Gute Arbeit an Hochschulen?

HLZ 1-2/2022: Demokratie und Menschenrechte

Im Dezember unterzeichneten hessische Hochschulleitungen, das Ministerium für Wissenschaft und Kunst (HMWK) und der dort gebildete Hauptpersonalrat (HPRWK) einen Kodex für gute Arbeit an hessischen Hochschulen.
 

Kodex: Kontroverse Debatten

Dieser Kodex soll nach dem schwarz-grünen Koalitionsvertrag als Selbstverpflichtungserklärung dazu beitragen, Befristung an den Hochschulen einzudämmen. Auf der Grundlage des Koalitionsvertrags wurde eine Arbeitsgruppe von HMWK, Hochschulleitungen und Mitgliedern des HPRWK eingerichtet. Der Kodex wurde ohne größere Beteiligung der Beschäftigten und ohne (hochschul)öffentliches Verfahren verhandelt, denn die drei beteiligten Personalratsmitglieder mussten Stillschweigen bewahren und waren gegenüber 13 Hochschulleitungen entsprechend in der Minderheit. Dabei haben die örtlichen Personalräte, aber auch alle Mitglieder der Hochschulen, auch die Studierenden, sowie die Öffentlichkeit ein Interesse an guten Arbeits- und Ausbildungsbedingungen an den hessischen Hochschulen. Insbesondere in der Frage der vielen befristeten Verträge wollten sich die Hochschulleitungen nicht bewegen, sondern versuchten, Verbesserungen abzuschmettern. Bis zuletzt haderten einzelne Hochschulleitungen mit der Unterzeichnung.
Der Kodex befasst sich mit Arbeitsbedingungen, mit der Dauer von Arbeitsverträgen und der Zeit für Qualifikation. Er stellt eine Selbstverpflichtung dar, deren Umsetzung für die Hochschule nicht rechtsverbindlich ist. Und das sind die positiven Punkte:

  • Lehrkräfte für besondere Aufgaben sollen ausschließlich unbefristet beschäftigt werden.
  • Für Drittmittelbeschäftigte soll jede Hochschule einen Fonds zur Finanzierung von Beschäftigungslücken zwischen verschiedenen befristeten Verträgen bilden.
  • Das Qualifikationsziel, das die Befristung begründet, wird zwingend Teil des Arbeitsvertrages.
  • Selbstständigen Lehrbeauftragten soll die Vor- und Nachbereitungszeit angemessen vergütet werden.
  • Stufenlaufzeiten sollen – wie von der GEW wiederholt gefordert - beim Arbeitgeberwechsel angerechnet werden.
  • Die Tarifeinigung mit den Gewerkschaften, dass studentische Hilfskräfte ab April 2022 eine Mindestvergütung von 12 Euro pro Stunde bekommen, wird in den Kodex übernommen, ebenso die Anbindung an die allgemeine Lohnentwicklung im TVH.
  • Die Mindestvertragslaufzeit der Hilfskräfte soll zwei Semester betragen.
     

Der Kodex stellt mögliche Verbesserungen der Arbeitsbedingungen und Perspektiven für einzelne Beschäftigungsgruppen in Aussicht. Der Kodex geht etlichen Personalräten und auch vielen aktiven Kolleginnen und Kollegen in der GEW nicht weit genug, weil das grundsätzliche Problem der massiven Befristung an Hochschulen damit nicht behoben wird. An den konkreten Arbeitsbedingungen der großen Mehrheit der Beschäftigten ändert sich nichts. Stattdessen werden die bestehende Praxis und geltende gesetzliche Regelungen erneut festgeschrieben.

Nur eine Selbstverpflichtung
 

Für befristet beschäftigte administrativ-technisch Beschäftigte enthält er sogar noch ein zweischneidiges Schwert, denn sie sollen nicht länger als acht Jahre mit Sachgrund befristet angestellt werden. Hier müssen die Personalräte und die GEW darauf achten, dass sich nicht die Erfahrung aus dem Wissenschaftszeitvertragsgesetz wiederholt: Mitarbeiter:innen bekommen nach Erreichen der Frist keineswegs immer einen unbefristeten Vertrag, sondern viele erhalten gar keinen Arbeitsvertrag mehr. Der Kodex verliert zudem auch kein einziges Wort zur wichtigen Gruppe der Profe­ssor:innen. Auch sie brauchen gute Arbeit und sind in Vorgesetztenfunktion wichtige Leitungspersonen zur Umsetzung einer Selbstverpflichtung. Hier offenbart sich eine weitere Schwachstelle.
An den Hochschulen wird der Kodex kritisch diskutiert. Die Initiative „Uni Kassel unbefristet“ spricht von einem „Schlag ins Gesicht“, der Personalrat der Goethe-Universität Frankfurt votierte mehrheitlich gegen eine Unterzeichnung, solange der Eindruck besteht, dass das Präsidium der Universität den Kodex nicht ernst nimmt und zentrale Probleme der Beschäftigten nicht angegangen werden. Das Bündnis Gute Arbeit an der Philipps-Universität Marburg kritisiert das intransparente Verfahren und die fehlende Rechtsverbindlichkeit. Er werde deshalb nicht ausreichen, um faire Beschäftigungsbedingungen zu gewährleisten.

Der Kodex ist kein Selbstläufer

Auch bei einer digitalen Veranstaltung der GEW Hessen diskutierten über 120 Kolleg:innen leidenschaftlich und sehr kontrovers. Der HPRWK und der Personalrat der Technischen Universität Darmstadt haben sich für eine Unterzeichnung entschieden, da er die erwähnten Verbesserungen enthalte und eine Überprüfung der Wirkung des Kodex ab dem Wintersemester 2022/23 unter Beteiligung der Personalräte zugesagt wurde.
Mehr unbefristete Beschäftigung darf als Ziel nicht aus den Augen geraten. Die GEW Hessen erwartet, dass der Kodex stetig überprüft und bearbeitet wird, um die Arbeits- und Anstellungsbedingungen zukünftig zu verbessern. Die einzelnen Passagen des Kodex dürfen nicht in Stein gemeißelt sein. Wenn die Hochschulleitungen ihre Verweigerungshaltung fortsetzen und Verbesserungen für alle Beschäftigten, aber insbesondere auch beim Thema Befristungen ausbleiben, müssen gesetzliche Regelungen geschaffen werden.
Die Gewerkschaften des öffentlichen Dienstes haben in der Tarifeinigung vom Oktober 2021 verbindliche Gespräche mit dem HMWK in der zweiten Jahreshälfte 2022 vereinbart.

Simone Claar, stellvertretende Landesvorsitzende, und Tobias Cepok, Hochschulreferent der GEW Hessen

Download des Kodex Gute Arbeit:
https://wissenschaft.hessen.de/Studieren/Kodex-fuer-gute-Arbeit

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