Darf es ein bisschen mehr sein?

Fachlehrerinnen und Fachlehrer für arbeitstechnische Fächer

Aus: HLZ 3/2020

Wer sind wir und was tun wir?

Die Ausbildungsstellen für den Vorbereitungsdienst zum Erwerb der Lehrbefähigung in arbeitstechnischen Fächern werden aufgrund spezifischen schulischen Bedarfs über schulbezogene Stellenausschreibungen öffentlich ausgeschrieben. § 38 der Durchführungsverordnung zum Hessischen Lehrerbildungsgesetz (HLbGDV) regelt die Voraussetzungen für die Zulassung zum Vorbereitungsdienst. Wir haben eine abgeschlossene Berufsausbildung und eine mindestens dreijährige Berufserfahrung, meistens mehr, einen Meisterbrief (Bachelor Professional) oder den Abschluss einer Fachschule (z.B. Technikerabschluss). Die Ausbildung erfolgt an den Studienseminaren für berufsbildende Schulen, gemeinsam mit den Studienreferendarinnen und Studienreferendaren. Die Ausbildung unterscheidet sich lediglich in dem Modul „Unterrichtsfächer“. Hier absolvieren wir das Modul „Arbeitsfächer“. Die Bedingungen im Vorbereitungsdienst und für die Zweite Staatsprüfung und die Prüfung zum Erwerb der Lehrbefähigung in arbeitstechnischen Fächern unterscheiden sich wenig und sind in denselben Paragraphen der HLbGDV geregelt.

Das Aufgabenfeld der Fachlehrerinnen und Fachlehrer für arbeitstechnische Fächer hat sich extrem verändert. Dazu ein kleiner Rückblick. In den 1960er Jahren wurde noch von „praktischer Unterweisung und Demonstrationen“ geredet. In dem abgebildeten Merkblatt des Regierungspräsidiums Gießen wird besonders hervorgehoben, dass „fachtheoretischer und kulturkundlicher Unterricht“ nicht erteilt werden darf. Den reinen, von der Fachtheorie abgegrenzten Fachpraxisunterricht gab es noch bis in die 1980er Jahre, doch spätestens mit Einführung der „Lernfelder“ im berufsbildenden Bereich Anfang der 1990er Jahre verschwammen diese Grenzen.

Ein aktuelles Informationsblatt der Hessischen Lehrkräfteakademie enthält die folgende Beschreibung der unterrichtlichen Aufgaben von Fachlehrerinnen und Fachlehrern (1):

„Fachlehrerinnen und Fachlehrer für arbeitstechnische Fächer erteilen arbeitstechnischen Unterricht als Bestandteil des berufsbezogenen Unterrichts, indem sie

  • im dualen System in Lernfeldteams den Unterricht mit beruflichen Lernsituationen und Lernaufgaben planen, durchführen und kontrollieren,
  • in vollschulischen Bildungsgängen durch Lernaufgaben, Kundenaufträge und Projekte ausgehend von beruflichen Handlungssituationen arbeitstechnisch qualifizieren und ausbilden,
  • in besonderen Bildungsgängen und den Praxistagen der Mittelstufenschule Schülerinnen und Schüler für die Berufs- und Arbeitswelt qualifizieren und zur Berufsreife/Berufswahlreife führen.“

Konkret bedeutet dies für die Fach­leh­rerinnen und Fachlehrer im Jahr 2020:

  • Wir unterrichten in allen Bildungsgängen der Beruflichen Schulen (BVJ, PuSch B, PuSch A in Kooperation mit allgemeinbildenden Schulen, Höhere Berufsfachschule, zweijährige Berufsfachschule, Fachoberschule und in der dualen Ausbildung) und erstellen hierzu die erforderlichen Curricula.
  • Wir erteilen handlungsorientierten Lernfeldunterricht in allen Schulformen.
  • Wir trainieren mit Schülerinnen und Schülern unmittelbare berufliche Fertigkeiten, stützen somit die duale Ausbildung und haben den Anspruch, die Jugend „fit für die Zukunft“ zu machen.
  • Wir vermitteln neben der fachlichen Kompetenz insbesondere die Personal-, Sozial- und Methodenkompetenz.
  • Wir erteilen fachtheoretischen Unterricht.
  • Wir entwickeln und bewerten Klausuren, Handlungsprodukte und Arbeitsprozesse.
  • Wir unterrichten im Bereich der neuen Medien von der Textverarbeitung (Word, Excel, Power Point) bis zur Bildbearbeitung (Photoshop, Corel Draw).
  • Wir erstellen Prüfungsvorschläge, führen Prüfungen durch und sind Mitglieder und Mitwirkende in Prüfungsausschüssen (IHK/Handwerkskammern) nach dem Berufsbildungsgesetz (BBiG).
  • Wir verwalten unsere Fachräume und Werkstätten (Materialbeschaffung, Pflege und Instandhaltung der Arbeitsmittel und Arbeitsräume).
  • Wir bereiten Exkursionen, Workshops, Klassenfahrten und sonstige Veranstaltungen vor und führen sie durch.
  • Wir betreuen, beraten und bewerten Schülerinnen und Schüler im Praktikum.
  • Wir halten die Kontakte zu Ausbildungsbetrieben.
  • Wir beraten, betreuen, diagnostizieren und fördern Schülerinnen und Schüler.
  • Wir sind vollwertige Mitglieder der Schulgemeinde.

