Zum Gesetzentwurf der FDP

Redebeitrag für die GEW von Christoph Baumann

zur digitalen Bildung im Hessischen Schulgesetz

Anhörung des Kulturpolitischen Ausschusses des Hessischen Landtags zum Gesetzentwurf  der Fraktion der Freien Demokraten zur Stärkung der digitalen Bildung im Hessischen Schulgesetz am 16.9.2020

Unbestritten haben  die Schulschließungen ab Mitte März und die anschließenden Einschränkungen beim Präsenzunterricht die bestehenden Defizite in der Ausstattung der Schulen im digitalen Bereich offen zu Tage treten lassen. Bei einer guten digitalen Vernetzung wäre sicherlich einiges betreffend die Distanzbeschulung besser gelaufen.

(...)

Die hier von der FDP-Fraktion vorgelegte Gesetzesänderung  ist für die GEW jedoch kein Beitrag, positive Konsequenzen aus der Corona-Krise zu ziehen, da sie auf eine schulrechtlich formale Gleichsetzung von digitalen Lehr- und Lernformen mit dem Präsenzunterricht hinausläuft. Dies könnte einem fatalen Abbau der Unterrichtsversorgung Vorschub leisten, gerade auch angesichts des aktuellen Lehrkräftemangels. Nicht zuletzt die Erfahrungen vor dem Hintergrund der Corona-Pandemie haben jedoch gezeigt, dass auch die besten digitalen Ansätze niemals  das Lernen im sozialen Kontext der Schule, das sinnliche Erleben und die direkte Interaktion im Unterricht ersetzen können. Daher gilt es vielmehr, didaktische Ansätze zu entwickeln und zu stärken, die den integrierten Einsatz digitaler Medien im Präsenzunterricht und in Ergänzung zu diesem vorsehen.

Was hierzu jedoch  vor allem ansteht, ist die Verbesserung der Digitalausstattung der Schulen. Aktuelle Recherchen von HR info haben ergeben, dass es an hessischen Schulen bisher rund 60.000 mobile Endgeräte gibt, die aber oft für Schulverwaltung oder den Präsenzunterricht als Schnittstelle für interaktive Medien oder in Form sog. „Laptopwagen“ genutzt werden. 65.000 Geräte wurden aktuell für die Ausstattung der Schülerinnen und Schüler bestellt, davon sind bis Ende August erst 10 Prozent ausgeliefert worden.

Dieser, erst einmal beeindruckende Zahl, stehen aber 632.000 hessische Schülerinnen und Schüler gegenüber, so dass, selbst wenn in Jahresfrist rund 125.000 Geräte zur Verfügung stehen, damit aber maximal 20 Prozent der Schülerinnen und Schüler versorgt werden können. Die GEW fordert jedoch Notebooks oder Tablets für alle – zumindest ab der Sekundarstufe, denn wenn diese Geräte als Lernmittel unverzichtbar sind, fallen sie unter die Lernmittelfreiheit. Dazu kommt, dass nur auf schulischen Geräten die notwendigen einheitlichen Softwareplattformen für die Klassen zur Verfügung gestellt werden können.

Aber selbst wenn das alles irgendwie funktioniert, taucht das nächste Problem auf: Ohne WLAN keine Tablet- oder Laptop-Nutzung. Laut HR-info-Recherche wird es noch mindestens bis 2024 dauern, bis die WLAN-Infrastruktur an allen Schulen vorhanden ist. Auch dann werden noch nicht alle Probleme gelöst sein, Support,  staatliche Lernplattformen, Datenschutz, Fortbildung, usw. rufen nach Lösungen.

Deshalb möchte ich im Namen der GEW die hessische Landesregierung und die Fraktionen des Landtags dazu auffordern, sich erst einmal für die schnelle Schaffung der Grundbedingungen einzusetzen als jetzt bereits gesetzgeberische Konsequenzen zu ziehen, ohne eine gründliche Bestandsaufnahme und Folgenabschätzung der anstehenden Veränderungen vorgenommen zu haben.

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