Der DigitalPakt ist unterfinanziert

Die Kosten für die digitale Ausstattung der Schulen

HLZ 7-8/2020

Die Schulschließungen ab Mitte März und der anschließende stark eingeschränkte Präsenzunterricht haben Schülerinnen, Schüler und Lehrkräfte von einem Tag auf den anderen gezwungen, neue Wege für das Lernen zu Hause zu finden. Dabei kommt den digitalen Medien eine entscheidende Bedeutung zu. In dieser Situation rächt es sich, dass die Digitalausstattung der Schulen, der Ausbau des diesbezüglichen Fortbildungsangebots und last but not least auch die Sicherstellung eines professionellen IT-Supports noch nicht sehr weit vorangeschritten sind. Auf diese Defizite hat nicht zuletzt die GEW wiederholt hingewiesen.

Dass die 2019 mit dem DigitalPakt und dem „Gesetz zur Förderung der digitalen kommunalen Bildungsinfrastruktur an hessischen Schulen“ zu Verfügung gestellten Mittel nicht ausreichen, um die Bedarfe vollumfänglich zu decken, ist vor Ort schnell deutlich geworden. Für die bildungspolitische Debatte kann es allerdings sehr hilfreich sein, neben der zutreffenden Feststellung, dass die Mittel bei weitem nicht ausreichen, gut begründet abschätzen zu können, wie hoch der tatsächliche Bedarf ist. Das gilt auch für die angesichts der Corona-Pandemie kurzfristig bundesweit zusätzlich mobilisierten 500 Millionen Euro für ein Sofortprogramm zur Bereitstellung von digitalen Endgeräten, das als Zusatzvereinbarung zum DigitalPakt von Bund und Ländern im Mai 2020 auf den Weg gebracht wurde.

Fundierte Schätzung des Bedarfs

Um eine fundierte Bedarfsschätzung vornehmen zu können, gilt es zunächst, Modellannahmen zu treffen, welche idealtypische Ausstattung für welche Schulformen erforderlich ist. Diese Annahmen müssen für den Durchschnitt der Schulen begründet und plausibel sein, auch wenn sich die Situation an der einzelnen Schule sehr wohl anders darstellen kann. Mit dieser Vorgehensweise knüpfe ich an Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Universität Bremen an, die bereits eine solche Studie vorgelegt haben, in der sie die Kosten für die Ausstattung der allgemeinbildenden Schulen mit Präsentationsmedien, für Lizenzen, für den IT-Support und für weitere Ausgabenpositionen kalkulieren. (1) Diesen Ansatz habe ich bereits mit Ansgar Klinger, der den Organisationsbereich Berufliche Bildung und Weiterbildung beim GEW-Hauptvorstand leitet, auf die Bedarfe der berufsbildenden Schulen hin modifiziert. (2)

Die genannte Studie konnte mit Blick auf die allgemeinbildenden Schulen aufzeigen, dass die mit dem DigitalPakt bereitgestellten Bundesmittel von 5 Milliarden Euro bei weitem nicht ausreichen. Diese Studie weist allerdings Defizite auf und arbeitet mit Modellannahmen, die sich von den in der GEW diskutierten Prämissen unterscheiden. Daher übernehme ich die Methodik und wesentliche Modellannahmen, passe sie aber in einigen Hinsichten an:

Eine Ausstattung aller Schülerinnen und Schüler ab der Sekundarstufe I mit einem individuellen digitalen Endgerät ist nicht grundsätzlich erforderlich, erst ab der Sekundarstufe II sollten alle Schülerinnen und Schüler über ein individuelles Endgerät verfügen.

Die Bedeutung der Fortbildung der Lehrkräfte wird zwar benannt, doch werden dafür anfallende Kosten nicht berechnet. Diese Lücke ist zu schließen.

Jede Lehrkraft benötigt ein dienstliches Endgerät. Auch die dafür anfallenden Kosten werden von mir berücksichtigt.

Die Kosten für eine digitale Ausstattung der Förderschulen und für die sonderpädagogische Förderung – sei es im inklusiven Unterricht oder an der Förderschule – werden ebenfalls nicht einbezogen. Auch diese Bedarfe sollten aber Berücksichtigung finden.

Anhand dieser Vorgehensweise werden Kostensätze ermittelt, die alle anfallenden Kosten pro Schülerin oder Schüler im Jahr ausweisen. Für jede Schülerin oder jeden Schüler in der Primarstufe werden so jährliche Kosten von 317 Euro angelegt. Bei der Sekundarstufe I sind es 388 Euro, bei der Sekundarstufe II 458 Euro. Diese Pro-Kopf-Sätze werden dann im zweiten Schritt mit der Schülerzahl im Schuljahr 2018/2019 in der entsprechenden Stufe multipliziert. Für die 225.000 Schülerinnen und Schüler der Primarstufe in Hessen ergibt sich ein Bedarf von 71,3 Millionen Euro pro Jahr. Angesichts von 323.000 Schülerinnen und Schülern in der Sekundarstufe I besteht ein Bedarf von 125,5 Millionen Euro. Für die 63.000 Schülerinnen und Schüler der Sekundarstufe II sind es weitere 28,8 Millionen Euro, in der Summe 225,6 Millionen Euro.

