Verordnung Klassengrößen

Stellungnahme der GEW Hessen ans Kultusministerium

22. Februar 2017

Foto: Manfred Jahreis, pixelio.de

Die Arbeits- und Lernbedingungen an Schulen hängen maßgeblich von der Größe der Klassen ab. Kleinere Klassen sind nicht zuletzt notwendig, um gelingende individuelle Förderung, inklusive Beschulung und Sprachförderung zu ermöglichen. Für die hessischen Schulen regelt die „Verordnung über die Festlegung der Anzahl und der Größe der Klassen, Gruppen und Kurse in allen Schulformen“, wie viele Schülerinnen und Schüler eine Klasse mindestens umfassen muss und ab welcher Zahl eine Klassenteilung erfolgt. Die geltende Verordnung aus dem Jahr 2011 soll nun überarbeitet werden. Es sind nur wenige Verbesserungen geplant, so die Reduzierung der Schülerhöchstzahl an Integrierten Gesamtschulen mit Binnendifferenzierung auf 25. Andererseits sind auch Verschlechterungen vorgesehen, etwa bei Lerngruppen mit erhöhtem Praxisbezug an allgemeinbildenden Schulen.

Die GEW Hessen fordert in ihrer Stellungnahme an das Kultusministerium eine Reduzierung der Mindest- und Höchstzahlen an allen Schulformen – insbesondere in Klassen, in denen inklusiv unterrichtet wird.

Stellungnahme zum Entwurf der „Verordnung über die Festlegung der Anzahl und der Größe der Klassen, Gruppen und Kurse in allen Schulformen“ 

Im Wesentlichen schreibt der Entwurf die bisher geltenden Festlegungen der Klassen-, Gruppen- und Kursgrößen der alten Verordnung von 2011 fort. Bereits an dieser Verordnung hat die GEW Hessen erhebliche Kritik geübt, die auch weiterhin Gültigkeit hat. Auch wenn es kleine Schritte in die richtige Richtung gibt – wie die Begrenzung der Klassengröße an Integrierten Gesamtschulen mit Binnendifferenzierung auf maximal 25 – so sind doch die nach wie vor zu hohen Obergrenzen zu bemängeln.

Klassen- und Kursgrößen von mehr als 25 Schülerinnen und Schülern sind für die GEW Hessen in allen Schulformen inakzeptabel. Diese Höchstgrenze muss perspektivisch weiter reduziert werden. Zu große Klassen sind wesentlich mit verantwortlich für die Arbeitsüberlastung, die von vielen Lehrkräften nicht nur beklagt, sondern auch deutlich nachgewiesen werden kann. Sie bedeuten weniger Zeit für individuelle Förderung, Betreuung und Zuwendung pro Schülerin oder Schüler, bringen einen erhöhten Korrekturaufwand mit sich und führen zu einer beengten Raumsituation mit den bekannten Folgen hinsichtlich des Lärmpegels, der räumlichen Enge und der größeren Unübersichtlichkeit.

Für den „Gemeinsamen Unterricht“ von behinderten und nichtbehinderten Kindern oder Jugendlichen galt bis 2011 eine Höchstgrenze von 20 Schülerinnen und Schülern pro Klasse. In dieser Verordnung findet sich nichts dazu. Inklusive Beschulung erfordert jedoch intensivere Zuwendung und Betreuung der Schülerinnen und Schüler mit Förderbedarf. Auch haben die Lehrkräfte einen deutlich höheren Aufwand für Gutachten, Förderpläne und Förderberichte sowie textbasierte Zeugnisse zu bewältigen. All das kostet Zeit. Je größer die Klassen sind, desto weniger Zeit steht für den einzelnen Schüler oder die einzelne Schülerin zur Verfügung. Damit Lehrkräfte aber den Bedürfnissen aller Kinder und Jugendlichen gerecht werden können, benötigen wir kleinere Klassen und mehr Zeit.

Die angemessene Umsetzung des Anspruchs auf sonderpädagogische Förderung an Förderschulen benötigt ebenfalls kleinere Lerngruppen. Seit Jahrzehnten hat sich an den Klassengrößen für die Bereiche „emotionale und soziale Entwicklung“ und „Lernen“ nichts verändert, obwohl festzustellen ist, dass es zunehmend Schülerinnen und Schüler an Förderschulen gibt, die zusätzlich zu ihrem festgestellten Anspruch auf sonderpädagogische Förderung auch darüber hinaus gehende Beeinträchtigungen haben, die bei Unterricht, Förderung und sonderpädagogischer Unterstützung angemessen berücksichtigt werden müssen. Aus diesem Grund fordert die GEWHessen für die Bereiche „Lernen“ und „emotionale und soziale Entwicklung“, die Klassenhöchstgrenze auf 12 und die Klassenmindestgrenze auf 6 zu reduzieren.

Die gleichen Argumente gelten für Klassen mit vielen Seiteneinsteigerinnen und Seiteneinsteigern. Laut Verordnung zur Gestaltung des Schulverhältnisses haben Schülerinnen und Schüler in Intensivklassen 28 Stunden Unterricht in der Sekundarstufe I und 20 Stunden in der Grundschule. Wir erwarten, dass diese Verordnung umgesetzt wird und für jede Intensivklasse die genannte Stundenzahl zugewiesen wird. Wir halten die mehrfachen Kürzungen der Stundenzuweisung für Intensivklassen und -kurse sowie die Nachförderung für falsch. Inzwischen beträgt diese nur noch 22 Stunden an den weiterführenden Schulen und 18 Stunden an den Grundschulen. Oft erhöht sich daher auch
in den Regelklassen die Anzahl der Schülerinnen und Schüler für diese Stunden über die Höchstgrenze hinaus, weil die Intensivklassen eine Extrazuweisung erhalten und nicht in der Grundunterrichtsversorgung berücksichtigt sind. Wir möchten nochmals darauf hinweisen, dass wir auch in Intensivklassen und InteA-Klassen die Zahl von 16 bzw. 20 Schülerinnen und Schüler für zu hoch erachten. Dieses gilt insbesondere für Angebote im Bereich der Alphabetisierung. Die GEW Hessen tritt dafür ein, dass die Höchstzahl für alle Intensiv- und InteA-Klassen auf 12 Schülerinnen und Schüler begrenzt wird.

