Wichtigste Punkte der Gesetzesnovelle

Novellierung des Schulgesetzes

Anfang Oktober 2016 stellten Armin Schwarz und Mathias Wagner, die schulpolitischen Sprecher der Koalitionsparteien CDU und Grüne, gemeinsam mit Kultusminister Alexander Lorz den Entwurf zur Novellierung des Hessischen Schulgesetzes (HSchG) vor. Damit entschied sich die Koalition auch dafür, die Ergebnisse der noch laufenden Enquetekommission Bildung, deren Abschlussbericht Anfang 2017 zu erwarten ist, zu ignorieren. Zur öffentlichen Anhörung im Kulturpolitischen Ausschuss des Landtags am 8. Februar 2017 sind auch die GEW Hessen und der Hauptpersonalrat der Lehrerinnen und Lehrer eingeladen.

In einer ersten Stellungnahme sprach Maike Wiedwald, stellvertretende Vorsitzende der GEW Hessen, von „kleinteiligen Änderungen des Schulgesetzes“. Einen „konsequent am Ziel der Bildungsgerechtigkeit ausgerichteten großen Wurf“ könne die GEW nicht erkennen. Informationen und Einschätzungen zum Bereich der Ganztagsangebote findet man im Artikel "Kein großer Wurf. Ganztagsschule im Entwurf zur Schulgesetzänderung". Mit der „Zementierung des Pakts für den Nachmittag“ beschreite die Koalition den falschen Weg, da der Pakt lediglich „ein zusätzliches, oft kostenpflichtiges Betreuungsangebot“ vorsehe.

Im Folgenden stellt HLZ-Redakteur Harald Freiling die wichtigsten Punkte der Gesetzesnovelle vor und gibt eine erste Einschätzung aus gewerkschaftlicher Perspektive. Der GEW-Landesvorstand wird in seiner Sitzung am 26. Januar über die Stellungnahme der GEW beschließen. Die folgende Darstellung folgt weitgehend der Reihenfolge der Paragrafen des Schulgesetzes.

Verbot von Werbung an Schulen (§ 3 Abs.15 neu)

Im Schulgesetz soll erstmals festgelegt werden, dass Werbung in der Schule „unzulässig“ ist. Diese Ergänzung ist mit Sicherheit auf die vielfältigen Hinweise und Proteste der GEW, aber auch auf die zahlreichen Anfragen der SPD-Fraktion zurückzuführen. Allerdings soll das Sponsoring vom Hessischen Kultusministerium (HKM) dann zugelassen werden können, „wenn eine Beeinflussung sowie der Anschein einer Einflussnahme auf Schule und Unterricht ausgeschlossen ist und das Sponsoring nicht im Widerspruch zu den Bildungs- und Erziehungszielen nach diesem Gesetz steht“. Die Genehmigung von Ausnahmen kann auch an die Schulämter übertragen werden. Hier ist aufgrund mehrerer Fehlentscheidungen des HKM in der laufenden Wahlperiode weiter Wachsamkeit angebracht.

Berufs- und Studienorientierung  (§ 5 Abs. 2 neu)

Die „Berufs- und Studienorientierung“ in der Sekundarstufe I soll im Schulgesetz festgeschrieben werden. Die „Vermittlung der entsprechenden fachlichen und überfachlichen Kompetenzen“ soll „Teil des Unterrichts in allen Unterrichtsfächern“ sein. Beim „Bildungsgipfel“ hatte sich die GEW dagegen für eine „Arbeits- und Lebensweltorientierung“ stark gemacht, die als Querschnittsaufgabe Sache der allgemeinen Schule sein muss.

Ganztagsangebote (§ 15)

Die Analyse von Maike Wiedwald (HLZ 12/2016) ist auch auf der Homepage der GEW verfügbar. Eine Ergänzung der bestehenden Regelungen zu den Ganztagsangeboten sieht vor, dass schulische Betreuungs- und Förderangebote auch in den Ferien stattfinden können. Maike Wiedwald hält es dagegen für „völlig inakzeptabel, Lehrkräften weitere zusätzliche Aufgaben aufzubürden“ (HLZ 12/2016). Die „Zustimmung zum Antrag auf Errichtung einer Ganztagsschule“ wird ausdrücklich in den Katalog der Rechte der Gesamtkonferenz aufgenommen (§ 133 Punkt 13 neu).