Zusatzkosten für Barrierefreiheit

Um die Gesamtkosten zu ermitteln, werden nun zu der oben genannten Summe die geschätzten Bedarfe für die sonderpädagogische Förderung und für die berufsbildenden Schulen hinzugerechnet. In Hessen haben in dem zugrunde gelegten Schuljahr 21.333 Schülerinnen und Schüler eine Förderschule besucht. So lässt sich ein Bedarf von gut 8.277.000 Euro pro Jahr für die digitale Grundausstattung der Förderschulen auf dem Niveau der allgemeinbildenden Schulen der Sekundarstufe I abschätzen. Es dürften aber auch zusätzliche Kosten anfallen, etwa für assistive Technologien, die einen barrierefreien Zugang zu digitalen Medien ermöglichen. Dieser wäre auch bei Schülerinnen und Schülern, die inklusiv an einer allgemeinen Schule unterrichtet werden, zusätzlich anzusetzen. Die durchschnittlichen Zusatzkosten setze ich näherungsweise mit 100 Euro im Jahr an, den Anteil der Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf mit 6 Prozent. So lassen sich weitere Kosten im Umfang von 3.796.000 Euro abschätzen.

Bedarf für berufliche Bildung

Für die berufsbildenden Schulen in Hessen haben wir einen Bedarf in Höhe von 78,0 Millionen Euro im Jahr ermittelt. (4) Der Gesamtbedarf unter Einbeziehung aller genannten Kosten ist Tabelle 2 zu entnehmen. In Hessen beläuft sich dieser auf 315,7 Millionen Euro im Jahr, bundesweit sind es 4,2 Milliarden Euro. Ähnlich wie in Gesamtdeutschland entfällt in Hessen mit 71,5 Prozent der Großteil auf die allgemeinbildenden Schulen, gefolgt von den berufsbildenden Schulen mit einem Anteil von etwa einem Viertel. Der Anteil für die sonderpädagogische Förderung ist mit 3,8 Prozent vergleichsweise gering.

Das Geld reicht nicht aus

Die vom Bund bereitgestellten DigitalPakt-Mittel belaufen sich in der gesamten fünfjährigen Laufzeit von 2019 bis 2024 auf 5 Milliarden Euro. Sie werden nach dem so genannten Königsteiner Schlüssel, der sich am Steueraufkommen sowie an der Einwohnerzahl der Bundesländer bemisst, verteilt. Auf Hessen entfallen so 372,2 Millionen Euro. Hessen hat allerdings die bundesweit vorgesehene Ko-Finanzierung von 10 auf 25 Prozent aufgestockt. Diese wird jeweils hälftig von den Schulträgern und dem Land aufgebracht, so dass sich die zur Verfügung stehenden Gelder auf 496,3 Millionen Euro erhöhen. Allerdings dürfen die DigitalPakt-Mittel nach den Maßgaben der bundesweiten Verwaltungsvereinbarung nicht für alle Aufwendungen, wie sie auch in die oben dargestellte Bedarfsrechnung eingeflossen sind, verwendet werden. Für digitale Endgeräte dürfen die Mittel nur mit einem begrenzten Anteil verwendet werden, für das dringend erforderliche IT-Personal gar nicht. 

Mit dem Sofortprogramm kommen nochmal 37,2 Millionen Euro Bundesmittel für die Anschaffung von Endgeräten hinzu, die mit Eigenmitteln auf 42,2 Millionen Euro aufgestockt werden. Diese zusätzlichen Mittel können die Schulen sicher gut gebrauchen, da mobilen Endgeräten gerade in der Corona-Pandemie eine besondere Bedeutung für das Lernen zuhause zukommt. Gleichwohl zeigt sich, dass beide Programme gemessen am kalkulierten Gesamtbedarf nur einen überschaubaren Anteil abdecken. 

So ergibt sich aus dem auf 315,7 Millionen Euro pro Jahr taxierten Gesamtbedarf bezogen auf die fünfjährige Laufzeit des DigitalPakts eine Summe von gut 1,5 Milliarden Euro. Dem stehen, wie aufgezeigt, Mittel in Höhe von insgesamt 538,5 Millionen Euro entgegen. Damit ist also durch die bereitgestellten Mittel nur gut ein Drittel des Bedarfs gedeckt. Es sind also erhebliche zusätzliche finanzielle Anstrengungen erforderlich, wenn die Schulen nun wirklich flächendeckend angemessen digital ausgestattet werden sollen.


Roman George


(1)  Andreas Breiter, Anja Zeising, Björn Eric Stolpmann (2017): IT-Ausstattung an Schulen. Kommunen brauchen Unterstützung für milliardenschwere Daueraufgaben, Gütersloh.
(2)  Roman George, Ansgar Klinger (2019): Mehrbedarfe für eine adäquate digitale Ausstattung der berufsbildenden Schulen im Lichte des Digitalpakts, Frankfurt am Main.
(3)  Roman George (2020): Adäquate digitale Ausstattung an allgemeinbildenden Schulen. Eine Analyse der Mehrbedarfe vor dem Hintergrund des Digitalpakts, Frankfurt am Main. https://www.gew.de/weiter-denken/material/ 
(4)  Roman George, Ansgar Klinger (2019): Digitale Mindestausstattung. Wie hoch sind die Mehrbedarfe der berufsbildenden Schulen? HLZ 12/2019, S. 24-25.