Die Grenzen verschwimmen jedoch nicht nur im Aufgabenfeld, sondern auch in den zu unterrichtenden Klassengrößen. War es „früher“ üblich, Klassen für den fachpraktischen Unterricht in Gruppen von bis zu 16 Personen zu teilen, so wird heute von uns erwartet, dass der handlungsorientierte Unterricht in ganzen Klassen durchgeführt werden soll oder - sollte dies nicht möglich sein – eben nur fachtheoretische Inhalte zu unterrichten. Mittlerweile wird auch ganz selbstverständlich erwartet, dass die Funktion des Klassenlehrers übernommen wird.

Was unterscheidet uns?

Wir haben den höchsten beruflichen Bildungsabschluss und werden in Fachtheorie und Fachpraxis eingesetzt. Trotz vergleichbarer Ausbildung und gleichen Aufgaben
müssen wir als Lehrkräfte ohne Lehramt nach § 1 Abs. 5 der Pflichtstundenverordnung eine zusätzliche Pflichtstunde erteilen,
liegt unsere Einstiegsbesoldung bei A 10 und nach sechs Jahren bei A11. Studienrätinnen und Studienräte erhalten von Anfang an A 13 Z. Die Differenz von A 10 und A13 Z liegt bei rund 1.200 Euro monatlich.

Was wir wollen

Unser Wissen, unsere langjährigen Erfahrungen in der „freien Wirtschaft“ und die erworbenen Kenntnisse und Fähigkeiten sorgen für einen profunden Überblick und für das Wissen um die Anforderungen an Jugendliche vor und in der Berufsausbildung.

Für die Gleichstellung von akademischer und beruflicher Aus- und Weiterbildung sind die folgenden beiden Wege denkbar, die in der Grafik dargestellt werden:
Bewährungsaufstieg bzw. Regelbeförderung: In der freien Wirtschaft ist es selbstverständlich, dass die Eingruppierung auf der Grundlage der Anforderungen erfolgt, die an die zu erledigenden Aufgaben gestellt werden. Die Eingruppierung und damit die Bezahlung und der Stundenumfang hängen von der Arbeit ab, die man ausübt, und nicht von der vorhandenen Qualifikation (Studienabschluss etc.). Ein Aufstieg innerhalb der Bandbreite des „gehobenen Dienstes“ würde bis zur Besoldungsgruppe A 13 führen.
Der andere Weg, den die GEW bereits ausgearbeitet und in ihrem Programm verankert hat, ist der Erwerb des Lehramtes für berufliche Schulen, das den Zugang zum höheren Dienst und die Laufbahn von Studienrätinnen und Studienräten eröffnet. Diese Möglichkeit ist in § 3 Abs. 3 HLbG ausdrücklich vorgesehen, doch fehlt es in Hessen an akzeptablen, wertschätzenden Umsetzungsschritten. Andere Bundesländer wie Baden-Württemberg oder Bayern zeigen, wie es gehen kann.

Als Ausdruck der Wertschätzung gegenüber den Fachlehrerinnen und Fachlehrern wäre es auch erforderlich, die Voraussetzungen für die Anerkennung aller sozialversicherungspflichtigen Zeiten auf die Pensionszeiten zu schaffen.

Ja, es darf ein bisschen mehr sein: Die Arbeitsbedingungen und Arbeitsfelder haben sich in den letzten Jahrzehnten extrem verändert und beständig erweitert, die Besoldung ist jedoch gleich geblieben. Ja, es darf ein bisschen mehr sein, auch bei der Wertschätzung zum Beispiel durch die gleiche Pflichtstundenzahl und bei der Besoldung durch eine Regelbeförderung bis A13 und die Erleichterung der Möglichkeiten zum Erwerb eines Lehramts. Die Forderung der GEW „A13 für alle“ muss auch uns Fachlehrerinnen und Fachlehrer einbeziehen.

Christine Nagel

Christine Nagel ist Fachlehrerin für die arbeitstechnischen Fächer Farbtechnik, Raumgestaltung, Visuelle Kommunikation und Gestaltungslehre an der Gutenbergschule Frankfurt.

(1) https://lehrkraefteakademie.hessen.de > Lehrerausbildung > Vorbereitungsdienst > Fachlehrerausbildung

Christine Nagel ist Fachlehrerin für arbeitstechnische Fächer an einer Frankfurter Berufsschule und Mitglied der Landesfachgruppe Berufliche Schulen der GEW Hessen. In der HLZ 1-2/2020 stellte Hans-Georg Lippert, GEW-Mitglied und Fachlehrer an der Beruflichen Schule Nidda, die Frage, ob die Forderung der GEW „A 13 für alle“ auch die Fachlehrerinnen und Fachlehrer für arbeitstechnische Fächer an den Beruflichen Schulen einbezieht. Die HLZ bat Christine Nagel, die Arbeit der Fachlehrerinnen und Fachlehrer, ihre Ausbildung, ihre konkreten Arbeitsbedingungen und die Forderungen der GEW vorzustellen.