Digitalpakt Schule

Stellungnahme der GEW Hessen im Kulturpolitischen Ausschuss

HLZ 11/2019

Der Entwurf von CDU und Grünen für ein „Gesetz zur Förderung der digitalen kommunalen Bildungsinfrastruktur“ war am 21. August Gegenstand einer Anhörung im Kulturpolitischen Ausschuss des Landtags, an der auch die GEW Hessen teilnahm (1). Das Gesetz soll die Verteilung der Mittel regeln, die der Bund im Rahmen des „Digitalpakts Schule“ in den Jahren 2019 bis 2024 zur Verfügung stellt und die vom Land durch Komplementärmittel aufgestockt werden.

Der Bund verpflichtet sich, den Ländern 5 Milliarden Euro für den Zeitraum von fünf Jahren zur Verfügung zu stellen. Danach entfallen auf Hessen für die Gesamtlaufzeit des Programms 372,1 Millionen Euro. Die Länder einschließlich der Kommunen verpflichten sich, einen Eigenanteil an den investiven Maßnahmen in Höhe von mindestens 10 Prozent zu erbringen. In Hessen soll dieser Eigenanteil auf 25 Prozent erhöht werden. Dazu sollen die Schul­träger vom Land finanziell unterstützt werden. Nach den Erläuterungen zum Gesetzentwurf übernehmen die Länder zusätzlich die Verantwortung für weitere Maßnahmen „wie die pädagogische Beratung der Schulen zum Einsatz der digitalen Technologien im Unterricht, die Anpassung der curricularen Vorgaben zum Kompetenzaufbau der Schülerinnen und Schüler und die Qualifizierung des Lehrpersonals“.

Die GEW verwies bei der Anhörung zunächst einmal auf die Tatsache, „dass gerade auch in Hessen ein erheblicher Investitionsstau hinsichtlich der Schulbauten besteht“. Aktuelle Zahlen dazu findet man unter anderem in der HLZ 9-10/2019. Daher dürften die zusätzlichen finanziellen Anstrengungen im Rahmen des Digitalpakts „keinesfalls auf Kosten anderer Bildungsinvestitionen gehen“. Insbesondere angesichts der auf fünf Jahre beschränkten Laufzeit sei das Volumen des Digitalpakts mit Sicherheit nicht ausreichend. Selbst unter Berücksichtigung der Aufstockung des Eigenanteils des Landes und der Schulträger stehen für jede Schülerin und jeden Schüler gerade einmal 108 Euro pro Jahr zur Verfügung:
„Eine aktuelle Studie von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern der Universität Bremen schätzt, dass eine angemessene lernförderliche IT-Ausstattung laufende Kosten von 261 Euro an Grundschulen und 402 Euro an weiterführenden Schulen pro Jahr mit sich bringt. Damit sind im Rahmen des vorgelegten Gesetzentwurfes rechnerisch nicht mehr als 41 Prozent des geschätzten Bedarfs einer Grundschule und 27 Prozent des geschätzten Bedarfs einer weiterführenden Schule abgedeckt.“

Dieses Missverhältnis bestätigt auch die aktuelle Studie der GEW über den Investitionsbedarf im Bereich der Berufsbildenden Schulen, die von Ansgar Klinger (GEW-Hauptvorstand) und Roman George (GEW Hessen) erstellt wurde.

Die GEW verwies bei der Anhörung weiter auf die Tatsache, dass die vorhandene Ausstattung der Schulen auf Grund der unterschiedlichen Finanzkraft der Schulträger und fehlender Ausstattungsstandards schon jetzt stark differiert. Daran werde die pauschale Mittelzuweisung aus dem Digitalpakt wenig ändern, „sofern nicht wenigstens Mindeststandards für die Ausstattung einer Schule festgelegt werden“. Die vom Hessischen Schulgesetz in § 162 Abs.4 geforderte Vereinbarung des Landes und der Schulträger sei lange überfällig.
Die GEW bekräftigte ihren wiederholten Hinweis, dass die pädagogische Nutzung der digitalen Infrastruktur von einer regelmäßigen Wartung und Aktualisierung durch IT-Fachkräfte abhängt. Die oft praktizierte „Fernwartung“ könne den Administrationsbedarf, der in den Schulen vorhanden ist, nicht abdecken (2). Wie teure Hard- und Software ohne professionellen IT-Support in Kürze zu einem Haufen Elektroschrott mutiert, zeigt der hessische Medienexperte Günter Steppich anschaulich und amüsant in einem Youtube-Video „Der Denkfehler im Digitalpakt in 5 Minuten erklärt“.

