Promovieren an Fachhochschulen

Das Interesse an kooperativen Promotionen wächst

HLZ 4/2015: Studieren in Hessen

Ein Masterabschluss berechtigt zur Promotion, unabhängig davon, ob er an einer Universität oder an einer Fachhochschule erworben wurde, so die Kultusministerkonferenz (KMK) in einem Beschluss im April 2000. Doch die Realität sieht anders aus: Der Weg zur Promotion ist für Absolventinnen und Absolventen von Fachhochschulen sehr viel steiniger, denn solange diese kein eigenes Promotionsrecht haben, sind sie auf eine Kooperation mit Universitäten angewiesen. Das klappt in einigen Fällen recht gut, in vielen anderen ist es aber ein mühsames und manchmal auch entmutigendes Unterfangen, dort eine Professorin oder einen Professor mit der Bereitschaft zu einer kooperativen Promotion zu finden. Dennoch hat sich die Zahl der Promovierenden an Fachhochschulen in Hessen in den letzten fünf Jahren fast verdreifacht. Mit dem enormen Anstieg von Forschungsprojekten an Fachhochschulen stieg auch die Zahl der wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, von denen viele promovieren möchten.

Schon zu Diplom-Zeiten gab es einige wenige herausragende Fachhochschul-Absolventinnen und –Absolventen, die promovierten. Das bisher erforderliche „Eignungsfeststellungsverfahren“ ist mit der Einführung des Masters nicht mehr obligatorisch. Dennoch tragen die Auflagen der Promotionskommissionen weiter zur Benachteiligung der Master-Absolventinnen und -Absolventen von Fachhochschulen bei. Sie reichen von einem mündlichen Prüfungsgespräch bis zum Nachweis mehrerer erfolgreich absolvierter mehrsemestriger Module an der Universität. In Einzelfällen wird die Zulassung abgelehnt.

Im Hessischen Hochschulgesetz ist das kooperative Promotionsverfahren seit 2009 verankert (§ 24). Danach sind die Promotionsverfahren an den Universitäten angesiedelt, die in ihren Promotionsordnungen auch die Voraussetzungen für kooperative Verfahren festlegen. Zunächst müssen sich die Promotionsinteressierten eine Professorin oder einen Professor an der jeweiligen Fachhochschule suchen. Weitaus schwieriger, langwierig und oft demotivierend ist es, eine Uni-Professorin oder einen Uni-Professor zu finden. Oft bleiben Anfragen ganz ohne Rückmeldung oder es werden Vorbehalte gegenüber FH-Absolventinnen und FH-Absolventen deutlich. Wohlwollende und kooperative Reaktionen – insbesondere auf Grund guter Kontakte, gemeinsamer Studiengänge, Forschungsprojekte oder Forschungsverbünde - sind eher selten.
Auch der nicht geregelte Status von Promovierenden kann Stolpersteine auf dem Weg zum Doktortitel bergen. Nach dem HHG können sich Promovierende an hessischen Fachhochschulen nicht einschreiben. Wenn sie nicht gleichzeitig an der Hochschule beschäftigt sind, haben sie keinen eindeutigen Status und damit keinen Anspruch auf einen Bibliotheks­ausweis, auf einen gesicherten Zugang zu den Räumen der Hochschule und auf einen E-Mail-Account. Viele Fachhochschulen haben dafür Lösungen auf dem „kleinen Dienstweg“ gefunden, eine rechtliche Klärung steht jedoch aus.

Trotz dieser Hürden wachsen das Interesse an Promotionen im kooperativen Verfahren und die Zahl der so abgeschlossenen Promotionen. Das ist nicht zuletzt auf die gute Unterstützung zurückzuführen: Professorinnen und Professoren an Fachhochschulen betreuen die einzelnen Promovierenden oft sehr intensiv und leiten sie zu eigenständigen wissenschaftlichen Arbeiten an. Es gibt Promotionsbeauftragte auf zentraler Ebene und in den Fachbereichen, die informieren und individuell beraten. Die Angebote zur wissenschaftlichen Qualifizierung von Promovierenden reichen von der Exposee-Erstellung über die Präsentation wissenschaftlicher Poster und das Führen von Interviews bis zur Vorbereitung auf die Disputation. Neben einer wachsenden Zahl von Promotionsstellen für wissenschaftliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Fachbereichen schreiben einige Fachhochschulen eigene Promotionsstipendien aus und gewähren Zuschüsse zu Kongressreisen oder zu wissenschaftlichen Veröffentlichungen. Das Ergebnis sind zumeist qualitativ hochwertige Dissertationen, die über die Grenzen der eigenen Hochschule hinaus Beachtung finden. Alle hessischen Fachhochschulen haben mittlerweile Promotionskooperationsverträge mit Universitäten oder universitären Fachbereichen, einige verfügen auch über gemeinsame Graduiertenkollegs.

Schlechter sieht es in den Fachrichtungen aus, die es an Universitäten nicht gibt oder bei denen es schwer bis unmöglich ist, zur Kooperation bereite Universitätsprofessorinnen oder -professoren zu finden. Deshalb setzen die hessischen Fachhochschulen große Hoffnung in die anstehende Novellierung des HHG. Der vom Ministerium für Wissenschaft und Kunst vorgelegte Entwurf sieht vor, dass forschungsstarken Bereichen der Fachhochschulen vom Ministerium ein eigenständiges Promotionsrecht verliehen werden kann. Dies würde Absolventinnen und Absolventen der Fachhochschulen eine wissenschaftliche Karriere erleichtern, bestehende Nachteile ausräumen und wäre auch ein Beitrag zu einer größeren sozialen Durchlässigkeit der Wissenschaft, denn an Fachhochschulen studieren und promovieren traditionell mehr Menschen mit bildungsferner Herkunft als an Universitäten.

Katja Richter, Dipl.-Ing.

Die Autorin ist seit 2008 zentrale Promotionsbeauftragte der Hochschule Fulda.