BAföG wird zum SparföG

Die Erhöhung der BAföG-Sätze kommt zu spät

HLZ 4/2015: Studieren in Hessen

Im November 2014 hat der Bundestag die 25. Novelle des Bundesausbildungsförderungsgesetzes (BAföG) beschlossen. Doch die Chance für eine echte Reform des BAföG wurde vertan, denn die zu geringen Erhöhungen kommen viel zu spät. Dafür werden die Länder von ihren BAföG-Anteilen entlastet, aber Hessen investiert das Geld nicht in die soziale Öffnung der Hochschulen.

Studierendenvertretungen und Gewerkschaften hatten in den letzten Jahren immer wieder beklagt, dass die Leistungen aus dem BAföG bei weitem nicht ausreichen, um allen Studieninteressierten eine Hochschulausbildung zu ermöglichen. Statistiken geben ihnen recht: 2012 gaben Studierende monatlich rund 860 Euro für Miete, Lebenshaltung und Studienkosten aus, während der BAföG-Höchstsatz bei 670 Euro liegt; fast alle Studierenden brauchen neben dem BAföG noch andere Finanzierungsquellen. Aufgrund der zu geringen Freibeträge bekam 2012 nicht einmal ein Fünftel aller Studierenden Leistungen nach dem BAföG ausgezahlt – zu Beginn des Gesetzes im Jahre 1972 war es noch beinahe die Hälfte.

Paradigmenwandel in der Studienfinanzierung

Statt mit der sozialen Realität der Studierenden Schritt zu halten und das staatliche Förderprogramm auszubauen, wurden immer mehr private Finanzierungsmodelle unterstützt. So wurde 2010 das Deutschlandstipendium eingeführt, in dem der Bund und private Geldgeber jeweils zur Hälfte ein Stipendium von 300 Euro finanzieren. Dafür dürfen die Privaten dann bei der Auswahl der Empfängerinnen und Empfänger mitentscheiden. Ungleichheit in der Verteilung ist vorprogrammiert: In Hessen verteilen die beiden eh schon drittmittelstärksten Universitäten Frankfurt und Darmstadt zusammen rund drei Viertel der Deutschlandstipendien an ihre Studierenden. Kein Wunder, dass das Deutschlandstipendium als Elitenförderung verschrien ist und sinnbildlich für einen Paradigmenwandel in der Studienfinanzierung steht: Weg von der garantierten einklagbaren staatlichen Förderung, hin zu individuell vergebener Förderung nach Gutdünken.
Zeitgleich zur Einführung des Deutschlandstipendiums erfolgte auch die letzte Anpassung der Förder- und Freibeträge im BAföG. Seitdem machten steigende Lebenshaltungskosten das Studieren teurer, und durch das steigende Lohnniveau haben immer weniger Interessierte Anspruch auf die Förderung. Um der sozialen Lage der Studierenden mehr Aufmerksamkeit zu verschaffen, schlossen sich studentische Verbände und Gewerkschaften Anfang 2014 zum BAföG-Bündnis zusammen (www.bafoegbuendnis.de).

Gemeinsam forderten sie eine sofortige Erhöhung der Bedarfssätze und Freibeträge um 10 Prozent und danach eine automatische bedarfsdeckende Anpassung, die Anpassung des BAföG an die Lebensrealität der Studierenden und die Rückbesinnung auf das Konzept des Vollzuschusses. Im Sommer 2014 kam von der Bundesregierung tatsächlich ein Gesetzentwurf für die 25. Novelle des BAföG. Neben wichtigen strukturellen Anpassungen – z. B. kann die Übergangszeit zwischen Bachelor und Master länger gefördert werden – wird es auch eine Erhöhung der Bedarfssätze und Freibeträge um jeweils 7 Prozent geben. Diese Erhöhung wäre schon 2013 zu gering gewesen, um mit der Preis- und Lohnentwicklung mithalten zu können, aber es kommt noch schlimmer: Die Erhöhung wird erst im Wintersemester 2016/17 kommen. Bis dahin fallen laut Zahlen der Bundesregierung 40.000 Studierende aus der BAföG-Förderung raus und eine ganze Generation von Studierenden wird keine Anpassung der Leistungen an ihren Bedarf erlebt haben.

Vermutlich letztmals war auch der Bundesrat zu beteiligen: Der Bund übernimmt die komplette Finanzierung, freiwerdende Ländermittel sollen in die Bildung fließen. In Hessen stehen so 81 Millionen Euro mehr zur Verfügung, die bereits fest im Hochschulpakt bis 2020 verplant sind. Doch dort sorgen sie künftig keineswegs für eine soziale Öffnung der Hochschulen. Die Landesregierung hat den weiteren Ausbau der Studienplätze nämlich für beendet erklärt, so dass zukünftig nicht mehr alle Interessierten einen Studienplatz bekommen und garantierte Masterplätze noch weiter in die Ferne rücken.

Stattdessen will das Land die Zahl der Studierenden, die ihr Studium abbrechen, verringern. Dafür muss aber vor allem auch mehr Geld für günstiges Wohnen bereit gestellt werden, mehr Geld für Studierendenwerke und für eine bessere Betreuungssituation in den Hochschulen. Von all dem wird in Hessen nichts umgesetzt.
Jetzt heißt es erst recht: Weitermachen für eine echte Reform des BAföG und für eine bessere soziale Infrastruktur in den Ländern! Nur eine gesetzlich garantierte Förderung, die auch in Zukunft bedarfsdeckend ist, die junge Menschen nicht mit Schulden ins Leben entlässt, die der Lebensrealität der Studierwilligen entspricht, garantiert offene Hochschulen. In den Ländern braucht es dazu eine gut finanzierte Infrastruktur, die ein sorgenfreies Studium ermöglicht und den Studierenden beiseite steht.

Matthias Schröder

Matthias Schröder ist Sprecher des Bundesausschusses der Studentinnen und Studenten in der GEW und aktiv im BAföG-Bündnis.