Die AfD und die Jugend

Die Aktivitäten der AfD in Landtagen und im Bundestag

HLZ 1-2/2021

Wie versucht die AfD, parlamentarisch auf die Zivilgesellschaft einzuwirken? Für das neue Buch „Die AfD und die Jugend“ hat das Team um den emeritierten Marburger Erziehungswissenschaftler und GEW-Kollegen Benno Hafeneger über 700 parlamentarische Interventionen der AfD zu den Themen Jugendarbeit, Jugendbildung und jugendliche Lebensweisen im Bundestag und in den Landtagen ausgewertet. Ergänzt wird diese materialreiche und systematische Analyse durch Berichte zur Offenen Kinder- und Jugendarbeit.

  • Wie tritt die AfD hier auf?
  • Welche Bedarfe, Empfindungen und Befürchtungen haben die Akteure der Kinder- und Jugendarbeit in Bezug auf die AfD?
  • Und wie kann man mit diesen Angriffen auf die demokratisch-pluralistische Jugendarbeit umgehen?

Die Untersuchungen sollen „den Blick für rechtspopulistische Dynamiken, Logiken und Strategien in der Bildungs- und Jugendpolitik“ schärfen. Mit freundlicher Genehmigung des Wochenschau-Verlags und der Autorinnen und Autoren veröffentlicht die HLZ die Schlussfolgerungen aus der Analyse der jugend- und bildungspolitischen Aktivitäten der AfD in 16 Landesparlamenten und im Bundestag.

Die Dokumente der vorliegenden Studie sind Versuche der Einfluss- und Landnahme aus der parlamentarischen Oppositionsperspektive auf Jugend, Jugend-/Bildungspolitik und Felder der Jugendarbeit (1). Würde die AfD ihre jugendpolitischen Vorstellungen in Regierungshandeln und Machtpolitik, mit Akteuren in Entscheidungssituationen und in der Verwaltung umsetzen können, könnte sie – eingebunden in ihre ideologischen Narrative – wirklichen Einfluss auf die Jugendpolitik gewinnen. Dies wäre mit einer veränderten Förderpolitik und Trägerlandschaft, neuen Schwerpunktsetzungen und der Einengung von Pluralismus und Handlungsspielräumen verbunden. Es käme zu einer inhaltlichen und förderungspolitischen Neuausrichtung der Jugendpolitik und – faktisch und rhetorisch – würden neue Themen und Schwerpunkte platziert. Dabei muss eine solche Jugendpolitik als eingebettet in eine Gesamtstrategie des Umbaus der Republik gesehen werden, die auf eine autoritär verfasste Gesellschaft und ein autoritäres Staatsverständnis zielt, das populistisch-nationalistisch ausgerichtet ist. Die Vielfalt der demokratischen Jugendverbände als organisierte Zivilgesellschaft im Jugendbereich, die Träger der außerschulischen politischen und kulturellen Jugendbildung, die Einrichtungen der Offenen und Kulturellen Jugendarbeit sowie vielfältige Initiativen haben in der Demokratie vor allem drei miteinander verwobene Bedeutungsdimensionen:

Sie erreichen erstens viele Jugendliche, beeinflussen und prägen sie mit positiven, partizipatorischen und anerkennenden – milieuspezifischen – Erfahrungen und Vergemeinschaftungsformen in ihrer Mentalität, Orientierung und ihren Lebensweisen. Sie leisten damit einen bedeutsamen sozialisatorischen und bildenden Beitrag im Aufwachsen der jungen Generation. In der Geschichte der Bundesrepublik haben Millionen von Jugendlichen einen nicht unerheblichen Teil ihrer Sozialisation in außerschulischen Jugendorganisationen und Einrichtungen der Jugendarbeit verbracht; hier haben sie für ihre Identitätsentwicklung bedeutsame Prägungen erfahren.

Sie sind zweitens Teil der organisierten und/oder informellen, den Menschenrechten verpflichteten Zivilgesellschaft und sind Gelegenheitsstrukturen und lebendige Arenen, die Demokratie, Partizipation und Anerkennung ermöglichen und erfahrbar machen. Sie leisten mit ihren politischen und sozial-moralischen Milieus einen wichtigen Beitrag zum Zusammenhalt der Gesellschaft und im öffentlichen Diskurs zur Zukunft von Demokratie und Gesellschaft. Das demokratische und kulturelle Potenzial von Jugendverbänden ist ein bedeutsamer Beitrag, die Integrationskraft der jungen Generation und der Gesellschaft zu stärken (2). Sie haben mit Blick auf die Akzeptanz und Stabilität der repräsentativen parlamentarischen, liberalen, pluralistischen und rechtsstaatlich verfassten Demokratie eine große demokratiepolitische Bedeutung, weil „der Zivilgesellschaft für die Akzeptanz der Demokratie eine Schlüsselrolle zukommt“ (3). Das gilt im Jugendbereich vor allem auch für die Sicherung der Generationenfolge in Parteien und Zivilgesellschaft und die weitere Entwicklung einer offenen und demokratischen Gesellschaft. Bei allen Unterschieden basiert die demokratisch organisierte Zivilgesellschaft auf gemeinsamen Prinzipien wie Selbstorganisation, Anerkennung von Diversity, gewaltfreie Konfliktbewältigung „und interessenübergreifende Vertretung im Sinne des Gemeinwohls“ (4).

