Folgen von Corona für Studierende und Beschäftigte an hessischen Hochschulen

Stellungnahme 2. April 2020

Die Bedrohung der Gesundheit durch die Corona-Pandemie sowie deren Folgen für Lehre, Forschung und Verwaltung bereitet den Beschäftigen an den hessischen Hochschulen große Sorgen. Wir nehmen innerhalb aller Professor*innen, Beschäftigten, Promovierenden, Lehrbeauftragten und den Studierenden eine große Unsicherheit wahr, die wir Ihnen mit unserem Schreiben vermitteln möchten.

Viele Kolleginnen und Kollegen sehen sich aufgrund von Fürsorgeaufgaben für Kinder und Familienangehörige mit besonderen Herausforderungen konfrontiert und müssen in diesem Kontext die Lehre und Forschung neu planen, umstrukturieren sowie flexibel mit ihrer Arbeitsleistung umgehen.
Entscheidend ist aus unserer Sicht eine möglichst frühzeitige und transparente Kommunikation der weiteren Schritte und Anforderungen an Hochschulen, Beschäftigte und Studierende ab dem 20. April 2020, insbesondere in Bezug auf Prüfungen und Präsenzveranstaltungen. Es ist notwendig, von Seiten des Landes auf möglichst einheitliche Regelungen hinzuwirken.

Für den weiteren Umgang mit der Corona-Pandemie sehen wir in folgenden Punkten besonderen Handlungsbedarf:

