CDU und Grüne sprechen von einem „Fundament der Demokratie“

Politische Bildung

Der erste schwarz-grüne Koalitionsvertrag widmete dem Thema Politische Bildung 2014 gerade 25 Zeilen. Fünf Jahre später sind es jetzt mehrere Seiten und man findet dort eine weitreichende Aussage mit höchstem Anspruch: „Politische Bildung ist das Fundament der Demokratie“ (siehe: Im Wortlaut, HLZ S.30). Entsprechende Forderungen zur Stärkung der politischen Bildung in der schulischen und außerschulischen Bildungsarbeit mit Kindern und Jugendlichen fand man jetzt vor der Wahl vor allem im Wahlprogramm der Grünen.

Aussagen zur politischen Bildung findet man im neuen Koalitionsvertrag insbesondere in den Kapiteln zur Innen- und Sicherheitspolitik („Extremismus bekämpfen und Demokratie stärken“ bzw. „Politische Bildung ist das Fundament der Demokratie“) und zur Schulpolitik („Werte vermitteln – Respekt leben“).

Vieles bleibt unbestimmt
Durch den diffusen Begriff des „Extremismus“ und den Aufzählungscharakter vieler Kapitel bleiben die Aussagen zur politischen Bildung insgesamt vage und dienen als Sammelbehälter für schwarze und grüne Projekte. Als Beispiel für den Kompromisscharakter sei auf die auch bei den Grünen kritisch beäugte Werbung der Bundeswehr in Schulen und die Kooperationsvereinbarung des Hessischen Kultusministeriums mit der Bundeswehr verwiesen. Also lässt man das Thema außen vor und erklärt, die „Einbindung von Jugendoffizieren der Bundeswehr sowie von Akteuren aus der Friedens- und Konfliktforschung“ zu einer „sinnvollen Möglichkeit zur Ergänzung thematisch passender und von den Lehrkräften gestalteter Unterrichtseinheiten“, die man deshalb fortsetzen will – wohl wissend, dass die „Akteure der Friedensforschung“ weder personell noch finanziell in der Lage sind, der Werbung der Bundeswehr in Schulen wirksam zu begegnen.

Noch während der laufenden Koalitionsverhandlungen forderten die GEW-Landesvorsitzenden die grüne Verhandlungsdelegation auf, den Ankündigungen im Wahlprogramm jetzt auch Taten folgen zu lassen. Demokratieerziehung in der Schule könne aber nur gelingen, wenn „demokratische Prinzipien an der Schule durch gelebte Demokratie erprobt und verinnerlicht werden“. Die GEW verwies auf den Forderungskatalog, der auf der GEW-Fachtagung „Politische Bildung in der Schule“ 2016 verabschiedet wurde, und insbesondere auf die „unzureichende curriculare Verankerung und den hohen Anteil fachfremden Unterrichts“. Das Fach Politik und Wirtschaft (PoWi) müsse in der Schule umfassend aufgestockt und bis zum Abitur verpflichtend fortgeführt werden. Dies gelte für alle Schulformen und ganz besonders auch für die berufsbildenden Schulen.

PoWi in allen Jahrgangsstufen?
Das Elend der Politischen Bildung in Hessen spiegelt sich auch in den Stundentafeln, die von den Schulen zudem aufgrund des Fachlehrermangels in vielen Fällen nicht erfüllt werden können. Für die G9-Gymnasien sieht die Stundentafel für das Fach PoWi in den Klassen 5 bis 10 gerade einmal sieben Stunden vor, für den Bildungsgang Hauptschule für die Klassen 5 bis 9 vier Stunden. In der gymnasialen Oberstufe kann man PoWi im Jahr vor dem Abitur (Q3/Q4) sogar ganz abwählen (1). Der Anteil der Unterrichtsstunden, die fachfremd erteilt werden, liegt in keinem Fach höher als in PoWi und in einzelnen Jahrgängen bei über 80 Prozent (2).

In der Antwort auf das Schreiben der GEW verweist Mathias Wagner, alter und neuer Fraktionsvorsitzender der Grünen, auf die Absichtserklärung der Koalitionspartner, einen „durchgängigen Politikunterricht auf allen weiterführenden Schulen“ sicherzustellen und dafür zu sorgen, dass das Fach PoWi „nicht abwählbar sein“ soll. Die GEW wird darauf drängen, dass diese Zusagen so schnell wie möglich umgesetzt werden.
Die GEW muss sich auch dafür einsetzen, das Fach Gesellschaftslehre zu stärken, das insbesondere an Integrierten Gesamtschulen erweiterte zeitliche und inhaltliche Spielräume für die politische Bildung schafft. Bei der anstehenden Novellierung des Hessischen Lehrerbildungsgesetzes sollte es auch darum gehen, die Voraussetzungen für ein entsprechendes gesellschaftswissenschaftliches Studienfach zu schaffen.  An den Studienseminaren muss auch für den Unterricht im Fach GL ausgebildet werden und es muss mehr Fortbildungen für Lehrkräfte geben, die GL unterrichten, aber zwangsläufig nicht in allen drei Fächern des Fächerverbundes ausgebildet wurden.

Harald Freiling, HLZ-Redakteur


(1) Gerd Turk: An den Rand gedrängt. Sekundarstufe II: Wenig Platz für politische Bildung, HLZ 3/2017, S.14-15
(2) Achim Albrecht: Politische Bildung auf Sparflamme. Zu wenige Stunden und zu viel fachfremder Unterricht, HLZ 3/2017, S.12-13