Werkstattgespräch „Perspektiven der Lehrerfortbildung“

24. Juni 2013 DGB-Haus Frankfurt

Die beiden Leiterinnen des Referats Aus- und Fortbildung, Franziska Conrad und Heike Lühmann begrüßten die vierzig Teilnehmerinnen und Teilnehmer. Franziska Conrad hob die Bedeutung der Lehrerfortbildung für die Qualität des Lernens von Schülerinnen und Schülern hervor und verwies auf empirische Studien, z.B. die Hattie-Studie. Heike Lühmann verwies auf den GEW-Landesvorstandsbeschluss zur Lehrerfortbildung „Regionale Fortbildung und Unterstützung im Kontext des Umbaus der staatlichen Schulverwaltung — Beschluss des Landesvorstands vom 24. März 2012“.
 
Sie kritisierte, dass das LSA den Hauptpersonalrat der Lehrerinnen und Lehrer nicht an den Planungen der Lehrerfortbildung hinzuziehe und dass Stellenkürzungen im Bereich der regionalen Fortbildung vorgenommen worden seien.

Anschließend stellte Frank Sauerland, Leiter der Abteilung II im Landesschulamt, Akademie für Lehrerbildung und Personalentwicklung, Überlegungen  des Landesschulamts für die Lehrerfortbildung dar. Er begann mit einer kritischen Analyse der Probleme der bisherigen Lehrerfortbildung in Hessen: Die regionale Lehrerfortbildung sei sehr unterschiedlich; die Steuerung im Hinblick auf strategische bildungspolitische Ziele habe nicht funktioniert. Auch habe die Hoffnung, dass die Öffnung der Lehrerfortbildung für den freien Markt eine Verbesserung bringe, sich nur zum Teil erfüllt. Besonders im didaktisch-methodischen Bereich, dem Kerngeschäft von Unterricht, gebe es nur wenig Angebote. 

Das neue Konzept des Landesschulamts sehe vor, die zentrale Verantwortung für Lehrerfortbildung in der Abteilung II zu bündeln. Das undurchsichtige System der unterschiedlichsten Berater, die unkoordiniert und nicht nachhaltig eingesetzt worden seien, solle durch ein bedarfsgerechtes Angebot für Schulen ersetzt werden. Ziel sei auch, die drei Phasen der Lehrerbildung – Studium, Ausbildung und Fortbildung – besser zu verzahnen. Bis jetzt sei erreicht worden, dass zu Beginn des neuen Schuljahres den hessischen Schulen ein Referentenpool zur Verfügung gestellt werden könne. Ein großes Problem seien die mangelnden Ressourcen. So könne nicht auf die Studienseminare zurückgegriffen werden, bei denen die fachdidaktische Expertise liege. 

In der anschließenden Diskussion stellten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer die Konzeptlosigkeit und die geringe Qualität und Nachhaltigkeit bisheriger Fortbildung heraus. Kolleginnen und Kollegen, die bis dato in der Fortbildung tätig waren, kritisierten, dass sie keine Ressourcen zur Verfügung hätten, um gute Fortbildung zu organisieren bzw. dass ihr erworbenes Know-how als Multiplikatoren nicht genutzt würde, da ständig neue Projekte angegangen würden. Im Vergleich zu der von Experten betriebenen Fortbildung zu Zeiten des HILF wurde der Niedergang der hessischen Fortbildung in den letzten 15 Jahren kritisiert. Einhellig wurde festgestellt, dass der Staat seine Verantwortung für die Fortbildung der hessischen Lehrkräfte und pädagogischen Fachkräfte nicht wahrnimmt und ihnen das Recht auf (individuelle) Fortbildung vorenthält.

Danach stellte Volker Imschweiler, Leiter der Pädagogischen Unterstützung am Staatlichen Schulamt Limburg-Weilburg, sechs Thesen im Hinblick auf Anforderungen an die regionale Lehrerfortbildung dar, nachdem er den Teilnehmern einen kurzen historischen Abriss der hessischen Lehrerfortbildung präsentiert hatte.  
In These 1 betonte Volker Imschweiler die Notwendigkeit der von der Schule selbstbestimmten und selbstgesteuerten Fortbildung. Dazu sei es vor allem wichtig Fortbildungsbeauftragte „auszubilden“ und zu unterstützen.

In These 2 wies er auf die strukturelle Überlastung der Kollegien durch zu viele bildungspolitische Schwerpunkte und Maßnahmen hin, während der fachlich-pädagogische Austausch fehle. Die notwendige Entlastung für das Kerngeschäft des Unterrichtens müsse auch durch Fortbildung und kollegialen Austausch geleistet werden.
In These 3 entwickelte Volker Imschweiler die Notwendigkeit, die Fortbildung an den Berufsphasen zu orientieren. Für die Berufseingangsphase müsse zum Beispiel dringend ein Konzept entwickelt werden, allerdings nicht ohne Ressourcen, wie es aktuell vom LSA geplant wird.

In These 4 forderte Volker Imschweiler den Ausbau der Schulentwicklungsberatung (und nicht die Kürzung). Sie muss am Bedarf der Schulen orientiert werden.

In These 5 begründete er die Notwendigkeit neuer Formate für Fortbildung und Beratung, die auch die Veränderung der Lern- und Beziehungskultur der Schule spiegeln würden (z.B. Einbezug des Internets, „Bildungs-TV“).

Schließlich monierte er in These 6, dass auf der regionalen Ebene die bestehenden Unterstützungssysteme (StSchA, Jugendämter, Medienzentren ...) unkoordiniert nebeneinander arbeiten würden und forderte den Ausbau regionaler Netzwerkstrukturen. Regionale Lehrerfortbildung müsse dann Teil eines Regionalen Bildungsbüros sein, das gleichzeitig Dienstleister und kreatives Zentrum sei.

Sein Vortrag endete mit dem Appell: „Also haben wir den Mut – allen Steuerungsphantasien zum Trotz – auf die Kreativität und die Entwicklungspotenziale in der Region zu setzen.“

In der anschließenden Diskussion konnten viele Teilnehmerinnen dem folgen, wiesen aber darauf hin, dass Lehrerfortbildung trotzdem eine Struktur brauche. Um beschriebene Ansätze in der Region verwirklichen zu können, brauche die Regionale Lehrerfortbildung vor allem wieder ein Budget.

Zu den Thesen von Volker Imschweiler ergaben sich in der Diskussion zwei weitere Thesen: These 7: Fortbildung muss im weitesten Sinne einen emanzipatorischen Ansatz haben – gebraucht wird also auch Fortbildung, die zur kritischen Durchleuchtung bildungspolitischer Maßnahmen der Landesregierung anregt (auf dem Hintergrund politischer Analysen) und das von den pädagogischen Akteuren in Schule geforderte Handeln auf den Prüfstand stellt und nicht einfach unkritisch übernimmt.

These 8: Lehrerfortbildung braucht professionelles Personal, das Professionsverständnis muss definiert werden.
Das Referat Aus- und Fortbildung wird auf der Basis dieser Diskussion die Beschlüsse der GEW weiterentwickeln und vor allem die Forderungen zur Fortbildung in die Öffentlichkeit bringen und die politischen Parteien im Wahlkampf sowie eine neue Landesregierung damit konfrontieren.