„So kommen wir dem Lehrkräftemangel nicht bei!“

Viele Empfehlungen der Ständigen Wissenschaftlichen Kommission sind kontraproduktiv | Pressemitteilung

Anlässlich der heute vorgestellten Empfehlungen zum Umgang mit dem akuten Lehrkräftemangel zeigt sich die GEW Hessen besorgt. Die Vorschläge der Wissenschaftlichen Kommission, den Zugang zu Teilzeitbeschäftigung zu reduzieren und die Arbeitszeit für Ältere zu erhöhen, sind hoch problematisch. Thilo Hartmann, Vorsitzender der GEW Hessen, stellte aus diesem Anlass fest:

„In einer Situation des akuten Fachkräftemangels sind zwei Dinge angezeigt: Mehr ausbilden und die vorhandenen Fachkräfte durch gute Arbeitsbedingungen binden und halten. Mit den genannten Vorschlägen ist am Ende das Gegenteil der Fall: Der Beruf verliert an Attraktivität und der Mangel verschärft sich.“

Die Kommission hat in ihrer Stellungnahme mehrere zentrale Empfehlungen ausgesprochen. So sollen vorhandene „Beschäftigungsreserven bei qualifizierten Lehrkräften“ erschlossen werden, indem die Regelungen zur Reduktion der Unterrichtsverpflichtung aus Altersgründen und bei Teilzeitbeschäftigung „angepasst“ werden. Aus diesem Anlass verwies Heike Ackermann als stellvertretende Vorsitzende der GEW Hessen auf die Ergebnisse der Frankfurter Arbeitszeit- und Arbeitsbelastungsstudie:

„Lehrerinnen und Lehrer leisten schon heute Überstunden, weit über die vorgesehene Arbeitszeit hinaus. Der Beruf bietet viel, aber die Belastungen sind erheblich. Daher ist die Reduktion der Pflichtstundenzahl für Ältere unerlässlich, um den Beruf überhaupt bis zum Ruhestandsalter ausüben zu können. Es zeugt von einem unzureichenden Einblick in die schulische Praxis, dass die Ständige Wissenschaftliche Kommission glaubt, hier seien Arbeitszeitreserven zu heben.“

Auch ein schlechterer Zugang zur Teilzeitbeschäftigung ist nach Auffassung der GEW Hessen der falsche Weg. Thilo Hartmann wies darauf hin, dass es für Eltern wichtig ist, Beruf und Familie miteinander vereinbaren zu können. Das gelte ebenso für Lehrkräfte, die pflegebedürftige Angehörige haben. „Diese Vorschläge weisen in die vollkommen falsche Richtung. Für die GEW ist es hingegen ‚Zeit für mehr Zeit‘. Aufgrund der überbordenden dienstlichen Aufgaben sehen sich unter den derzeitigen Bedingungen viele Lehrkräfte nicht in der Lage, dauerhaft mit voller Stundenzahl zu arbeiten.“
 

Es finden sich allerdings auch einige Empfehlungen in dem Papier, die tatsächlich geeignet sind, dem Mangel beizukommen. Dazu zählen die Entlastung von Verwaltungsaufgaben, die erleichterte Anerkennung von im Ausland erworbenen Abschlüssen sowie die Weiterentwicklung von Modellen des Quer- und Seiteneinstiegs. Heike Ackermann erinnert daran, dass in Hessen bereits mehrere tausend befristete Vertretungskräfte an Schulen beschäftigt sind. Für diese gibt es bislang keinerlei Angebot zur Nachqualifikation und zur Dauerbeschäftigung: „Derzeit schickt Hessen Menschen, die über Jahre als befristete Vertretungskraft in der Not geholfen haben, irgendwann in die Arbeitslosigkeit. Das ist nicht fair und auch nicht sinnvoll. Hier müsste endlich angesetzt werden.“


Zum Hintergrund: Die Pflichtstundenverordnung ermöglicht ab der Vollendung des 55. Lebensjahrs die Anrechnung von einer bzw. einer halben Pflichtstunde aus Altersgründen. Von dem vollendeten 60. Lebensjahr an ist eine weitere Reduzierung vorgesehen. Das Hessische Beamtengesetz ermöglicht eine Teilzeitbeschäftigung aus familiären Gründen, wenn ein Kind unter 18 Jahren betreut wird oder Angehörige gepflegt werden. Außerdem können alle Lehrkräfte einen Antrag auf Teilzeit mit mindestens der halben regulären Stundenzahl stellen.

Der Bericht zum Nachlesen