Offener Brief des hessischen "Mittelbaus“ zur Bayreuther Erklärung

28. Oktober 2019

Initiative für gute Arbeit an hessischen Hochschulen | Ein Netzwerk von Promovierenden und Beschäftigten

 

An die Kanzlerin und die Kanzler der hessischen Universitäten,

die Universitätsleitungen und Senate

 

Offener Brief des hessischen „Mittelbaus“ zur Bayreuther Erklärung | 28. Oktober 2019

Sehr geehrte Frau Kraus, sehr geehrte Herren Kanzler,

sehr geehrte Damen und Herren in präsidialer Verantwortung,

liebe Kolleginnen und Kollegen in den Senaten,

die immens hohe Anzahl befristeter Beschäftigungsverhältnisse hat negative Folgen für die Qualität von Forschung und Lehre sowie die individuelle Lebens- und Karriereplanung des wissenschaftlichen „Nachwuchses“. Insgesamt schadet die aktuelle Situation sowohl dem hessischen Wissenschaftsstandort als auch dem Ausbildungsauftrag der Hochschulen. Knapp die Hälfte der Promovierenden möchte laut dem Bundesbericht wissenschaftlicher Nachwuchs (BuWin) in Forschung und Lehre beruflich verbleiben, bei Promovierten die überwältigende Mehrheit. Real kann aber bisher nur ein sehr geringer Teil (ca. zehn Prozent) von ihnen eine dauerhafte Anstellung an den Hochschulen finden. Die Schaffung von Karrierewegen jenseits der Professur, die in unbefristeter Beschäftigung münden, ist eine aus unserer Sicht vordringliche Aufgabe verantwortlicher Personalentwicklung der Hochschulen.

Zu Recht formuliert daher der schwarz-grüne Koalitionsvertrag in Hessen das Ziel, „mehr wissenschaftliches Personal zu beschäftigen und befristet eingestelltes Personal entfristen zu können“ (S.184). Politik und Gewerkschaften haben das Problem übermäßiger Befristung erkannt und sich auf den Weg gemacht, mehr unbefristete Beschäftigung an Hochschulen schrittweise zu ermöglichen. Keiner der beteiligten Akteure fordert eine umfassende Entfristung von Qualifikationsstellen vor der Promotion. Genau dies suggeriert aber nun die von der Vereinigung der Kanzlerinnen und Kanzler der Universitäten in Deutschland verabschiedete Bayreuther Erklärung, die den Erhalt der gegenwärtig umfangreichen Befristungs-möglichkeiten einfordert und verteidigt.

Wir als Ihre Angestellten sind zutiefst bestürzt und erschrocken über diese aus unserer Sicht überflüssige, öffentliche Positionierung, die wenig bis keine Wertschätzung für unsere Arbeit erkennen lässt. Täglich reden wir zurzeit mit Kolleginnen und Kollegen, die verunsichert sind über die Wahrnehmung ihrer beruflichen Stellung und Karriereplanung seitens der Hochschulen. Wir fragen daher unsere Kanzlerinnen und Kanzler:

  1. Wie bewerten unsere Hochschulleitungen und unsere Senate die Bayreuther Erklärung?
  2. Welche Schlüsse ziehen Hochschulleitung und Senat aus dem Koalitionsvertrag in Hessen und der aktuellen Diskussion über die Fortentwicklung des hessischen Hochschulsystems?

Wir sind eine hessische Initiative von Beschäftigten, Lehrbeauftragten, Promovierenden und Wissen-schaftlerinnen und Wissenschaftler, die sich überparteilich und organisationsübergreifend für gute Arbeit und planbarere Karrierewege an unseren Hochschulen einsetzt. Wir werden unterstützt von der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft, der Gewerkschaft ver.di und dem Netzwerk für Gute Arbeit in der Wissenschaft. Wir fordern mit unserem offenen Brief von unseren Hochschulleitungen und Senaten, sich auf einer Senatssitzung zu unseren Fragen rund um die Bayreuther Erklärung zu verhalten. Wir haben uns für die Form des offenen Briefes entschieden, um den Anliegen des „Mittelbaus“ die nötige öffentliche Aufmerksamkeit zu verschaffen und transparent zu machen, dass die Bayreuther Erklärung nicht die Interessen der Menschen bedenkt, die sich im „Qualifikationssystem“ der Universitäten befinden.

Mit freundlichen Grüßen,

 

Für die Initiative für gute Arbeit an hessischen Hochschulen:

Pascal Anstötz (Philipps-Universität Marburg)

Dr. Christian Bruns (Universität Kassel)

Simone Buckel (Universität Kassel)

Dr. Simone Claar (Universität Kassel)

Christian Deutschmann (Justus-Liebig-Universität Gießen)

Anne Engelhardt (Universität Kassel)

Sebastian Garbe (Justus-Liebig-Universität Gießen)

Dr. Sebastian Giacovelli (Justus-Liebig-Universität Gießen)

Dr. Michaela Goll (Justus-Liebig-Universität Gießen)

Dr. Felix Hauf (Goethe-Universität Frankfurt)

Heiner Heiland (Technische Universität Darmstadt)

Dr. Jutta Hergenhan (Justus-Liebig-Universität Gießen)

Carsten Hoffmann  (Philipps-Universität Marburg)

PD Dr. York Kautt (Justus-Liebig-Universität Gießen)

Dr. Carmen Ludwig (Justus-Liebig-Universität Gießen)

Nils Vief  (Philipps-Universität Marburg)

Inga Nüthen  (Philipps-Universität Marburg)

Philipp Klingler  (Philipps-Universität Marburg)

Thomas Linpinsel (Justus-Liebig-Universität Gießen)

Anja Schmidt-Kleinert  (Philipps-Universität Marburg)

Dr. habil. Jens Mäße (Justus-Liebig-Universität Gießen)

Daniel Moosdorf  (Philipps-Universität Marburg)

Dirk H. Medebach, M.A. (Justus-Liebig-Universität Gießen)

Andrea Newerla (Justus-Liebig-Universität Gießen)

Christian Möllmann (Universität Kassel)

Dr. Bianca Prietl (Technische Universität Darmstadt)

PD Dr. Jürgen Schraten (Justus-Liebig-Universität Gießen)

Norma Tiedemann (Universität Kassel)

Dr. Andrea Silva-Tapia (Justus-Liebig-Universität Gießen)

Erklärung