Verlängern oder entfristen?

Hochschulen knausern bei „Corona-Verlängerungen“

HLZ 11/2020: Digitale Hochschule

Lange schon gelten befristete Arbeitsverträge in der Wissenschaft als Haupthindernis für eine langfristige Karriereplanung und die Vereinbarkeit von Familie und Beruf, vielen Theoretikern der Hochschulsteuerung aber auch als Notwendigkeit angesichts kurzfristig angesetzter Haushaltszusagen.

Die schwarz-grüne Koalition in Wiesbaden will deshalb die Grundfinanzierung der Hochschulen des Landes jährlich um 4 Prozent erhöhen, damit diese - so der Koalitionsvertrag von 2018 - mehr wissenschaftliches Personal beschäftigen, befristet eingestelltes Personal entfristen und „Stellen für Daueraufgaben auch als Dauerstellen ausgestaltet werden“ können. Die Präsidenten und Präsidentinnen der 14 hessischen Hochschulen haben dieser Intention mit der Unterzeichnung des neuen Hessischen Hochschulpakts zugestimmt. Die derzeit laufenden Verhandlungen zu Zielvereinbarungen, die das Wissenschaftsministerium mit jeder einzelnen Hochschule abschließen will, sollen bis Juni 2021 abgeschlossen sein.

Dies können wir als Beschäftigte im Hochschulbereich oder solche, die es werden wollen, nur gutheißen. Doch was wird aus diesen Ankündigungen, wenn es nun darum geht, mit dem Hochschulen Zielvereinbarungen für die kommenden Jahre abzuschließen? Genügen diese Ankündigung und der jüngst ausgehandelte Hessische Hochschulpakt, damit die Hochschulen des Landes nun ausschließlich oder überwiegend auf langfristige Beschäftigungsverhältnisse setzen?

Ich habe große Zweifel. Vor Ort kann ich keine Veränderung erkennen, wenn es um Beschäftigungsverhältnisse unterhalb der Professur geht. Bereits bei der  Gewährung von „Corona-Verlängerungen“ um sechs Monate waren einige Hochschulen eher knauserig (HLZ S.10f.) und wollten eine längere Vertragslaufzeit aufgrund von coronabedingten Erschwernissen nach Möglichkeit vermeiden oder auf wenige Fälle einschränken. In der Uni Marburg hat die Personalverwaltung nunmehr das Ziel, die Verlängerungsmöglichkeiten von Post-Doc-Stellen weiter zu erschweren, indem sie das sogenannte Tenure-Track-Verfahren (!) auf diese befristeten Vertragsverlängerungen anwendet. Statt also wie ehedem einen begründeten Verlängerungsantrag zu formulieren und vom Vorgesetzten zugestanden zu bekommen, ist nun ein aufwändiges Antragsverfahren und eine Entscheidung innerhalb einer fachübergreifend besetzten „Tenure-Track-Kommission“ notwendig. Bislang galt als „Tenure Track“, wer durch entsprechende Leistungen in einer befristeten Beschäftigung eine Anwartschaft auf eine unbefristete Arbeit erwarb. Nun wird dieses aufwändige Verfahren bereits bei einfachen Verlängerungen um gerade einmal zwei Jahre angewendet. Dies kann ich nur so interpretieren, dass in der Wissenschaft Beschäftigte abgeschreckt werden sollen, länger als notwendig in einem Angestelltenverhältnis in der Universität Marburg beschäftigt zu sein.

Die Hochschulleitung zielt also auf mehr Kurzfristigkeit und weniger und umständlichere Verlängerungsmöglichkeiten. Ob diese Zielstellung im Sinn der Marburger Abgeordneten und grünen Wissenschaftsministerin Angela Dorn ist, die die verbesserten Arbeitsbedingungen durch langfristige Finanzierungszusagen preist und gewährleistet sieht? Vielleicht ist das ein Grund, bei den nun anlaufenden Zielvereinbarungsverhandlungen etwas konkreter über das Thema Befristung zu sprechen.

Eine großzügige Mittelsteigerung wird kaum ausreichen, um auch im Mittelbau und unter den Technisch-Administrativen zu mehr unbefristeter Beschäftigung zu kommen. Zwar ist mit der Zusage von 4 Prozent mehr pro Jahr die Möglichkeit gegeben, mehr unbefristetes Personal einzustellen, jedoch ist die Möglichkeit noch kein Faktum. Vielmehr bedarf es konkreter Vorgaben und Quoten, da  ansonsten kaum eine Hochschule bereit sein wird, ihre Personalstruktur grundlegend zur Disposition zu stellen.

Carsten Hoffmann

Carsten Hoffmann arbeitet befristet als Wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Philipps-Universität Marburg.