Digitalisierung der Schulbildung

Eltern, Lehrkräfte und Schülervertretung im Gespräch

Die Digitalisierung von Bildung ist in aller Munde. Die Auseinandersetzung zwischen dem Bund und den Ländern um die Änderung des Grundgesetzes im Zusammenhang mit dem „Digitalpakt“ beschäftigte die Bildungspolitik über mehrere Monate. So wollten die Bundesländer der vom Bundestag verabschiedeten Aufweichung des Kooperationsverbots in der zuerst vorgeschlagenen Form nicht zustimmen. Die einen, darunter auch der Hessische Ministerpräsident Volker Bouffier, kritisierten in erster Linie die befürchtete zunehmende Einflussnahme des Bundes auf die Länderkompetenz Bildung. Andere, die eher finanzschwachen Bundesländer befürchteten, dass die vorgesehene hälftige Ko-Finanzierung sie überfordern könnte.

Die Frage, ob digitale Medien überhaupt tatsächlich die Bildung grundsätzlich befördern können, und wenn ja, unter welchen Voraussetzungen, spielte hingegen überhaupt keine Rolle. Genau diese Frage, die an sich für Lehrerinnen und Lehrer, aber ebenso für Schülerinnen und Schüler und die Eltern die wichtigste ist, sollte doch eigentlich am Anfang der Debatte stehen. Die GEW Hessen veranstaltete vor diesem Hintergrund am 9. Februar die Fachtagung „Digitalisierung der Schulbildung in Hessen“ im Kleinlindener Bürgerhaus in Gießen. Diese Veranstaltung ging auf mehrere, teils durchaus kontroverse Gespräche zwischen der GEW Hessen, der Landesschülervertretung (LSV) und dem Landeselternbeirat Hessen (LEB) zurück. Dabei zeigte sich, dass die Schülerinnen und Schüler als Digital Natives in erster Linie die Chancen der Digitalisierung sehen, während die GEW auch die möglichen Risiken nicht aus dem Blick verlieren wollte. Alle drei Verbände hatten daher die Veranstaltung gemeinsam geplant und dabei nicht zuletzt das Ziel verfolgt, in diesem Rahmen Lehrkräfte, Eltern sowie Schülerinnen und Schüler miteinander ins Gespräch zu bringen.

In einem Einstiegsreferat zeigte Claudia Bremer auf, dass sich digitale Medien auf unterschiedliche Weise sehr gewinnbringend für guten Unterricht nutzen lassen. In einem integrativen Konzept gehe es nicht darum, Primärerfahrungen und analoge Methoden gänzlich zu ersetzen, sondern diese sinnvoll miteinander zu kombinieren. Dazu zeigte sie – theoretisch fundiert – anhand von konkreten Beispielen auf, wie sich digitale Medien, beispielsweise im Fach Erdkunde, für schülerorientierte Bildungsprozesse einsetzen lassen. Claudia Bremer beschäftigte sich nach eigener Auskunft schon zu der Zeit, als auf PC-Bildschirmen nicht mehr als grüne Schrift zu sehen war, mit den Potentialen digitaler Medien für Bildungsprozesse. Sie ist an der Goethe-Universität Frankfurt für E-Learning zuständig und bildet dabei auch Lehramtsstudierende aus.

Anschließend stellte Dr. Matthias Burchardt in seinem Vortrag unter dem provokativen Titel „Big Brother is teaching you? Schule in den Zeiten der Überwachungspädagogik“ die Risiken der Digitalisierung in den Mittelpunkt. Matthias Burchardt ist als Akademischer Rat an der Universität zu Köln tätig und lehrt und forscht zu den Themenbereichen Bildungsphilosophie, Anthropologie und Pädagogik der Lebensspanne. Er sieht in letzter Konsequenz die Ansprüche der Aufklärung als gefährdet an, wenn die Bildung oder andere Lebensbereiche blind der Macht der Algorithmen ausgeliefert werden.

Wenngleich diese beiden Eingangsvorträge die Digitalisierung von Bildung aus sehr unterschiedlichen Perspektiven beleuchteten, so zeigten sich dennoch an vielen Stellen inhaltliche Übereinstimmungen: So konstatierte Matthias Burchardt, dass er dem medienpädagogisch reflektierten Einsatz digitaler Medien in bestimmten Unterrichtssituationen durchaus auch Positives abgewinnen kann. Claudia Bremer hingegen wendete sich ganz klar gegen auf Algorithmen basierende Lernprogramme, wie sie beispielsweise von der Bertelsmann-Stiftung unter dem Schlagwort Learning Analytics propagiert werden. Auch die Auseinandersetzung mit verschiedenen Teilaspekten in wechselnden Arbeitsgruppen im Rahmen eines World-Cafés am Nachmittag führte zu zahlreichen wichtigen Befunden, die zwischen den jüngeren Digital Natives und den älteren Digital Immigrants offenkundig nicht ernsthaft umstritten waren: Die Bildungspolitik darf sich in Sachen Digitalisierung nicht auf die einmalige technische Ausstattung von Schulen mit schnellen Internetzugängen und digitalen Endgeräten beschränken. Für die Administration der Infrastruktur an den Schulen ist zusätzliches Fachpersonal erforderlich.

Es bedarf angemessener pädagogischer Konzepte für einen sinnvollen Einsatz digitaler Medien im Unterricht. Die Schulen dürfen mit dieser Aufgabe nicht alleine gelassen werden, sondern müssen durch eine landesweite Rahmenkonzeption und durch entsprechende Fortbildungsangebote für Lehrkräfte unterstützt werden. Die Digitalisierung darf nicht zum Einfallstor für die Partikularinteressen der großen IT-Konzerne werden. Das öffentliche Bildungssystem darf in diesem Prozess nicht in die Abhängigkeit von deren Knowhow geraten. Dazu muss die öffentliche Hand die benötigte Infrastruktur selbst betreiben und die uneingeschränkte Kontrolle über alle Lerninhalte und -methoden behalten. Persönliche Daten von Schülerinnen und Schülern und Lehrkräften dürfen nur nach den Grundsätzen der Datensparsamkeit erhoben werden und sind im Sinne der Datenschutz-Grundverordnung vor Missbrauch zu schützen.

Darüber hinaus wurden auch die Gefahren von Cyber-Mobbing und die möglichen ökologischen Folgekosten der Digitalisierung von Bildung diskutiert. Auch die Frage von Handy-Verboten stand zur Debatte. An der Podiumsdiskussion nahmen Johannes Strehler als Landesschulsprecher, Korhan Ekinci als Vorsitzender des LEB sowie Maike Wiedwald als Vorsitzende der GEW Hessen teil. Alle drei kamen zu der Einschätzung, dass ein gemeinsames Auftreten von Schülerinnen und Schülern, Eltern sowie Lehrkräften erforderlich ist, damit die Digitalisierung von Bildung sinnvoll ausgestaltet wird und Fehlentwicklungen verhindert werden können. Um dazu eine gemeinsame Position zu entwickeln, bildete diese Fachtagung eine hervorragende Grundlage.

Roman George