„Kein unbezahltes Wissenschaftsprekariat“

Die neue Präsidentin der Goethe-Uni antwortet der GEW

HLZ 4/2015: Studieren in Hessen

Die GEW-Betriebsgruppe an der Frankfurter Goethe-Universität bat die neue Präsidentin der Hochschule Prof. Dr. Birgitta Wolff zu deren Amtsantritt um ein Interview. Diese war aber nur zur schriftlichen Beantwortung der Fragen bereit. Nach einer kontroversen Debatte über den Umgang mit dem schriftlichen Interview entschied die Betriebsgruppe, Auszüge des Interviews zu aktuellen Themen und Auseinandersetzungen an der Goethe-Universität zu veröffentlichen. Ihre Antworten hätten in einem persönlichen Gespräch zu spannenden Nachfragen und Diskussionen führen können. Die Betriebsgruppe wird weiterhin die direkte Auseinandersetzung suchen, um sozial-, arbeits- und wissenschaftspolitische Positionen im Betrieb Hochschule stärker in den Vordergrund zu stellen.

GEW-Betriebsgruppe (www.uni-frankfurt.de/gew): Zurzeit wird auch auf Bundesebene verstärkt über Dauerstellen für Daueraufgaben diskutiert, wie sie von der GEW und anderen Gewerkschaften schon lange gefordert werden. Wie wollen Sie diese Forderung in den nächsten Jahren konkret umsetzen? 

Universitätspräsidentin Wolff: Wir sind dabei, gerade eine inneruniversitäre Bestandsaufnahme zu machen, welche Aufgaben als wirklich zentral und dauerhaft anzusehen sind. Das hängt natürlich auch mit den organisatorischen und thematischen Entwicklungszielen zusammen, die die Goethe-Universität sich selbst gibt. Insofern kommt hier der Diskussion um den Hochschulentwicklungsplan auch eine wichtige Rolle zu. Ganz pragmatisch: In allen Entfristungsfragen, die seit meinem Amtsantritt im Präsidium zur Entscheidung anstanden, haben wir so entschieden, dass auch der Personalrat damit zufrieden sein müsste.

GEW-Betriebsgruppe: Haben Sie dabei auch unbefristete Beschäftigungsverhältnisse für den gestiegenen Bedarf in der Lehre unterhalb der Professur im Auge?

Universitätspräsidentin Prof. Wolff: Ja, vor allem!

GEW-Betriebsgruppe: Mittlerweile werden unbezahlte Lehraufträge nicht als Beschäftigung, sondern regelrecht als Weiterbildungsangebot für den wissenschaftlichen Nachwuchs gehandelt. Welche Probleme sehen Sie hierbei für die Qualität der Beschäftigung und die der Lehre?

Prof. Wolff: Ich glaube, da gibt es große fachspezifische Unterschiede. Wir müssen uns solche Entwicklungen genau anschauen und jeweils die richtigen Schlussfolgerungen daraus ziehen. Klar ist, dass wir kein Interesse daran haben können, ein unbezahltes Wissenschaftsprekariat hervorzubringen. Wir brauchen auch hier zur Sicherung universitärer Qualität gewisse Mindeststandards.

GEW-Betriebsgruppe: Die Goethe-Universität hat einen Haustarifvertrag. Welche Bedeutung messen Sie diesem Umstand für die Ausgestaltung der Beschäftigungsverhältnisse zu?

Prof. Wolff: Hier gibt es vielleicht Spielräume, die wir möglicherweise noch besser nutzen können. Wir müssen den eigenen Tarifvertrag stärker als Gestaltungsinstrument verstehen, um Beschäftigungsverhältnisse an der Goethe-Universität in kompetitiven Arbeitsmärkten attraktiver zu machen.

GEW-Betriebsgruppe: Inwieweit sehen Sie es als Aufgabe von Universitäten wie der Uni Frankfurt, hier neue Qualitätsstandards zu setzen, etwa bei der Eintarifierung der Hilfskräfte?

Prof. Wolff: Hilfskräfte erbringen an vielen Stellen wichtige Leistungen für die Universität. Auch hier gilt: Arbeitsverhältnisse müssen attraktiv sein, nicht nur für den Arbeitgeber, sondern auch für den Arbeitnehmer.
Für studentische Hilfskräfte gab es in den letzten 10 Jahren keine nennenswerten Lohnerhöhungen. Sehen Sie hier Handlungsbedarf und die Notwendigkeit, Arbeitszeiten, Lohnfortzahlung bei Urlaub und Krankheit, Urlaubsanspruch auch für studentische und wissenschaftliche Hilfskräfte tarifvertraglich zu regeln?
Ich bin mir nicht sicher, ob man damit nicht mehr neue Folgeprobleme hervorruft, als man am Ende an alten Problemen löst.

GEW-Betriebsgruppe: Wie stehen Sie zu der Forderung der Hilfskraftinitiative nach einem eigenen Tarifvertrag oder Einbeziehung in den bestehenden TV-G-U?

Prof. Wolff: Grundsätzlich ist das diskussionswürdig.

GEW-Betriebsgruppe: Halten Sie die bestehende Regelung zur Umsetzung der familienpolitischen Komponente an der GU für ausreichend? Oder beabsichtigen Sie eine verbindliche Ausschöpfung für alle wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von zwei Jahren Vertragsverlängerung pro Kind zu ermöglichen?

Prof. Wolff: Ich persönlich finde solche Überlegungen richtig.

GEW-Betriebsgruppe: Was sind in Ihren Augen die drängendsten Themen und Handlungsfelder an der GU? Welches konkrete Projekt wollen Sie als erstes angehen?

Prof. Wolff: Zunächst geht es mir darum, die Goethe-Universität noch besser kennen zu lernen. Die Uni ist gut aufgestellt und hat in den letzten Jahren eine große Strahlkraft und Forschungspower entfaltet. Diese PS müssen wir – auch gegenüber Berlin und Brüssel – noch besser auf die Straße bringen. Deshalb hat mich eine meiner ersten Dienstreisen nach Brüssel geführt. Wir wollen hier mit unseren Themen noch mehr bewegen und natürlich auch an den Programmen partizipieren. Auch die laufenden Verhandlungen um den Hessischen Hochschulpakt dürfen nicht zu einer Schwächung unserer künftigen Möglichkeiten führen. Dafür setzen wir uns alle ein.

Foto: Uwe Dettmar, Goethe-Universität Frankfurt