Schulreinigung in Hessen

Mangelhafte Hygiene und prekäre Beschäftigung des Personals

HLZ 9-10/2021: Privatisierung

Ob in Berlin, Krefeld, Lüdenscheid, Pinneberg, Witten oder vielen anderen Orten: Die unzureichende Schulreinigung war in den vergangenen Jahren immer wieder Thema in den lokalen und zum Teil auch in den überregionalen Medien. Wesentlicher Grund dafür ist die Privatisierung von Reinigungsleistungen durch die Kommunen. Anstatt die entsprechenden Dienstleistungen durch öffentlich Beschäftigte erbringen zu lassen, werden damit meist private Reinigungsunternehmen beauftragt.

Die Gebäudereinigung ist mit gut 680.000 Beschäftigten (2019) das beschäftigungsstärkste Handwerk in Deutschland. Seit den 1970er Jahren ist hier ein großer Beschäftigungszuwachs erfolgt, und zwar wesentlich aufgrund der wachsenden Auslagerung der Reinigung und der Vergabe an private Dienstleistungsunternehmen durch öffentliche Einrichtungen und Kommunen.

Diese Privatisierungen haben – was die Motive angeht – zwei Seiten. Durch die öffentliche Hand wurde und wird die Privatisierung der Gebäudereinigung damit begründet, dass private Unternehmen wirtschaftlicher arbeiten würden, weswegen die Reinigung der Schulgebäude unter dem Strich kostengünstiger sei. Und das Reinigungshandwerk hat ein Interesse daran, öffentliche Aufgaben zu übernehmen, weil es sich hiervon Gewinne verspricht, zumal die öffentliche Hand verlässliche und kaum risikobehaftete Einnahmen garantiert.

Tatsächlich treten nach der Privatisierung meist erhebliche Qualitätsmängel bei der Reinigung auf, und außerdem verschlechtern sich die Arbeitsbedingungen und die Bezahlung. Dies hängt im Wesentlichen mit der sehr hohen Wettbewerbsintensität in der Reinigungsbranche zusammen. Der Wettbewerb erfolgt vor allem über die Personalkosten, die bei über 70 Prozent liegen. Die überwiegende Mehrheit der Arbeitskräfte arbeitet trotz allgemeinverbindlicher Mindestlöhne im Niedriglohnsektor.

Im Wettbewerb um Aufträge versuchen Unternehmen der Reinigungsbranche in der Regel mit dem niedrigsten Preis erfolgreich zu sein. Über die sogenannte Flächenleistungsverdichtung werden die Angebotspreise gesenkt. Die kalkulierte Arbeitszeit wird verkürzt, indem der Preis bezüglich der Flächenleistung verringert wird. Die Arbeit wird dadurch massiv verdichtet, der Zeitdruck für die Reinigungskräfte nimmt zu und letztlich leidet so die Qualität der Leistung. Verbreitet sind zudem Vergütungen nach gereinigten Objekten, Räumen oder Flächen, für deren Reinigung zu wenig Zeit einkalkuliert wird (sogenannte „Objektlöhne“). Dies führt unter Umständen dazu, dass sogar der Mindestlohn unterlaufen wird, was einen Gesetzesverstoß darstellt.

Qualitätsmängel in Folge von Privatisierungen

Mit dem Ausbruch der Corona-Krise ist die hygienische Situation in den Schulen auch in Hessen in den Mittelpunkt der medialen Aufmerksamkeit gerückt. Die meisten Schul­träger haben darauf reagiert – so etwa mit Desinfektionsmittel, zusätzlichem Geld für Reparaturen der Sanitäranlagen und Präsenz-Reinigungskräften für Schultoiletten. Dies hat in der Regel zu spürbaren Verbesserungen geführt.

