen und Praktikanten und Lehrkräfte im Vorbereitungsdienst (LiV) beteiligt, zur Anleitung und Reflexion von Unterricht verpflichtet und haben einen Einfluss auf das Schulleitergutachten für die LiV, doch wurde der Rechtsanspruch, für Unterrichtsbesuche und Nachbesprechungen freigestellt zu werden, danach bezweifelt.

Auch die Kooperationsbeziehung zum Studienseminar wurde erst nach Interventionen des Hauptpersonalrats (HPRLL) in einem Erlass wieder rechtlich festgeschrieben (HLZ S. 8). Von Entlastungsstunden ist in Hessen sowieso keine Rede mehr, obwohl sie den Mentorinnen und Mentoren vor der Verkürzung des Vorbereitungsdienstes von 24 auf 21 Monate im Jahr 2011 in Aussicht gestellt worden waren. Die grundlegende Bedeutung der Mentorentätigkeit für das Gelingen der Lehrerbildung wird in Deutschland flächendeckend unterschlagen. Das mag vor allem daran liegen, dass die Arbeit der Mentoren wenig formalisiert ist. Sie lebt von einer dialogischen Beziehung zwischen Lehrkräften und LiV oder Praktikanten. Im Idealfall basiert diese Beziehung auf einem wenig hierarchischen Vertrauensverhältnis, in dem beide Beteiligte von den professionellen Kompetenzen des Gegenübers überzeugt sind und entsprechendes Engagement bei der Ausbildung zeigen.

Für die Mentorinnen und Mentoren heißt das in der Realität, dass sie große Teile ihrer Freizeit in die gemeinsame Unterrichtsplanung und Reflexion mit den LiV investieren und so zur erfolgreichen Bewältigung des Vorbereitungsdienstes beitragen. Dazu gehört neben der organisatorischen Beratung und Unterstützung auch die psychologische Entlastung der LiV, die sich in den Unterrichtsbesuchen häufig als gesamte Persönlichkeit auf dem Prüfstand gestellt sehen. Hier erfüllen viele Mentoren aus Sympathie und professionellem Selbstverständnis heraus Beratungstätigkeiten, die weit über ihr ursprünglich formuliertes Arbeitsfeld hinausgehen.

Mentorinnen und Mentoren arbeiten fallbasiert. Im Idealfall, zum Beispiel bei Doppelbesetzungen und Hospitationen, können sie die professionelle Entwicklung der LiV und Praktikantinnen und Praktikanten anhand eigener Beobachtungen über einen längeren Zeitraum hinweg nachvollziehen. Gelingt die Beziehung zwischen beiden am Ausbildungsprozess Beteiligten, steht bei den Nachbesprechungen von Unterrichtsbesuchen und Staatsexamina der LiV auch immer das Professionswissen der Mentorinnen und Mentoren zur Diskussion.

Dies bleibt bei der Unterrichtsreflexion mit Fachleiterinnen und Fachleitern oft unberücksichtigt. Umgekehrt kann eine misslungene Beziehung zwischen Mentor und LiV eine ernsthafte Belastung darstellen und die Ausbildung sogar gänzlich in Frage stellen, sofern keine formellen oder informellen Möglichkeiten zur Krisenintervention an Ausbildungsschulen und Studienseminaren gegeben sind.

Im Hinblick auf weitere Umstrukturierungen in der hessischen Lehrerbildung – insbesondere auf die Einführung eines Praxissemesters in der ersten Ausbildungsphase – ist dem Gesetzgeber dringend anzuraten, die Arbeit der Mentorinnen und Mentoren endlich zu honorieren! Die Beschreibung ihrer Aufgaben muss wieder im Hessischen Lehrerbildungsgesetz verankert werden. Fortbildungsangebote für Mentorinnen und Mentoren müssen in Zukunft auf deren Bedürfnisse zugeschnitten werden. Das Land Hessen spart durch die Verkürzung des Vorbereitungsdienstes jährlich Kosten von etwa 8,7 Millionen Euro. Dieses Geld muss endlich in Entlastungsstunden für Mentorinnen und Mentoren in beiden Ausbildungsphasen investiert werden! Eine gelungene Lehrerbildung steht und fällt mit dem persönlichen Engagement und dem Goodwill aller Lehrerinnen und Lehrer an hessischen Ausbildungsschulen!


Literatur zum Thema

Richter, Dirk; Kunter, Mareike; Lüdtke, Oliver; Klusmann, Uta; Baumert, Jürgen (2011): Soziale Unterstützung beim Berufseinstieg ins Lehramt. In: Zeitschrift für Erziehungswissenschaften 14 (1), S. 35-59.

Terhart, Ewald (2000): Perspektiven der Lehrerbildung in Deutschland. Abschlussbericht der von der Kultusministerkonferenz eingesetzten Kommission. Weinheim [u.a.]: Beltz Pädagogik.

Walm, Maik; Wittek, Doris (2013): Lehrer_innenbildung in Deutschland. Eine phasenübergreifende Analyse der Regelungen in den Bundesländern. Herausgeber: Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft.
Frankfurt am Main.