Digitale Endgeräte auf dem Weg

Corona-Computer oder Geräte für dienstliche Kommunikation?

HLZ 5/2021: Digitalisierung

Einst dichtete Heinrich Heine: „Ein Märchen aus uralten Zeiten, das kommt mir nicht aus dem Sinn ...“ Bei ihm ging es um die Lorelei, die die betörten Schiffer mit ihrem Kahn von den Wellen in die Tiefe ziehen lässt. Wie „ein Märchen aus uralten Zeiten“ klingt aber auch die alte und weiter aktuelle Forderung der GEW, dass jede Lehrkraft an der Schule über einen Arbeitsplatz, noch besser über ein Arbeitszimmer in der Schule verfügt. Wäre diese Forderung, die viele unserer Aktionen zur Arbeitszeit begleitete, heute Wirklichkeit, dann hieße das heute: Arbeitsmittel, Arbeitsmaterialien und Dienstcomputer sind in der Schule verfügbar, Feierabend um vier oder fünf Uhr und kein Gedanke mehr an die Schule am Wochenende. Diese Vorstellung ist heutzutage genauso versunken wie einst des Schiffers Nachen in den Wellen.

Der Wind bläst in eine andere Richtung: Homeoffice, Erledigung vieler Dienstgeschäfte am heimischen Schreibtisch, Nutzung der privaten digitalen Hard- und Software für die Aufrechterhaltung des Unterrichts … Technisch machbar, aber
doch mit vielen Fragezeichen behaftet!

Dienstliche Endgeräte für den Unterricht ...

Kurz vor den Osterferien überreichten Kultusminister Prof. Lorz (persönlich anwesend) und Digitalministerin Prof. Sinemus
(digital zugeschaltet) dem Oberbürgermeister der Stadt Darmstadt Jochen Partsch und dem Schulleiter der Heinrich-
Emanuel-Merck-Schule Peter Schug symbolisch die ersten digitalen Endgeräte für Lehrkräfte. Finanziert werden die Geräte aus dem DigitalPakt des Bundes und zusätzlichen Mitteln des Landes. Allerdings stehen die 1.000 Geräte für Darmstädter Schulen erst nach den Sommerferien zur Verfügung, da sie zunächst mit Software ausgestattet und für Unterrichtszwecke konfiguriert werden müssen.

Vorausgegangen war eine längere Diskussion auch mit dem Hauptpersonalrat der Lehrerinnen und Lehrer (HPRLL), über die die HLZ regelmäßig berichtet. In den letzten Wochen vollzogen die Geräte eine bemerkenswerte Wandlung. Während zunächst von „dienstlichen Endgeräten“ für alle Bereiche der dienstlichen Kommunikation die Rede war, ging es dann plötzlich nur noch um Endgeräte „für alle Lehrkräfte, die Unterricht vorbereiten und diesen auch abhalten“. Gemeint war und ist die Durchführung von Distanzunterricht, den die Lehrkräfte bisher fast überall nur mit ihren privaten Endgeräten möglich machen konnten.

Die Forderungen und Vorstellungen der GEW liegen schon lange auf dem Tisch: Sie betreffen Datenschutz und Datensicherheit, Administration, Support und Fortbildung für die dienstliche und unterrichtliche Nutzung (HLZ 1-2/2021). Die
jetzt bereitgestellten Geräte sind auch für den pädagogischen Einsatz nur begrenzt geeignet, denn ohne die entsprechende
Infrastruktur, ohne Netzzugang, Beamer (möglichst interaktiv) oder (interaktives) Whiteboard und Schülerrechner kann man mit ihnen im Unterricht kaum etwas anfangen. Die Infrastruktur an der Schule ist entscheidend! Ist sie jedoch vorhanden, ist es überflüssig, sein persönliches Gerät für Unterrichtszwecke mitzubringen. Dann reicht ein USB-Stick oder ein Internetzugang.

Weitgehend außen vor bleibt der Bereich der Onlinekommunikation von Daten, die im dienstlichen Kontext generiert
werden: Klassenbuch auf dem Rechner, Noten mal eben schnell mit denen der Kollegin vergleichen, Gutachten direkt
vom Förderschullehrer erhalten, kleine Onlineklassenkonferenz mit einem Antrag auf Schulverweis, nächste Klassenarbeit
online auf den Schulserver, damit sie morgen von den Schülerinnen und Schülern mit ihren digitalen Endgeräten geschrieben werden kann, Auswertung des Fehlerquotienten des Schüleraufsatzes mit dem neuen Programm des XYZ-Instituts, Scan der Krankmeldung per Mail an die Schulleitung usw.

... aber nicht für die dienstliche Kommunikation

Schon diese kleine Auswahl macht deutlich, dass es sich bei diesen Daten um hochsensible, individuelle Daten handelt,
die keinesfalls in die Hände Dritter gelangen dürfen. Dabei stellen sich viele Fragen:

  • Gibt es Verfahren und Programme zur Datensicherung, die gewährleisten, dass alle 62.000 hessischen Lehrkräfte von zuhause aus sicher kommunizieren können?
  • Ist all das von privaten Endgeräten sicher und datenschutzkonform leistbar oder geht das nicht sicherer mit einem Endgerät, das nur zur dienstlichen Kommunikation verwendet werden darf?
  • Gibt es abgesicherte Onlineverbindungen, auf die ein Zugriff durch Dritte auf Daten, die im dienstlichen Kontext entstehen, ausgeschlossen werden kann?
  • Und muss man – wie von René Scheppler auf Seite 13 dargestellt – bestimmte besonders sensible Daten von der Onlinekommunikation ausnehmen?

