OloV-Kongress

„Alles läuft super, alles ist Top-abgestimmt“!

Auf Einladung des hessischen Wirtschaftsministeriums fand am 10.11.2015 der diesjährige OloV-Kongress im Büsing-Palais in Offenbach statt

OloV = „Optimierung der lokalen Vermittlungsarbeit bei der Schaffung und Besetzung von Ausbildungsplätzen“
www.olov-hessen.de

Das Publikum, rund 200 Gäste, bestand aus  Vertretern der Wirtschaft, von Ministerien und Schulämtern sowie den regionalen OloV-Koordinatoren.

In den Eröffnungsreden betonte Tarek Al Wazir als Vertreter der Landesregierung, dass OloV (immerhin ein Kind der Koch-Regierung) in den Letzen Jahren „viel geleistet habe“. Mit Blick auf die Zukunft kündigte er an, dass OloV fortgeführt werde, aber die Verbindlichkeit von OloV –Maßnahmen durch Zielvereinbarungen erhöht werden sollen.

Ute Schmidt, Leiterin der im Kultusministerium neu geschaffenen Mammutabteilung aus beruflichen und allgemeinen Schulen, bezeichnete OloV als  ein „echtes Erfolgsmodell.“ Sie wies Kritik an der Zusammenlegung der Abteilungen zurück und krönte ihren Beitrag mit der Aussage „Alles was wir in Schule tun ist Berufsvorbereitung“.

Betont wurde von allen Rednern, dass das OloV-Konzept erfolgreich umgesetzt worden sei und die Arbeit in den regionalen Netzwerken von Wirtschaft, Gemeinden, Vertretern der Ministerien, Schulämtern sowie beruflichen und allgemeinen Schulen kontinuierlich und erfolgreich verlaufen sei.

Deshalb sei es gelungen, seit 2001 den Anteil der Schülerinnen und Schüler ohne Abschluss von damals 10,4% auf jetzt 4,3% zu senken (Anm.: OloV gibt es seit 10/2007!).

 In den Diskussionsrunden mit Vertretern von Kommunen, Wirtschaft, aus Betrieben, der Agentur für Arbeit, einem staatlichen  Schulamt und vom DGB gab es neben viel Lob aber auch Kritik und Forderungen. Hier die Zusammenstellung einiger Statements aus den Podiumsrunden:

Zur Situationsbeschreibung wurden als besondere Probleme festgestellt: Doppelt so viele  Schüler innen und Schüler mit Migrationshintergrund wie Deutsche fänden keinen Ausbildungsplatz, 25 % aller Auszubildenden brächen die Lehre vorzeitig ab.

Als eine Gruppe Verantwortlicher für die Probleme im Übergang wurden – wen wundert’s - die Lehrkräften benannt: Ihnen mangele es an Wissen über die Berufe, oft würden sie „versagen“, da sie im Durchschnitt auch zu alt seien. Schulen müssten die Elternarbeit verbessern, Lehrer sollten mehr Hausbesuche machen. Es sollten mehr Praktika für Schüler mit schlechten Noten angeboten werden. Positiv bewertet wurde die Rolle der Schulsozialarbeit.

An die Adresse des Kultusministeriums ging die Forderung nach mehr Landesmitteln für Personal zur Betreuung und Begleitung der Jugendlichen. Die Beschränkung auf ehrenamtliche Berater, wie sie die Landesregierung propagiert, reiche nicht aus. Im Gegensatz dazu wurde allerdings auch gefordert, mehr Rentner (Handwerker) ehrenamtlich zu Beratungszwecken in die Schulen zu schicken. Die Landesregierung solle außerdem ein Fach „Wirtschaft“ einführen, auch erwarte man von ihr mehr Unterstützungsangebote für die Ausbildung in kleinen Betrieben.

Vorgeschlagen wurde auch die Einführung von Jugendberufsagenturen nach Hamburger Vorbild.

In Richtung Wirtschaft wurde gefordert, dass sich die Unternehmen sich auf Jugendliche zu bewegen müssten („Ausbildungscoaches wie z.B. in Offenbach“). 

Fazit: Unter weitgehender Abwesenheit von Kolleginnen und Kollegen aus den Schulen klopfte man sich gegenseitig auf die Schultern und schwelgte in Eigenlob. Kritik wurde vor allem an den (abwesenden) Lehrkräften geübt, konkrete  Verbesserungsvorschläge wurden nur am Rand eingebracht. Die Empirie beschränkte sich auf Prozentzahlen zu Übergängen und Abbrüchen. Ergebnisse aus Studien, in denen die beteiligten Akteure und die Betroffenen befragt wurden, wurden nicht zur Kenntnis genommen. Was  völlig fehlte war die Rezeption wissenschaftlicher Forschungsergebnisse zu Übergängen und den dort praktizierten Konzepten sowie  die von den Instituten wie dem BiBB vorgeschlagenen Alternativen.

Die Lebensrealität Jugendlicher und die Veränderungen ihrer Lebensumwelt - Familie, Freizeit, elektronische Medien und die Folgen für Ausbildung und Beruf - wurden allenfalls am Rande erwähnt. Genau so wurde die schulische Realität ausgeblendet: Dass es ein Fach „Wirtschaft“ und Politik in Hessen gibt, haben insbesondere die Vertreter aus der Wirtschaft noch nicht wahrgenommen. Vollkommen ignoriert wurde das Fach „Arbeitslehre“, was immerhin als Leitfach für den Bereich der Berufsorientierung dienen kann. Der Auftrag der Schule wurde, z.B. von der Vertreterin des Kultusministeriums, allein auf die „Berufsvorbereitung“ reduziert.  Gesellschaftliche Zukunftsmodelle und die Folgen, die sie für die gesamte Lebensplanung von Kindern und Jugendlichen haben, spielten für die Akteure auf diesem Kongress – wenn überhaupt – nur eine untergeordnete Rolle. 

Für die sog. „OloV-Strategie“, war bisher die Unverbindlichkeit – oder,  positiv ausgedrückt, die Offenheit - eine Stärke, weil es möglich war, sich die jeweils nützlichen Teile herauszusuchen und anzuwenden. Wenn aber – wie von Tarek Al Wazir angekündigt – demnächst Zielvereinbarungen getroffen werden sollen, wird das die Akzeptanz von Olov  - zumindest in den Schulen nicht erhöhen. Ob sich Betriebsleitungen und Ausbilder in solche „Zielvereinbarungen“ einbinden lassen, ist mehr als fraglich. Zielvereinbarung setzen, wenn sie erfolgreich sein sollen, gleichberechtigte Partner voraus. Wenn sie – wie oft an Schulen – par ordre de mufti – erfolgen, bleiben Eigeninitiative und Kreativität auf der Strecke. Aber das ist ja an Schulen sowieso weniger erwünscht, wie die in den letzten Jahren inflationär in Kraft gesetzten umfangreichen Erlasse zum Bereich Berufsorientierung zeigen.