Hauptschulen (§ 23 Abs. 6)

Die Regelung, dass „bestehende eigenständige Hauptschulen (…) in eine andere Schulform überführt“ werden und keine neuen errichtet werden sollen, ist weitgehend ohne praktische Relevanz. Eigenständige Hauptschulen, die weder mit einer Grundschule noch einer Realschule verbunden sind, gibt es in Hessen nur noch fünf mal, davon drei in Frankfurt, die jedoch schon im laufenden Schuljahr keine neuen Schülerinnen und Schüler aufgenommen haben.

Gymnasien (§ 24)

Nach der Abkehr der CDU von der Verkürzung des gymnasialen Bildungsgangs (G8) entstand in Hessen ein Flickenteppich aus G8- und G9-Gymnasien und einem Parallelangebot an ein- und derselben Schule. Diese drei Optionen werden jetzt auch im Schulgesetz festgeschrieben. Die Entscheidung trifft die Schulkonferenz mit Zweidrittelmehrheit. Die GEW tritt weiterhin für eine einheitliche Schulzeit von neun Jahren im gymnasialen Bildungsgang ein.

Integrierte Gesamtschulen (§ 27 Abs.3)

Die Hürden, an einer IGS die Fachleistungsdifferenzierung zugunsten eines binnendifferenzierten Unterrichts abzubauen, sollen gesenkt werden. Völlig entgegengesetzt kann die Gesamtkonferenz einer IGS künftig aber ausdrücklich beschließen, „in den Jahrgangsstufen 9 und 10 abschlussbezogene Klassen zu bilden“. Die Ankündigung der Koalition, dass es für binnendifferenziert unterrichtete Klassen eine niedrigere Klassenobergrenze geben soll, ist nicht Bestandteil der Gesetzesnovelle.

Gymnasiale Oberstufe (§ 144a, Abs. 2)

Noch 2015 hatte die Koalition einen Gesetzentwurf der SPD-Fraktion abgelehnt, der vorsah, dass zukünftig auch wieder eigenständige gymnasiale Oberstufen eingerichtet werden können. Die Koalition will dies jetzt zwar wieder zulassen, bindet die Errichtung aber an „eine Jahrgangsbreite von mindestens 160 Schülerinnen und Schülern“. Diese sollen „vorrangig“ aus den „Schulen der Mittelstufe (Sekundarstufe I) des jeweiligen Schulverbunds“ kommen, das heißt nicht von grundständigen Gymnasien mit einer eigenen Oberstufe.

Berufliche Schulen (§ 39 ff)

§ 41 Abs. 6 sieht den Wegfall der ein­jährigen Berufsfachschule vor. Das derzeit in wenigen Schulen erprobte Modell der Berufsfachschule für den Übergang in Ausbildung (BÜA) wird von der GEW als problematisch angesehen. Die Fachgruppe Berufliche Schulen der GEW wird die Änderungen im berufsbildenden Bereich analysieren und in der Zeitschrift „Insider“ bewerten. Der Initiative der GEW Hessen ist es zu verdanken, dass erstmals in § 60 Abs. 3 die „außerschulischen Bildungsangebote einer Produktionsschule“ sowie Kooperationen „zwischen Produktionsschulen und beruflichen Schulen“ im Schulgesetz verankert werden.

Sonderpädagogische Förderung (§ 49 ff)

