Hochschulfinanzierung in Hessen

Podiumsdiskussion des Promovierendenkonvents

HLZ 12/2022 - 1/2023: Arbeitsplatz Hochschule

„Wie soll es in den nächsten Jahren mit der Hochschulfinanzierung in Hessen weitergehen?“ Unter dieser Frage fand am 27.9.2022 eine Podiumsdiskussion am Campus Westend der Goethe-Universität Frankfurt unter Federführung des Promovierendenkonvents statt. Aus dem hessischen Landtag waren gekommen:

  • Elisabeth Kula, Fraktionsvorsitzende der Partei DIE LINKE und Sprecherin für Jugend, Schule und Bildung
  • Gernot Grumbach, stellvertretender hochschulpolitischer Sprecher der SPD-Landtagsfraktion
  • Daniel May, bildungspolitischer Sprecher der hessischen Grünen
  • Zudem nahmen Sandro Philippi vom freien zusammenschluss von student*innenschaften e.V. (fzs) und Kai Eicker-Wolf als finanzpolitischer Referent der GEW Hessen teil.
     

Der Hessische Hochschulpakt auf dem Prüfstand

In einer ersten Runde werden die Grundlagen der Hochschulfinanzierung dargelegt: Den weitaus größten Teil der Finanzierung übernehmen die Länder als Träger der Hochschulen, wobei in den letzten Jahren immer mehr Gelder direkt oder indirekt – etwa durch den „Zukunftsvertrag Studium und Lehre stärken“ – vom Bund zur Verfügung gestellt wurden. Das wichtigste Instrument im Hochschulfinanzierungssystem ist der Hochschulpakt der Länder. Dieser Vertrag wird in regelmäßigen Abständen neu verhandelt und sichert den Hochschulen gewisse Mittel zu. Konkretisiert wird der Hochschulpakt durch individuelle Zielvereinbarungen mit den einzelnen Hochschulen. Der hessische Hochschulpakt, der von 2021 bis 2025 läuft, stellt insgesamt 11,2 Milliarden Euro bereit, die pro Jahr um 4 Prozent erhöht werden. Dies stellt, wie Daniel May von der Landtagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen betont, eine deutliche Investitionssteigerung im Vergleich zu den Vorjahren dar. Als wesentliche Ziele des derzeitigen Hochschulpakts seien die Verbesserung der Betreuungsrelation sowie der Arbeitsbedingungen für wissenschaftliche Mitarbeitende ins Zentrum gerückt worden: So sollen etwa 300 neue W-Professuren geschaffen und Beschäftigte, die Daueraufgaben ausüben, auch unbefristet angestellt werden. Auch Elisabeth Kula hält die Verbesserung der Beschäftigungsbedingungen und die Schaffung neuer Professuren für wichtige Zielperspektiven: Leider müsse sie aber feststellen, dass sich da „bisher wenig getan hat“. Die Instrumente, die die Landesregierung einsetzt, seien nicht geeignet, die Ziele des Hochschulpakts umzusetzen.
 

Dauerstellen für Daueraufgaben

Auch bezüglich der vielen befristeten Arbeitsverträge artikuliert die Opposition Kritik. Selbst bei volatiler Finanzierung könnten mehr Dauerstellen geschaffen werden, meint Gernot Grumbach, doch es fehle offensichtlich der politische Wille. Kai Eicker-Wolf problematisiert den Hochschulpakt vor dem Hintergrund der aktuellen wirtschaftspolitischen Situation. Die Energiekrise verändere die ökonomischen Rahmenbedingungen und damit die Grundlage der Hochschulfinanzierung. Sei eine jährliche Steigerung von 4 Prozent im Hochschulpakt bei einer Inflationsrate von unter 2 Prozent noch zu begrüßen gewesen, stünden die Hochschulen bei einer Inflation von über 8 Prozent jetzt vor Realverlusten. Dabei sei die Einnahmenlage des Landes und der Kommunen zumindest aktuell nicht schlecht.
 

Diese Entwicklungen seien 2020 jedoch nicht absehbar gewesen, merkt May an, der sich auf Landesebene „eine Stärkung der Finanzierung von Studierendenwerken vorstellen“ kann. Außerdem sehe er die Krisenbewältigung als Gemeinschaftsaufgabe von Bund und Ländern. Grumbach hält es als Minimalziel für dringend geboten, „dass die Steigerung im Hochschulpakt nicht unter die Inflationsgrenze fällt“.
 

Auch Kula betont, dass gerade die Bildungseinrichtungen – von der Kita bis zu den Hochschulen – besonders stark unter Corona gelitten hätten: „Ich wünsche mir daher ein klares Bekenntnis der Landesregierung, die Hochschulen so auszustatten, dass sie ohne große Einschränkungen durch den Winter kommen.“
 

Die Länder dürften „nicht immer nur auf den Bund zeigen“, sondern könnten und müssten selbst aktiv werden, meint Sandro Philippi. Schließlich sei zu befürchten, dass viele Studierende aufgrund der hohen Kostensteigerung gezwungen seien, ihr Studium abzubrechen. Immerhin liege die Armutsrate von Studierenden bei 30 Prozent, was bereits eine geschönte Zahl sei; bei Studierenden, die ökonomisch auf sich selbst gestellt sind, liege sie deutlich höher.
 