Deshalb, und auch wegen des zusätzlichen Förderaufwands für die Beschulung dieser Kinder und Jugendlichen in den Regelklassen fordert die GEW Hessen für Klassen mit inklusiven Unterricht – und wir meinen damit auch Seiteneinsteigerinnen und -einsteiger – die Höchstzahle auf 20 Schülerinnen und Schüler zu reduzieren. Die pädagogische Arbeit in den Grundschulen benötigt kleine Gruppen, um die Schülerinnen und Schüler individuell fördern und unterstützen zu können. Die durchschnittliche Klassengröße in hessischen Grundschulen erhöhte sich in diesem Schuljahr auf über 20 Schülerinnen und Schüler pro Klasse. Insbesondere im Rhein-Main-Gebiet liegt die reale Zahl
jedoch deutlich höher und erreicht sehr häufig die Höchstgrenze von 25 oder mehr. Diese Schulen liegen oft in „sozialen Brennpunkten“, gerade ihre Schülerinnen und Schüler haben aufgrund ihrer sozio-kulturellen Situation einen besonderen Förder- und Unterstützungsbedarf. Deshalb fordert die GEWfür Klassen an Grundschulen die Höchstgrenze auf 20 zu reduzieren.

Die Festlegung in § 1 Abs. 1 Satz 2, dass Schulen von den Schülerhöchstzahlen nach Satz 1 abweichen können sollte aus Sicht der GEW Hessen gestrichen werden. Es wird zudem nach wie vor nicht geregelt, wer die Entscheidung über eine Abweichung trifft und wer in die Entscheidungsfindung einbezogen wird. So wird in der Verordnung nur der Begriff „Schule“ verwendet.

Vor dem Hintergrund des bestehenden Mangels an Grundschullehrkräften befürchtet die GEW Hessen, dass insbesondere in Grundschulen die Höchstgrenze dauerhaft überschritten wird. Wenn die Zuweisung nicht ausreicht, Stellen nicht zu besetzen sind oder aus anderen Gründen nicht genügend Lehrkräfte vorhanden sind, wird es allein Angelegenheit der Schule sein, für eine möglichst umfassende Unterrichtsabdeckung zu sorgen. Die Entscheidungsfreiheit über die Gruppengröße im Rahmen der Verordnung an die Schulen zu verlagern bedeutet, dass im Zweifel oder bei Konflikten die Schulleitung beziehungsweise die Schule alleine verantwortlich gemacht werden kann.
Die Mindestzahl für Schülerinnen und Schüler an Abendhaupt- und Abendrealschulen wird in Anlehnung an die regulären Hauptschulen auf 13 angehoben. Anscheinend soll sich aber an der Stundenzuweisung nichts ändern. Wir möchten an dieser Stelle darauf hinweisen, dass die neu aufgenommene Regelung nicht dazu führen darf, dass eine Abendhaupt- und Abendrealschule, die 26 Schülerinnen und Schüler aufweist, zwar zwei Klassen bilden muss,
aber in der Zuweisung nur 1,2 Stunden mehr erhält. Hier muss das Kultusministerium prinzipiell sicherstellen, dass die volle Zuweisung für die zusätzlich eröffnete Klasse tatsächlich erfolgt.

Bei Lerngruppen mit erhöhtem Praxisbezug an Hauptschulen, Integrierten Gesamtschulen und Kooperativen Gesamtschulen gibt es eine Erhöhung im Vergleich zu entsprechenden Regelungen in der alten Verordnung. Die GEW Hessen lehnt diese Erhöhung ab und fordert analog zu vergleichbaren Lerngruppen an beruflichen Schulen, die Mindestgrenze auf 9 und die Höchstgrenze auf 16 Schülerinnen und Schüler herabzusetzen. Gerade die Schülerinnen und Schüler, die in diesen Lerngruppen mit erhöhtem Praxisbezug lernen, brauchen eine individuelle und intensive Begleitung und Betreuung. Auch die Anhebung der Mindestzahl bei PuSch B hält die GEW Hessen für nicht richtig.

Für die GEWHessen ist die neu aufgenommene Regelung für Schulen, deren Zügigkeit nach Schulentwicklungsplan des Schulträgers begrenzt ist, nicht nachvollziehbar. Die Gründe dafür, eine Zügigkeit und damit die Klassenzahl zu begrenzen, sind für den Schulträger in der Regel der zur Verfügung stehende Raum. Werden zusätzliche Schülerinnen und Schüler aufgenommen, können an diesen Schulen prinzipiell keine neuen Klassen gebildet werden, da kein Raum zur Verfügung steht. Die Anzahl der Schülerinnen und Schüler einer Klasse übersteigt dann die Höchstgrenze dauerhaft. Dies führt zu einer beengten Raumsituation mit den bereits oben erwähnten Belastungen betreffend Lärmpegel, räumliche Enge und größere Unübersichtlichkeit. Damit verschlechtern sich die Arbeitsbedingungen für die Lehrkräfte und die Lernbedingungen für die Schülerinnen und Schüler.

Stellungnahme