Auch der Bereich der sonderpädagogischen Förderung und der Inklusion wird Gegenstand gründlicher Bewertungen durch die GEW sein. Der bisher in § 54 Abs. 4 formulierte „Ressourcenvorbehalt“ soll in verschleierter Form in § 52 Abs.3 und § 54 Abs.4 weiter bestehen bleiben. Wie bisher soll die Möglichkeit bestehen, auch gegen den Willen der Eltern die Förderschule als Förderort zu bestimmen, wenn die Förderung an der allgemeinen Schule „nicht oder nicht ausreichend erfolgen“ kann (§ 54 Abs.4 neu). Von einem echten Fortschritt im Sinn der UN-Behindertenrechtskonvention kann also keine Rede sein. Was sich hinter den „Inklusiven Schulbündnissen“ (§ 52) verbirgt, wird letztlich erst klar, wenn auch eine entsprechende Verordnung vorliegt. Die Erklärung von Kultusminister Lorz, man wolle „dem berechtigten Wunsch vieler Lehrkräfte“ entgegenkommen, dass die Förderschullehrkräfte „möglichst mit ihrer vollen Stundenzahl an nur einer allgemeinen Schule“ eingesetzt werden, um so „personelle Präsenz und Kontinuität zu sichern“, findet im Gesetzentwurf keinen Niederschlag. Auch die von Professorin Annedore Prengel, der von den Grünen für die Enquetekomission benannten Expertin, geforderte „feste Grundausstattung“ ist im Gesetzentwurf keine erkennbare Zielsetzung. Anders als im Vorfeld angekündigt ist bei den Schulbündnissen keine Beteiligung von Personalräten und Elternvertretungen vorgesehen. Der Umfang der Förderung wird nach § 54 Abs.2 nicht mehr vom Förderausschuss, sondern von Schulleitung und Schulamt festgelegt. Die Absicht, dass die Schulbezirksgrenzen für Grundschulen nach § 143 Abs.1 ausdrücklich „nicht für Standorte für den inklusiven Unterricht“ gelten sollen, ist ein klarer Verstoß gegen das von der UN-BRK geforderte gleichberechtigte Lernen mit anderen in der jeweiligen Gemeinschaft, in der man lebt.

Schulleitungen (§ 89 Abs.1)

Bei der Auswahl von Schulleiterinnen und Schulleiter wird verlangt, dass sie über die „Fähigkeit zur verantwortungsvollen Wahrnehmung der Führungsaufgaben“ verfügen.

Kopftuchverbot (§ 86)

Während bei der Verpflichtung der Lehrkräfte zur religiösen und weltanschaulichen Neutralität bisher in § 86 ausdrücklich „Kleidungsstücke, Symbole oder andere Merkmale“ genannt werden, ist jetzt auf dem Hintergrund des Urteils des Bundesverfassungsgerichts, das ein generelles Kopftuchverbot untersagte, nur noch von der Unzulässigkeit eines Verhaltens die Rede, das „den politischen, religiösen oder weltanschaulichen Frieden in der Schule“ gefährdet.

Schulinspektion (§ 98)

§ 98 Abs. 5 verpflichtet die Schulen wie bisher, „an den durch die Schulaufsicht veranlassten Verfahren zur externen Evaluation (…) mitzuwirken“. Bei der Vorstellung des Gesetzentwurfs hatten die Koalitionäre vage angekündigt, die bisherigen Regelinspektionen „neu auszurichten“ und diese „zu einer externen und internen Schulevaluation, die die Schulen nach Bedarf unterstützt, weiterzuentwickeln“.

Selbstständige Schule (§ 127d Abs. 8)

Erstmals wird jetzt in § 129 d Abs.8 auch das Verfahren geregelt, nach dem sich eine Selbstständige Schule wieder in eine nichtselbstständige Schule umwandeln kann. Dies erfolgt im selben Verfahren und mit Zustimmung derselben Gremien, die auch über die Umwandlung in eine Selbstständige Schule entscheiden.


Auf Antrag der SPD-Fraktion setzte der Hessische Landtag im Frühjahr 2014 eine Enquetekommission Bildung ein. Ihr voller Titel lautet „Kein Kind zurücklassen - Rahmenbedingungen, Chancen und Zukunft schulischer Bildung in Hessen“. Vorsitzende ist die CDU-Abgeordnete Sabine Bächle-Scholz, stellvertretende Vorsitzende ist Kerstin Geis (SPD) und Berichterstatterin Bettina Wiesmann (CDU). Die Protokolle und Dokumente der bisher 24 Sitzungen, in denen zahlreiche Expertinnen und Experten zu Wort kamen, findet man auf der Homepage des Landtags (www.hessischer-landtag.de > Landtagsinformationssystem > Enquetekommission > 19.Wahlperiode). Mit dem Abschlussbericht ist im Frühjahr 2017 zu rechnen. CDU und Grüne haben sich allerdings dafür entschieden, ihren Entwurf zur Änderung des Schulgesetzes schon vor diesem Bericht vorzulegen.