Voraussetzung sind sichere Verbindungen

Erste Voraussetzung für den datenschutzkonformen Austausch dienstlicher Informationen ist eine sichere Verbindung.
Gegenwärtig existieren an den Schulen in der Regel zwei, auch physisch getrennte Netze:

  • das pädagogische Netz, auf das Lehrkräfte und Schülerinnen und Schüler zugreifen können und das für digitale unterrichtliche Aktivitäten genutzt werden kann, und
  • das Verwaltungsnetz, das meist nur der Schulleitung zugänglich ist und das für die elektronische Kommunikation der Schulleitung mit Schulträger, Staatlichem Schulamt, Kultusministerium und anderen Schulleitungen genutzt wird. Sensible Daten von Schülerinnen, Schülern und Lehrkräften in der LUSD oder in PPB, Unterlagen für Stellenausschreibungen, dienstliche Anweisungen, Etatangelegenheiten, Prüfungsaufgaben oder statistische Rückmeldungen werden über dieses besonders gesicherte Netz abgewickelt. Ein Zugang von externen PCs ist nur für entsprechend autorisierte Personen im Rahmen mehrstufiger Sicherheitskonzepte möglich, um sensible Daten beim Web-Zugriff zu schützen.

Bisher funktioniert das verhältnismäßig reibungslos, größere Pannen oder gar ein Datenklau sind nicht bekannt. Informationen über das entsprechende System der Stadt Frankfurt findet man im Netz mit den Suchbegriffen „Gouvernment Solutions - Stadtverwaltung Frankfurt am Main“. Allerdings ist die Einbindung von 60.000 hessischen Lehrkräften eine weit größere Herausforderung, als sie Hessens größte Stadt bewältigen muss, die derzeit im Bereich der Schul- und Kitaverwaltung rund 2.000 Zugänge zur Verfügung stellt.

Datenaustausch über das Schulportal

Schon jetzt können hessische Lehrerinnen und Lehrer im  Rahmen des Schulportals (HLZ S.16) hochsensible Daten mit Hilfe ihrer privaten Endgeräte austauschen. So kann jede Lehrkraft über den Zeugniskonferenz-Excel-Export der LUSD eine übersichtliche Darstellung der erfassten Leistungen für die Besprechung in den Zeugniskonferenzen erstellen. Die Anzeige umfasst die Fachnoten, die Noten für das Arbeits- und Sozialverhalten, die Fehlzeiten, den Notenschnitt und die Versetzungsentscheidung. Für die Eingabe der Zeugnisnoten in die LUSD wird schon seit vielen Jahren der Externe Notenclient (ENC) zur Verfügung gestellt. Über den ENC können auch Lehrkräfte ohne direkten LUSD-Zugang ihre Noten erfassen, so dass sie vom zuständigen Administrator anschließend wieder in die LUSD eingespielt werden können.

Das kann vielen die Arbeit erleichtern, aber sind Datenschutz und Datensicherheit wirklich gewährleistet?

Erste Voraussetzung dafür ist die Verfügbarkeit von VPN-Verbindungen (1) zum Kultusministerium, zu Schulämtern, anderen Schulen oder Schulträgern, die über Server abgewickelt werden, die nicht privat betrieben werden, sondern in der Hand der staatlichen Administration bleiben.

Noch viel teurer und aufwändiger ist die Ausstattung aller Lehrkräfte mit Endgeräten, die ausschließlich dienstlich genutzt
werden dürfen. Um eine reibungslose dienstliche Kommunikation zu gewährleisten, müsste dort eine einheitliche Software für Verwaltungsarbeiten installiert werden, die alle Belange von Datenschutz und Datensicherung (2) erfüllt, zentral gewartet, administriert und aktualisiert wird und als Teil eines Verbunds auch für den Dienstherrn einsehbar und intervenierbar ist. Das ist bei privaten Geräten nicht möglich, da deren Vorteil, die individuelle Anpassbarkeit, zugleich ihr Nachteil ist. Dienstliche Endgeräte würden die Lehrkräfte nicht nur bezüglich der Finanzierung und der Verantwortung für die sichere dienstliche Kommunikation entlasten. Im Bereich der Wirtschaft ist eine solche Ausstattung inzwischen gang und gäbe. Möchte die Landesregierung ein Schulwesen entwickeln, das sich auf der Höhe der Zeit bewegt, dann muss sie möglichst bald einen Plan entwickeln, wie sie die Beschäftigten in den Schulen mit der beschriebenen Hard- und Software ausstattet. Die jetzt bereitgestellten „Corona-Computer“ haben damit nichts zu tun! Und jeder Plan wird nur funktionieren, wenn die Beschäftigten über ihre Personalvertretungen beteiligt werden und wenn zusätzliches Personal für den technischen und administrativen Support der IT-Infrastruktur zur Verfügung steht.

Christoph Baumann, Referat Schule und Bildung der GEW­


(1) Eine VPN-Verbindung (Virtuelles Privates Netzwerk) bietet die Möglichkeit, von außen auf ein bestehendes Netzwerk zuzugreifen. Dabei kann es sich um ein Unternehmensnetzwerk, aber auch um ein privates Netzwerk handeln. Ein VPN schützt durch Verschlüsselung vor Massenüberwachung und Ausspähung im Internet.

(2) Datenschutz ist der Schutz vor Erhebung und Verarbeitung personenbezogener Daten, Datensicherheit der Schutz vor Zugriff auf Daten durch Unbefugte. Für den Datenschutz gelten Gesetze, für die Datensicherheit gibt es Industriestandards.

Foto: Nick Morrison, unsplash.com