Das Problem von unsauberen Schulen ist allerdings schon vor Ausbruch der Corona-Pandemie in der öffentlichen Berichterstattung präsent gewesen. Dieses Problem verlangt langfristig angelegte Lösungen. So wurde in den vergangenen Jahren immer wieder darüber berichtet, dass Kinder aufgrund von Hygienemängeln den Gang auf die Schultoilette scheuen. Bauliche und hygienische Unzulänglichkeiten gehen hier häufig Hand in Hand. Dabei sind verdreckte und stinkende Schultoiletten nur die Spitze des Eisbergs, denn Klagen über eine unzureichende Reinigung waren und sind auch mit Blick auf Klassen- und Lehrerzimmer oder Sporthallen zu hören. Wie groß das Problem ist, zeigt eine bundesweite und repräsentative Umfrage im Auftrag der GEW aus dem vergangenen Jahr, die auch Ergebnisse für die einzelnen Bundesländer enthält. Gut 70 Prozent der Befragten in Hessen teilten die Einschätzung, dass die hygienische Grundausstattung an Schulen vor der Corona-Pandemie durch die Politik vernachlässigt wurde. Und 80 Prozent sind der Auffassung, dass die hessischen Schulen auch über die Pandemie hinaus stärker auf die hygienischen Grundvoraussetzungen achten sollten.

Auch für Hessen gilt, dass die Qualität der Schulreinigung mit der Frage zusammenhängt, ob Privatfirmen beauftragt werden oder ob kommunal Beschäftigte diese Arbeit übernehmen. Die meisten Schulträger greifen auf private Firmen zurück, aber es gibt Ausnahmen wie den Schwalm-Eder-Kreis oder den Landkreis Kassel, die auf eine Privatisierung verzichten.

Ein besonders negatives Beispiel für die Folgen der Privatisierung der Schulreinigung ist die Stadt Frankfurt. Hier taucht das Problem dreckiger Schulen immer wieder in der Presse auf. So meldete sich im April des vergangenen Jahres der Personalrat der Paul-Hindemith-Schule zu Wort: Handtücher, Seife und Toilettenpapier fehlten in den Sanitäranlagen, Lehrkräfte müssten ihr eigenes Klopapier mitbringen, ein Schüler habe sich wegen einer toten Maus in der Toilette übergeben müssen – und generell würden die verdreckten Sanitäranlagen von den meisten Schülerinnen und Schülern sowieso gemieden.

Ende April dieses Jahres geriet die Schulreinigung der Stadt Frankfurt dann wieder in die Schlagzeilen. Im Rahmen einer Großrazzia im Rhein-Main-Gebiet hatten Zoll und Steuerfahndung Ende April einen Schwarzarbeitsring zerschlagen. Involviert in diesen Ring war die Firma APEG Gebäude-Service GmbH, deren Geschäftsbetrieb infolge der Razzia zum Erliegen kam. Die Firma hatte ausschließlich Aufträge der Stadt Frankfurt erfüllt, dabei wurden mehr als 50 und damit rund ein Drittel der Schulen im Frankfurter Stadtgebiet gereinigt. Zwar nicht an allen, aber doch an einigen dieser Schulen kam es zu Problemen mit der Schulreinigung. An der Münzenberger Schule, an der Laura Preusker, mit Sebastian Guttman Vorsitzende des GEW-Bezirksverbands Frankfurt, arbeitet, fiel die Reinigung für rund 14 Tage fast vollkommen aus:

„Nur unsere Corona-Präsenzreinigungskraft war noch da. Die Toiletten haben so sehr gestunken, dass die Kinder nicht mehr aufs Klo gehen wollten. So etwas ist in Anbetracht von Covid-19 eigentlich kaum zu glauben. Ich frage mich, ob meine Schule nicht eigentlich aufgrund hygienischer Mängel hätte geschlossen werden müssen.“

Frankfurt, Kassel, Vogelsbergkreis und anderswo

Das in Frankfurt zuständige Dezernat für Bauen und Immobilien, das derzeit noch vom CDU-Kreisvorsitzenden Jan Schneider geleitet wird, hat die Öffentlichkeit über diesen Sachverhalt nicht aufgeklärt. Erst Recherchen und eine entsprechende Pressemitteilung der GEW Hessen haben diesen Skandal, der jetzt auch die Stadtverordnetenversammlung beschäftigt, öffentlich gemacht.