Sandro Philippi verweist darauf, dass die Studierenden aber auch unter der chronischen Unterfinanzierung der Hochschulen leiden. Verantwortlich für überfüllte Hörsäle und Bibliotheken, für lange Korrekturzeiten und marode Gebäude sind nach Auffassung Philippis „vor allem das neoliberale Hochschulmanagement und die mangelnde Grundfinanzierung“. Obwohl die Studierendenzahlen in den letzten Jahrzehnten weiter gestiegen sind, seien die Ausgaben für die Lehre konstant gesunken. Das liege auch daran, „dass die leistungsabhängige Finanzierung – etwa über Drittmittel – auf Forschungsförderung zugeschnitten ist“.
 

Abhängigkeit von Drittmitteln verdreifacht

Insbesondere die hohe Abhängigkeit von Drittmitteln, die sich zwischen 1995 und 2015 verdreifacht haben, wird durch die Studierendenvertretungen kritisiert, auch wenn der größte Teil der Drittmittel aus der öffentlichen Hand kommt. Problematisch an dieser Drittmittelabhängigkeit sei zum einen, dass Forschung und Lehre durch die Interessen der Drittmittelgeber:innen bestimmt werden und dass die drittmittelabhängige Finanzierung einer langfristigen Planungssicherheit entgegenstehe. Zudem komme es durch dieses Finanzierungsmodell zunehmend zu einer Kumulation von Geldern an wenigen Standorten.
 

Grumbach verweist auf „die komplizierten Beantragungsverfahren und den hohen Aufwand für die ständig neue Einwerbung von Geldern“, die viele Ressourcen bindet. Kula sieht durch die Vermarktlichung der Hochschulen außerdem den Bestand von kritischen Wissenschaften in Gefahr, die eben nicht auf wirtschaftliche Verwertbarkeit ausgerichtet sind oder jenseits des wissenschaftlichen Mainstreams liegen.
 

May lehnt Alleingänge einzelner Bundesländer ab. Obwohl in der Runde die Mängelfinanzierung der Hochschulen erkannt wird, bleiben die Folgerungen daraus sehr unterschiedlich. Während Kai Eicker-Wolf deutlich mehr Grundmittel und Entfristungen fordert, was ohne ein Aussetzen der Schuldenbremse und eine progressive Steuerpolitik nicht gehe, plädiert Daniel May dafür, die bisherige Linie der Landesregierung fortzuführen:
„Die Lösung ist für uns nicht die völlige Abkehr von dem Finanzierungssystem, wie wir es haben, sondern eher eine Weiterentwicklung.“
 

Gernot Grumbach spricht sich für eine Erhöhung der Grundfinanzierung auf 90 % und für eine Vereinfachung der aufwändigen und langwierigen Beantragungs- und Einwerbeverfahren aus, so dass schnell „deutlich mehr Personen für Forschung und Lehre zur Verfügung stehen“.
 

„Wir haben eine grundsätzlich andere Meinung, wie Hochschulfinanzierung organisiert werden sollte“, stellt Elisabeth Kula fest. Sie fordert, den wettbewerbsbasierten Vergabemechanismen den Rücken zu kehren und stattdessen auf Hochschulebene in demokratischen Abstimmungsprozessen über die Mittelvergabe zu entscheiden. Gleichzeitig müssten aber auch jetzt akute Hilfen für Hochschulen, Studierendenwerke und Studierende bereitgestellt werden.
Schuldenbremse und Generationengerechtigkeit
 

Dem schließt sich Sandro Philippi an: Mehr Grundfinanzierung, bessere Planbarkeit und weniger leistungsorientierte Mittelvergabe sind auch seine Forderungen an Wissenschaftspolitik. Dabei solle man jedoch nicht vergessen, dass dies nicht ohne eine Umverteilung von Vermögen in dieser Gesellschaft gehe. Und auch die Schuldenbremse sieht er kritisch:
 

„Unser Eindruck ist, dass die Schuldenbremse tendenziell zum Abbau sozialer Infrastruktur führt. Nachfolgende Generationen werden dann nicht bloß mit einem schlechteren Schienennetz und maroderen Brücken auskommen müssen, sondern auch mit kaputtgesparten Schulen und Hochschulen. Das halten wir mit Blick auf die Generationengerechtigkeit für höchst problematisch.“
 

Der aktuell gültige Hochschulpakt läuft 2025 aus. Das Land und die Hochschulen werden zeitnah nach den Landtagswahlen 2023 mit den Neuverhandlungen beginnen. Diese werden bei sich abzeichnenden hohen Preissteigerungen unter anderen Vorzeichen stattfinden als noch vor fünf Jahren. Wie der neue Hochschulpakt aussehen wird, hängt zwar im Wesentlichen von der Zusammensetzung der kommenden Landesregierung ab. Entscheidend wird aber auch sein, inwieweit es Gewerkschaften und Studierendenvertretungen gelingt, auf die Missstände an Hochschulen und die strukturellen Probleme der
Hochschulfinanzierung aufmerksam zu machen.
 

Henning Tauche, Landesausschuss GEW Studierende