Neuauflage der OloV-Standards?

Projekt "Optimierung der lokalen Vermittlungsarbeit im Übergang Schule – Beruf"

aus: HLZ 9-10/2019

OloV, das Projekt zur „Optimierung der lokalen Vermittlungsarbeit im Übergang Schule – Beruf“, ist regelmäßig Thema der Beratungen im Hessischen Landesausschuss für Berufsbildung, in dem die Ministerien für Soziales, Wirtschaft und Wissenschaft, das Kultusministerium, die kommunalen Spitzenverbände, die Arbeitgeberverbände, die Handwerkskammern und die Gewerkschaften vertreten sind. Ende Juni erarbeiteten die Vertreterinnen und Vertreter von DGB und GEW eine Stellungnahme zu einem Papier der Landesregierung, das als Neuauflage der Olov-Strategie vorgelegt wurde. Die vollständige Stellungnahme und weiterführende Literaturhinweise findet man in der rechten Spalte.

Bereits 2008 konstatierte die GEW bei der Gründungsveranstaltung von OloV das Vorhaben, „Mindeststandards für die Berufsorientierung festzulegen und dabei die regionalen Erfahrungen und Besonderheiten zu berücksichtigen“, entbinde Wirtschaft und Politik nicht von ihrer Verantwortung, für ein auswahlfähiges Angebot an Ausbildungsplätzen Sorge zu tragen:
„Unterschwellig basiert OloV auf der Grundthese, dass es ein Vermittlungsproblem aufgrund fehlender ‚Ausbildungsreife‘ auf Seiten der Jugendlichen und nicht ein Lehrstellendefizit gibt.“

An dieser Grundthese hält die OloV-Broschüre auch weiterhin fest. Auch der neue Entwurf greife an mehreren Stellen immer wieder auf den Begriff der „Ausbildungsreife“ zurück, neuere Debatten und Analysen zu diesem Thema würden schlicht ignoriert. Die Vertreterinnen und Vertreter der Arbeitnehmerbank erinnern an ein Arbeitspapier der Hans-Böckler-Stiftung von Rolf Dobischat und anderen, wonach dieser Begriff wissenschaftlich nicht operationalisierbar ist. Er stigmatisiere die Jugendlichen, die an den Anforderungen des Ausbildungssystems scheitern, und mache „sie selbst für ihre Misserfolge verantwortlich.“

Wenn in dem Papier von „Maßnahmen zur Förderung der Ausbildungsreife“ die Rede ist, die in einer „Eingliederungs- bzw. Vermittlungsvereinbarung“ dokumentiert werden sollen, dann sei auch dies ein subtiles Mittel, Jugendlichen zu bescheinigen, dass sie „ausbildungsunreif“ sind. Schließlich könne es eine „Eingliederung“ auch nur für „Ausgegliederte“ geben. Zudem sei unklar, wie solche „Vereinbarungen“ aussehen sollen und welche Folge deren „Erfüllung“ oder „Nichterfüllung“ habe. Statt auf den positiven Potenzialen der Jugendlichen aufzubauen, würden die Jugendlichen als „potenzielle ‚Verlierer‘“ stigmatisiert und „aus dem System ausgegliedert statt integriert“. Aus Sicht der Gewerkschaften sei „eine ‚Potenzialanalyse‘ der inquisitorischen ‚Kompetenzfeststellung‘ vorzuziehen“. Weiter heißt es in der Stellungnahme der Gewerkschaften wörtlich:

„Die Philosophie der Vorlage fußt auf einem auf das Individuum zentrierten ‚Employability-Konzept‘, demzufolge es wesentliches Ziel des Berufsorientierungsprozesses in der Schule ist, die Schülerinnen und Schüler zu befähigen, die eigenen Fähigkeiten, Einstellungen und Eigenschaften in Übereinstimmung mit den Anforderungen des beruflichen Umfelds zu bringen. Aus unserer Sicht müssen hingegen die allgemeinen humanen und zivilisatorischen Wertvorstellungen Bezugspunkt für Bildungsziele bleiben. Dem Begriff einer ausschließlich ‚berufsorientierten‘“ Bildung setzen wir den der lebens- und arbeitsweltorientierten Bildung entgegen, um die Schülerinnen und Schüler verstärkt in ihrer Welt abzuholen. Dazu müssen auch Betriebe, Schulen, Beraterinnen und Berater stärker auf die Lebenssituation, die spezifische Jugendkultur, die Rolle der Eltern u.ä. eingehen.“

Schließlich halte man im OloV-Papier an der Fehleinschätzung fest, dass der Schule die entscheidende Rolle bei der Berufswahlentscheidung Jugendlicher zukommt. Alle Resultate der Untersuchungen der letzten Jahre zeigten jedoch, „dass für Jugendliche bei der Berufs- bzw. Ausbildungswahl die Eltern eine vorrangige Rolle spielen“.

Die Gewerkschaften monieren außerdem, dass auch die bereits 2016  vorgetragene Kritik aus dem Alltag der regionalen OloV-Koordination nicht aufgegriffen wurde. Das gilt vor allem für die Themen aus der schulischen Praxis wie Kompo7, Berufswahlpass und Bildungsketten. Die Stärken von OloV liegen in der Koordination auf regionaler oder kommunaler Ebene. Für die Schulen, konkret für die Lehrerinnen und Lehrer und ihren Unterricht, bietet das Papier praktisch nichts. Das ist auch nicht notwendig, da die Verordnung für Berufliche Orientierung in Schulen (VOBO) vom 17. Juli 2018 alles, was durch Schulen und ihre Lehrkräfte umzusetzen ist, verbindlich regelt.

Wie das Bündnis für Ausbildung weiter mit der Stellungnahme umgeht, steht noch nicht fest.

Christoph Baumann