Der Vogelsbergkreis ist Träger von 38 Schulen. Die Schulreinigung erfolgt hier zum Teil durch private Firmen und zum Teil durch direkt beim Kreis beschäftigte Personen. Sigrid Krause hat viele Jahre an der Gesamtschule in Mücke unterrichtet und kann als langjähriges Kreisvorstandsmitglied die Situation in ihrem Landkreis gut einschätzen:

„Es ist ganz klar so, dass durch kommunales Personal gereinigte Schulen besser dastehen. Das ist auch der Schulverwaltung und den politisch Verantwortlichen bekannt. Die private Reinigung ist zum Teil katastrophal. An meiner früheren Schule war das nach der Privatisierung der Reinigungsleistungen auch so, der Wechsel von kommunal zu privat hat die hygienischen Zustände deutlich verschlechtert. Es ist zu anhaltenden Protesten gekommen. Der Kreis hatte schließlich ein Einsehen, so dass seit August des vergangenen Jahres wieder kreiseigenes Personal an der Gesamtschule Mücke arbeitet.“

Der Landkreis Kassel reinigt alle seine Schulen mit eigenen und nach dem TVöD bezahlten Arbeitskräften. Allerdings stand der Landkreis zwischenzeitlich unter Druck, dies zu ändern: Der Hessische Rechnungshof hatte dem Kreis empfohlen, seine Schulreinigung zu privatisieren, da dies günstiger sei. Der politische Druck war so groß, dass ein Pilotprojekt durchgeführt wurde, über das die Vorsitzende der GEW im Landkreis Kassel Katja Groh, die an einer Grundschule im Landkreis unterrichtet, berichtet:

„Die Qualität der Schulreinigung im Rahmen des Pilotprojekts war allerdings so schlecht, dass der Landkreis zum Glück von der Idee der Privatisierung Abstand genommen hat. Wäre unser Schulträger der Empfehlung des Hessischen Rechnungshofs gefolgt, dann hätten wir hier jetzt die gleichen Probleme wie in der Stadt Kassel, die als eigenständiger Schulträger ja seine Schulreinigung privatisiert hat. Der hygienische Zustand der Schulen dort ist in der Regel miserabel.“

Auch nach dem Verzicht auf die Privatisierung läuft für Katja Groh längst nicht alles optimal:

„Die Vorgaben für das beim Kreis beschäftigte Reinigungspersonal sind nach meiner Auffassung viel zu streng. Den Reinigungskräften fehlt bei den bestehenden Vorgaben natürlich auch die Zeit für eine gründliche Reinigung. Und wenn eine Reinigungskraft ausfällt, dann bleibt es dreckig. Oder die anderen Reinigungskräfte an der Schule müssen im gleichen Zeitrahmen die Räume ‚mitübernehmen‘. Entsprechend weniger Zeit bleibt für alles. Was dann liegenbleibt, muss ich übernehmen. Das ist keine Lösung! Der Landkreis muss Personalreserven für Krankheitsfälle und andere Ausfälle vorhalten. Ich bin mir für solche Arbeiten grundsätzlich nicht zu schade. Aber das gehört einfach nicht zu meinen Aufgaben. Ich werde dafür bezahlt, Kinder zu unterrichten!“

Für die Kinder sei es auch aus erzieherischen Gründen sinnvoll, „ihre“ Reinigungskraft zu kennen:

„Dann steht hinter dem produzierten Dreck eine konkrete Person, die das Ganze nachher beseitigen muss. Das hebt die Hemmschwelle für destruktives ‚Einsauen‘, z.B. auf den Toiletten. Ich schreibe mit meinen Schülerinnen und Schülern regelmäßig Dankeschön-Karten und Grüße an die Reinigungskraft, damit klar ist, dass der Dreck, den wir hinterlassen, nicht automatisch verschwindet, sondern eine Person dahinter steht. Das geht nur, wenn die Reinigung in kommunaler Hand bleibt! Und es ist auch klar, dass eine gewissenhaft gepflegte Schule ihren Immobilienwert länger erhalten kann!“


Kai Eicker-Wolf