In der politischen Auseinandersetzung mit rechtem Populismus und Extremismus und der AfD als organisierter Rechtsaußenpartei gilt es für die zivilgesellschaftlichen Organisationen drittens differenzierte und reflektierte Formen und Reaktionsmuster des Umgangs zwischen Ignorieren, Auseinandersetzen, Abgrenzen, Ausschließen und Ausgrenzen zu finden und abzuwägen. So sind zivilgesellschaftliche Akteure aus den Jugendringen/-verbänden (und auch aus den Wohlfahrtsverbänden und den Kirchen) z.B. auf kommunaler und Landesebene in Kinder- und Jugendhilfeausschüssen mit der AfD bzw. rechten Akteuren konfrontiert.

Angriffe auf die Jugendarbeit

Der zivilgesellschaftliche Jugendbe­reich ist – wie skizziert – wiederholt Angriffen und Interventionen von rechts ausgesetzt. Gleichzeitig gibt es Vorurteile und Ressentiments, rechtspopulistisches Denken und vereinzelt Aktivitäten, Sprachgesten und Alltagsrassismus aber auch in Teilen der Zivilgesellschaft und damit auch bei Trägern und Einrichtungen im demokratischen Jugendbereich, weil Konfliktlinien und Orientierungen zugleich durch Teilbereiche der Zivilgesellschaft verlaufen. Dies stellt sie – mit ihrer Selbstverpflichtung gegen jedwede Form von Diskriminierung, Ausgrenzung, Abwertung und Rassismus – als Auseinandersetzung und Kampf nach „innen“ und „außen“ vor eine doppelte Herausforderung. Hinzuweisen ist auch auf Kritik an und Diffamierung von zivilgesellschaftlichen Strukturen (z.B. den Gewerkschaften als „Arbeiterverrätern“ und den Wohlfahrtsverbänden als Teil der „Asylindustrie“) sowie auf (vereinzelte) Interventionen und Versuche von Akteuren der Neuen Rechten und der AfD, in der organisierten Zivilgesellschaft Resonanzboden und Anschlussmöglichkeiten zu finden.

Die AfD im hessischen Landtag

Im Vergleich mit den AfD-Fraktionen in anderen Landtagen agiert die AfD in Hessen eher zurückhaltend. Ihre Anfragen in den Bereichen Jugend und Bildung betreffen unter anderem die Förderung der NaturFreunde, die „den Idealen des demokratischen Sozialismus“ verpflichtet seien, die Förderung von Workshops, die der Verein SCHLAU Hessen in Hessen durchführt und bei denen „junge lesbische, schwule, bi, trans*, asexuelle und queere Menschen über ihr Coming-out, die eigene Biografie sowie persönliche Diskriminierungserfahrungen“ sprechen, sowie „Inhalt und Förderpraxis der Geschlechterforschung an den hessischen Universitäten und Hochschulen“. Aber, so das Fazit der Autorinnen und Autoren: Auch die Interventionen der hessischen AfD  richten sich gegen Demokratie, Partizipation und Emanzipation und gegen die offene Gesellschaft und den gesellschaftlichen Zusammenhalt.

Zum Buch https://wochenschau-verlag.de/afd-im-hessischen-landtag-3448.html

(1) vgl. Chr. Gille und B. Jagusch, B. (2019): Die Neue Rechte in der Sozialen Arbeit in NRW, Düsseldorf (FGW-Studie).
(2) vgl. M. Schmidt (2020): Geschichte der Zivilgesellschaft in der Bundesrepublik Deutschland, in epd Dokumentation, 11, S. 6-12.
(3) W. Schroeder, S. Greff, J. Ten Elsen und L. Heller (2020): Bedrängte Zivilgesellschaft von rechts. Interventionsversuche und Reaktionsmuster, Frankfurt/M. (OBS-Arbeitsheft 102), S.5
(4) ebenda, S.15

Benno Hafeneger, Hannah Jestädt, Moritz Schwerthelm, Nils Schuhmacher, Gillian Zimmermann: Die AfD und die Jugend. Wie die Rechtsaußenpartei die Jugend- und Bildungspolitik verändern will. WOCHENSCHAU Verlag, Dr. Kurt Debus GmbH Frankfurt/M. 2021.
Bestellung als PDF-Datei für 13,99 Euro oder als Buch für 14,99 Euro:

Zum Buch https://wochenschau-verlag.de/die-afd-und-die-jugend-3717.html