Schwarz-grüne Schulpolitik - Viele Ankündigungen, wenig erreicht und noch viel zu tun

HLZ Juni 2023

Die zweite Legislaturperiode mit einer Koalition aus CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN neigt sich dem Ende zu. Hier soll kein Versuch unternommen werden, diese umfassend kritisch zu würdigen, vielmehr soll die Koalition an den eigenen Ankündigungen gemessen werden (1). Dazu werden gezielt Aussagen aus dem Koalitionsvertrag aufgegriffen, denen wir in der GEW eine besondere Bedeutung zugemessen haben.


Der Pakt für den Ganztag


„Im Zusammenhang mit der Einführung des auf Bundesebene vereinbarten Rechtsanspruchs auf Ganztagsbetreuung im Grundschulalter wollen wir die Schulen in Hessen in die Lage versetzen, dass sie den Rechtsanspruch erfüllen können. Dafür werden wir allen Grundschulen und Grundstufen von Förderschulen den Weg in den ‚Pakt für den Ganztag‘ eröffnen und die erforderlichen Ressourcen zur Verfügung stellen. Außerdem wollen wir den Schulträgern die Option eröffnen, die Einrichtung ganztägig arbeitender Schulen verbindlich in ihren Schulentwicklungsplänen zu regeln.“ (S. 78)


Mit der jüngsten Novellierung des Schulgesetzes wurde den Schulträgern genau dies ermöglicht. Nebenbei hat die Schulverwaltung allerdings auch das Recht erhalten, dabei die Schulkonferenz zu übergehen. Die GEW sieht dadurch die schulischen Mitbestimmungsrechte ausgehebelt. Das Hauptproblem bei der Erfüllung des Rechtsanspruchs dürfte allerdings die Personalgewinnung darstellen, denn es mangelt sowohl an Grundschullehrkräften wie an Erzieherinnen und Erziehern. Die Landesregierung bemüht sich nun sichtbar, die Verantwortung für das drohende Scheitern auf die kommunalen Schul­träger abzuschieben.


Lehrerbildung aus einem Guss


„Ziel ist eine Lehrerbildung aus einem Guss, die die aktuell in der Bildungspolitik relevanten Themen wie die Integration von Schülerinnen und Schülern nichtdeutscher Herkunftssprache, Inklusion, Medienbildung und Digitalisierung, Lesen-Schreiben-Rechnen, sozialpädagogische Förderung, berufliche Orientierung sowie Ganztag stärker aufgreift. Dafür werden wir bis zur Mitte der Legislaturperiode eine Novelle des Lehrerbildungsgesetzes auf den Weg bringen. (…) werden wir auch prüfen, ob eine zeitliche Ausweitung des bislang 6-semestrigen Lehramtsstudiums für Grundschule erforderlich ist. “ (S. 82)


Die Novellierung des Gesetzes erfolgte später als angekündigt, nämlich erst in der zweiten Hälfte der Legislaturperiode. Dabei wurden die genannten Themen, über deren Wichtigkeit kein Zweifel besteht, aufgenommen. Aus nicht nachvollziehbaren Gründen ist die Koalition bei ihrer Prüfung aber offensichtlich zu dem Ergebnis gekommen, dass diese zusätzlichen Inhalte nach wie vor in sechs Semestern zu bewältigen sind. So bleibt Hessen eines der Bundesländer mit der kürzesten Studiendauer im Lehramt an Grundschulen, ebenso beim Lehramt an Haupt- und Realschulen. Nach Auffassung der GEW wäre eine Verlängerung der Studiendauer erforderlich gewesen, um die zusätzlichen Inhalte ernsthaft behandeln zu können und die Qualität der Ausbildung zu verbessern.


Lehrkräfte entlasten


„Lehrerinnen und Lehrer sollen durch Verwaltungskräfte von bürokratischen Aufgaben entlastet werden. (…) Wir streben eine Entbürokratisierung durch Straffung und Abschaffung von Berichts- und Dokumentationspflichten an.“ (S. 84)


Dem Autor ist nicht bekannt, dass irgendwelche Berichts- und Dokumentationspflichten abgeschafft oder zumindest gestrafft wurden. Mit der Erfassung der Fehlzeiten (FLiS) ist vielmehr eine weitere Dokumentationspflicht hinzugekommen. Unsere Arbeitszeit- und Arbeitsbelastungsstudie an Frankfurter Schulen hat aufgezeigt, dass rund ein Drittel der Arbeitszeit auf unterrichtsferne Tätigkeiten entfällt. Es besteht also weiter Handlungsbedarf, damit sich Lehrkräfte auf ihr Kerngeschäft konzentrieren können, den Unterricht.


Klassen verkleinern


„Um auf spezifische Förderbedarfe eingehen zu können, wollen wir erreichen, dass künftig jeder 3. Klassenzug an Grundschulen nicht mehr als 20 Schülerinnen und Schüler hat.“ (S. 86)


Diese Ankündigung hat Fragen bezüglich der genauen Ausgestaltung aufgeworfen. Gleichwohl wurde von der GEW begrüßt, dass endlich Bewegung in die Diskussion um kleinere Klassen kommt, denn diese Forderung hatte der Kultusminister zuvor kategorisch zurückgewiesen. Die Hattie-Studie habe schließlich aufgezeigt, dass kein signifikanter Einfluss der Gruppengröße auf die Lernergebnisse besteht. Doch diese Ankündigung hat die Koalition klammheimlich kassiert. Ein wachsender Personalbedarf, nicht zuletzt wegen der eingeführten zusätzlichen Deutschstunde, stünde einer Umsetzung entgegen.


Politische Bildung stärken


„Wir möchten einen durchgängigen Politikunterricht an allen weiterführenden Schulen sicherstellen und treten für eine Stärkung des Faches ‚Politik und Wirtschaft‘ ein. Ebenso wie das Fach Geschichte soll dieses Fach nicht abwählbar sein.“ (S. 88)


Diese Ankündigung wurde mit der Neufassung des Schulgesetzes umgesetzt. Schülerinnen und Schüler, die ab dem Schuljahr 2023/24 in die Einführungsphase eintreten, müssen PoWi durchgängig belegen. Dieser Pflicht können sie ersatzweise mit der Belegung von Geographie nachkommen. Damit wurde eine wichtige Forderung der GEW zur Stärkung der politischen Bildung umgesetzt. Für die politische Bildung an anderen Schulformen wurde hingegen kaum etwas getan – obwohl der Bedarf dort mindestens genauso groß ist.


Roman George

(1) CDU Hessen/BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Hessen (2018): Aufbruch im Wandel durch Haltung, Orientierung und Zusammenhalt. Koalitionsvertrag für die 20. Legislaturperiode.