  • Die Lehre im Sommersemester soll, soweit es in der Ausnahmesituation seitens der Lehrenden machbar ist, stattfinden, aber das Semester soll nicht formal zählen. Studierenden, die keine Studienleistungen erbringen können, dürfen keine Nachteile entstehen.
  • Mindestens sollte es aber keine Noten geben, da eine rechtssichere Bewertung außerhalb der Kategorie „Bestehen/Nichtbestehen“ uns als sehr schwierig erscheint. Der erhöhte organisatorische und kommunikative Aufwand für alle Beteiligten muss unbedingt berücksichtigt werden.
  • Der Vorlesungszeitraum muss so verkürzt werden, dass alle Beschäftigten eine angemessene Vor- und Nachbereitungszeit ihrer Veranstaltung haben, um qualitativ hochwertige Online-Studienangebote zur Verfügung zu stellen. Hierzu gehört die technische Bereitstellung von passenden E-Learning-Tools und Lizenzen, welche auch im Home Office genutzt werden können und funktionieren. Darüber hinaus muss gerade Beschäftigten mit sehr hohem Lehrdeputat dieses für die nächsten zwei Semester reduziert werden.
  • Nutzen Sie die Schließung der Einrichtungen dazu, die Hygienemaßnahmen in den Hochschulen so in Stand zu setzen, dass bei einer perspektivischen Wiederöffnung ausreichend Informationsmaterial über den Infektionsschutz für Beschäftigte und Studierende in den Einrichtungen angebracht wird sowie Desinfektionsmittel in den Toiletten, aber auch zum Reinigen von Oberflächen in Büros, Teeküchen, usw. vorhanden ist. Ebenso sollte auch bei Wiedereröffnung nur eine bestimmte Anzahl von Personen ein Büro gleichzeitig nutzen und für Mitarbeitende Ausweichmöglichkeiten geschaffen werden.
  • Wir fordern Sie auf sicherzustellen, dass die Hochschulen ihrer sozialen Verantwortung nachkommen und alle Verträge, auch die der studentischen Beschäftigten, reibungslos und unterbrechungsfrei verlängern. Die Zeit des eingeschränkten Hochschulbetriebs darf nicht auf die Befristungsdauer von wissenschaftlichen und studentischen Beschäftigten (auch auf Projektstellen) nach WissZeitVG angerechnet werden. Letzteres ist mit dem Bund zu klären.
  • Wir erwarten, dass an den hessischen Hochschulen alle Verträge und Fristen von Promotionsgeschäftsstellen mindestens um sechs Monate verlängert werden. In dieser besonderen gesellschaftlichen Herausforderung bleibt unter den gegebenen Bedingungen nicht viel Zeit und Raum für die Qualifikationsarbeiten, ferner haben sich die Rahmenbedingungen für die Forschung aufgrund von Schließung der Bibliotheken, versagten Dienstreisegenehmigungen und dem strengen Kontaktverbot massiv verschlechtert.
  • Gewährleisten Sie eine Verlängerung von befristeten Verträgen in Drittmittelprojekten im Rahmen von LOEWE-Projekten. Nehmen Sie bitte mit Drittmittelgebern (insb. mit Bund/DFG) Kontakt auf und unterstützen Sie die Hochschulen und die Beschäftigten darin, Verlängerungen zu erwirken, z.B. im Bereich der Fristen für Projektanträge, Einreichung von Projektberichten und der automatischen Verlängerung der Vertragslaufzeiten.
  • Die Studierenden stehen aufgrund des Wegfalls zahlreicher studentischer Nebentätigkeiten vor großen finanziellen Herausforderungen. Bitte gewährleisten Sie, dass die Hochschulen einheitlich eine Möglichkeit der Stundung des Semesterbeitrages und Verlängerung der Rückmeldefrist für das Sommersemester 2020 gewähren. Für das Sommersemester sollten die Hochschulen auf die Erhebung der versteckten Studiengebühren in Form des Verwaltungskostenbeitrages verzichten.
  • Prüfen Sie die Ausweitung und vereinfachte Beantragung der Studienabschlussdarlehen der örtlichen Studentenwerke, damit Studierende ihr Studium erfolgreich fortführen und beenden können.
  • Verlangen Sie von den Hochschulen eine einheitliche Regelung zur Verlängerung der Abgabefristen von Hausarbeiten und anderer Prüfungsleistungen, die nach dem 16. März 2020 liegen um pauschal mindestens acht Wochen, bzw. mindestens um die Dauer der Schließung der Einrichtung, falls diese andauert. Als Begründung führen wir hierzu an: Nicht alle Literatur ist online verfügbar, Erhebungen sind nicht möglich und nicht alle Studierenden verfügen über einen ausreichend ausgestatteten Heimarbeitsplatz.
  • Wir wollen klare und langfristige Regelungen zum mobilen Arbeiten und Home- Office für alle Beschäftigten, damit niemand sich dem Risiko aussetzen muss zu erkranken und den Beschäftigten bei einer weiteren Schließung von Betreuungseinrichtungen kein Nachteil entsteht. Bis dahin möchten wir Sie bitten, allen Mitarbeitenden mobiles Arbeiten bzw. Home-Office oder im Falle fehlender Kinderbetreuung bezahlte Freistellung (ohne vorheriges Abbauen von Überstunden/Minusstunden/unbezahltem oder aus dem laufenden Kalenderjahr entstandenem Urlaub) zu ermöglichen. Bitte machen Sie alle Mitarbeiter*innen an hessischen Universitäten auf einheitliche datenschutzrechtlichen Regelungen hinsichtlich der Nutzung öffentlicher und privater digitaler Arbeitsplattformen und Videokonferenzdienste aufmerksam und fordern Sie die Hochschulen auf, datenschutzkonforme Tools schnellstmöglich bereitzustellen.
  • Erwirken Sie eine analoge Regelung der hochschuleigenen Stipendienprogramme in Hessen zu den Stipendien des Bundesministeriums für Bildung und Forschung. Dies betrifft die Unterbrechung der Stipendien oder eine Fortzahlung des Stipendiums in den Fällen, in denen glaubhaft eine sinnvolle Fortführung des Dissertationsvorhabens pandemiebedingt nicht möglich ist. Zulässig ist in diesen Fällen auch eine Verlängerung der Förderdauer um diese Zeit entsprechend der Regelung für Krankheit.

Alle Entscheidungen, die in Bezug auf das Sommersemester 2020 getroffen werden, werden perspektivisch zu "Domino-Effekten" in der Lehre und Forschung in den nächsten Jahren führen.
Wir verstehen die sozio-ökonomische Herausforderung in der momentanen Situation, aber die Beschäftigten und Studierenden brauchen eine mittelfristige Perspektive, um adäquat die Krise zu bewältigen und im Kontext von Lehre, Studium, Forschung und Wissenschaftsmanagement angemessen zu reagieren.

Stellungnahme zu Hochschulen