Studienkreis Deutscher Widerstand 1933-1945

HLZ 1-2/2021

Mit einer Postkartenaktion wendet sich der Studienkreis Deutscher Widerstand 1933-1945 gegen die Umdeutung des Begriffs „Widerstand“ gerade auch im Kontext der Proteste gegen die Corona-Maßnahmen, die auch vor der Vereinnahmung von Sophie Scholl oder Anne Frank nicht Halt machen und das durchaus kritikwürdige Infektionsschutzgesetz mit dem Ermächtigungsgesetz von 1933 gleichsetzen. Der Studienkreis sieht in der Erinnerung an „Zivilcourage und antifaschistischen Widerstand in der NS-Zeit“ eine wichtige „Brücke in die Gegenwart“.

Die neue Ausgabe der wissenschaftlichen Zeitschrift des Studienkreises befasst sich mit dem Aufstieg der NS-Bewegung und dem Ende der Weimarer Republik (informationen November 2020). Dabei verzichten die Autorinnen und Autoren auf kurzschlüssige Parallelen zur aktuellen Entwicklung in der Bundesrepublik. Steffen Raßloff warnt in seinem Beitrag über den NSDAP-Mustergau Thüringen, wo 1930 erstmals ein Nationalsozialist zum Minister ernannt wurde, ausdrücklich vor „teils heftig hinkenden Vergleichen“, wie sie unter anderem bei der kurzzeitigen Wahl des FDP-Politikers Kemmerich zum Ministerpräsidenten in Thüringen gezogen wurden.

Die in jeder Ausgabe der informationen zu findenden „Materialien für die historisch- politische Bildung“ geben wertvolle Anregungen für den Unterricht über die NS-Zeit. In der November-Ausgabe macht Fabian Meyer Vorschläge für eine Unterrichtseinheit zu den Boxheimer Dokumenten, die nach dem Boxheimer Hof, einem Landgut im hessischen Bürstadt, benannt wurden. Dort hatte der Gerichtsassessor Werner Best mit hochrangigen NSDAP-Funktionären am 5. August 1931 über einen Umsturzplan beraten, wonach jeder Widerstand gegen die zum Exekutivorgan ernannte SA mit der Todesstrafe oder der Erschießung „ohne Verfahren und auf der Stelle“ beantwortet werden sollte. Die taktische Distanzierung der Führung der NSDAP, die den „Standpunkt strengster Legalität“ beschwor, schadete Bests Karriere nach der Machergreifung nicht. Er wurde 1933 Staatskommissar für das Polizeiwesen in Hessen und übernahm das KZ Osthofen in seine Verantwortung. Später war er Stellvertreter von Reinhard Heydrich in der Führung des SD und Statthalter im besetzten Dänemark.

Über die Archivarbeit mit Schülerinnen und Schülern der Bert-Brecht-Schule in Darmstadt und die notwendige „Frustrationstoleranz“ berichtet Kirsti Ohr am Beispiel eines Falls „exzessiven Täterhandelns“ in Darmstadt: „Leerstellen, offensichtliche Lügen in Täterdokumenten, aber auch sich widersprechende Daten, neutrale bis distanzierte Aussagen von Angehörigen im juristisch formalistischen Entschädigungsverfahren verunsichern die Jugendlichen besonders.“ Doch genau dies, so bilanziert Kirsti Ohr, mache es möglich, „sich aktiv im Prozess der erinnernden Narration und der Gestaltung eines kulturellen Gedächtnisses“ zu erfahren.

Weitere Einzelbeiträge befassen sich mit dem Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold (Sebastian Elsbach), der Stadt Coburg als „erster nationalsozialistischer Stadt Deutschlands“ (Eva Karl) und der Ermordung des Hochschullehrers Theodor Lessing (Bernhard Schütz).

Alle Infos über den Bezug der Zeitschrift, das Archiv und die Ausstellungen des Studienkreises Deutscher Widerstand 1933-1945 und die Möglichkeiten, diesen finanziell zu unterstützen:

www.widerstand-1933-1945.de