Die GEW hält den Gesetzentwurf insbesondere an dieser Stelle für mangelhaft. Der Aufbau von „Strukturen für die professionelle Administration und Wartung digitaler Infrastruktur“ ist danach nur „im Zuständigkeitsbereich von Schulträgern“ förderfähig. Die Verwaltungsvereinbarung zwischen Bund und Ländern schließt die darüber hinausgehende unmittelbare Förderung von Personal ausdrücklich aus. Nach der Studie der Universität Bremen ist pro 300 bis 400 Endgeräte eine Vollzeitstelle erforderlich, Günter Steppich nennt einen Bedarf von einer Stelle pro 100 Geräten. Die GEW Hessen fordert, dass die kommunalen Schulträger den vorgesehenen kommunalen Eigenanteil, der über die von der Verwaltungsvereinbarung geforderte Eigenbeteiligung von 10 Prozent hinausgeht, vollständig für das dringend benötigte Fachpersonal einsetzen können.
In der Anhörung und in ihrer schriftlichen Stellungnahme erneuert die GEW Hessen die folgenden wiederholt vorgetragenen Forderungen:

  • Lehrkräfte benötigen sowohl dienstliche Endgeräte als auch dienstliche E-Mail-Adressen. Dienstliche Endgeräte sind nicht zuletzt aus Gründen des Datenschutzes dringend erforderlich.
  • Für die pädagogische Koordination sind den Schulen ausreichend Anrechnungsstunden zuzuweisen.
  • Die bereits mehrfach angekündigte landesweite Lernplattform muss möglichst nutzungsfreundlich ausgestaltet werden und praxistaugliche Funktionen bieten. Die Erfahrungen aus anderen Bundesländern wie Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg zeigen allerdings, dass es sich dabei um ein technisch sehr anspruchsvolles Projekt handelt, das entsprechend sorgfältig angegangen werden muss. Eine fortschreitende Kommerzialisierung der Bildung in Form der Verwendung staatlicher Mittel zum Erwerb proprietärer Lizenzmodelle sollte vermieden werden.
  • Das Land muss eine Rahmenkonzeption erarbeiten, auf die die Medienbildungskonzepte der einzelnen Schulen aufbauen können. Es ist nicht zweckmäßig und auch nicht erforderlich, dass jede einzelne Schule bei der Entwicklung ihres Medienbildungskonzepts bei null anfängt, auch wenn nun „Unterstützung“ bei diesem Prozess angekündigt wird. Landesweite Richtlinien, die selbstverständlich vor Ort an die jeweiligen Bedingungen angepasst werden können und sollen, wären aus Sicht der GEW sehr hilfreich.
  • Der angekündigte Ausbau des Fortbildungsangebots ist überfällig. Die Angebote der Lehrkräfteakademie bezogen sich bislang überwiegend auf Fragen der Systemadministration, des Umgangs mit Lernplattformen und des Interneteinsatzes an Grundschulen. Es bedarf jedoch mehr an Angeboten, die die vorhandenen Möglichkeiten zum fruchtbaren Einsatz digitaler Medien im jeweiligen Fachunterricht aufzeigen. Für eine informationstechnische Grundbildung müssten Lehrkräfte unter anderem in folgenden Themen fit sein: Wie funktioniert das Internet unter technischen Aspekten? Was ist ein Algorithmus? Was ist Verschlüsselung? Welche technischen Rahmenbedingungen beeinflussen die informationelle Selbstbestimmung? Was ist eine Open-Source-Software? Was bedeutet Datenschutz nach der DSGVO? Auch mehr Angebote zur aktuellen lebensweltlichen Bedeutung der digitalen Medien, zu Phänomenen wie „Cyber-Mobbing“ und Onlinespielesucht sind erforderlich. Dringend zu verhindern sind produkt- bzw. konzernspezifische Fort- und Weiterbildungen, die den Einsatz bestimmter Produkte zum Ziel haben.
  • Die Beschaffung der Hardware und die Einrichtung der digitalen Infrastruktur in Schulen muss von Anbeginn an deren nachhaltige Herstellung, die spätere Entsorgung sowie bestehende Recyclingmöglichkeiten mit betrachten.

(1) Gesetzentwurf: starweb.hessen.de/cache/DRS/20/6/00786.pdf
(2) Günter Steppich: Schulen brauchen professionellen IT-Support, in: HLZ 7-8/2019, S.14f.

GEW-Studie: Was kostet die digitale Ausstattung der beruflichen Schulen?

Roman George (GEW Hessen) und Ansgar Klinger (GEW-Hauptvorstand) haben in einer aktuellen Studie die „Mehrbedarfe für eine adäquate digitale Ausstattung der berufsbildenden Schule im Lichte des Digitalpakts“ begründet und berechnet. An den Mehrkosten müssten sich neben Bund, Land und Kommunen auch die Ausbildungsbetriebe beteiligen. Die HLZ wird in ihrer nächsten Ausgabe berichten. Studie

Foto: istock, Bet Noire