Hochschulen am Limit

Studium und Lehre in Zeiten von Inflation und Energiekrise

Die Steigerungen der Heizkosten und die Inflation belasten die Haushalte der Hochschulen und Forschungseinrichtungen und treffen vor allem Studierende und befristet bzw. prekär Beschäftigte hart. Aufgrund der stark gestiegenen Energiepreise insbesondere für Gas sind auch die hessischen Hochschulen finanziell unter Druck geraten. Große Hochschulen müssen mit über 20 Millionen Euro an Mehrkosten rechnen. Der Kanzler der TU Darmstadt Dr. Efinger bezeichnete auf einer gut besuchten Personalversammlung die Lage als „äußert dramatisch“.  Die Goethe-Universität Frankfurt erwog eine generelle Haushaltssperre auf sechs Prozent aller Mittel.
 

Die Studierendenvertretungen gingen zusammen mit den Gewerkschaften GEW und ver.di auf die Straße und machten lautstark auf die Probleme der Hochschulen aufmerksam. Ihre zentrale Forderung, die Hochschulen offen zu halten, scheint sich zu erfüllen. Das Land Hessen gab vor, dass mindestens 15 Prozent der Energie im Vergleich zum Vorjahr eingespart werden muss, viele Hochschulen haben sich selbst das Ziel gesetzt, 25 Prozent einzusparen und damit als größte landeseigene Liegenschaften deutlich zu den Zielen beizutragen. Relativ einheitlich folgten sie der empfohlenen Absenkung der Raumtemperaturen auf 19°C in Büros, 18°C in Laboren, Ateliers und Werkstätten, 10 bis 12°C  bei schweren Arbeiten, bei leeren Räumen darunter sowie dem Verzicht auf Heizung in Fluren und Treppenhäusern. Ebenso wird nach wie vor auf Warmwasser bei Handwaschbecken und die nicht unbedingt notwendige Außenbeleuchtung verzichtet.
 

Alle Hochschulen entwickelten Kampagnen und Hinweise zum Energiesparen, die Universität Kassel verpflichtete ihre Beschäftigten per Dienstanweisung. Vor allem die Universitäten schränkten die Öffnungszeiten ihrer Bibliotheken ein, heizten tagsüber kürzer und verlängerten die Weihnachtspause ohne Präsenzbetrieb um eine Woche. Die Justus-Liebig-Universität (JLU) ging mit einem präsenzfreien Freitag am weitesten, sicherlich auch aufgrund ihrer in Teilen historischen Gebäudestruktur. Erweiterte Schließzeiten der Bibliothek wurden nach vehementem Einspruch der Studierenden teilweise zurückgenommen.
Dabei ist die Einsicht bei Studierenden und Beschäftigten zum Energiesparen hoch. Viele halten die Sanktionen gegen Russland für richtig und sind auch aus klimapolitischen Erwägungen heraus bereit, einen Anteil zu leisten. Aber bei aller Einsicht zum Sparen besteht eine erhebliche Gerechtigkeitslücke und die Gefahr, dass die Inflation zu weiteren Sparmaßnahmen zwingt, die im Rahmen der dezentralen Budgetverantwortung auch zum Abbau der Stellen von studentischen Hilfskräften und zur Verzögerung von Stellenbesetzungen führen kann. Gleichzeitig verfügen einzelne Fachbereiche über enorme Rücklagen.


Die GEW pocht auf die Fürsorgepflicht der Hochschulleitungen und fordert, dass die Stellen der Hilfskräfte und im Mittelbau erhalten und zügig wiederbesetzt werden. Der Gesetzgeber muss eine sechsmonatige Verlängerung befristeter Arbeitsverträge erwirken und weitere Entlastungen für prekär Beschäftigte und Studierende vorsehen.  Die Universität Kassel geht als einzige Hochschule den mutigen Schritt und zentralisiert zehn Prozent aller Rücklagen in einem Energiefonds. Dass die Universität Marburg ihre Einsparziele schneller als andere Hochschulen erreichen konnte, liegt auch daran, dass der Standort Lahnberge seit 2020 von einem eigenen Biomassekraftwerk versorgt wird und  größere Wärmetauscher für eine energieeffizientere Heizungsnutzung installiert wurden.
 

Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger hatte im Dezember 2022 klargestellt, dass die Energiepreisbremsen auch für die Hochschulen gelten. Allerdings gilt der „Härtefalltopf“, der mit 12 Milliarden Euro gefüllt ist, nur für außeruniversitäre Forschungseinrichtungen. Das Land Hessen ist im Dezember 2022 mit einem eigenen Notfallfonds für Hochschulen mit anderen Bundesländern gleichgezogen, unterstützt die Studierendenwerke und steht zu seinen Zusagen, aus dem Hochschulpakt den Etat aller Hochschulen bis 2025 um 4 Prozent zu erhöhen. Dies wird nicht ausreichen, erst recht nicht, um die Tarifsteigerungen in der Tarifrunde 2024 aufzufangen, die ja aus den Etats der Hochschulen bezahlt werden müssen. Die GEW fordert deshalb schon jetzt eine Zusage des Landes, die Tarifsteigerungen auszugleichen: Die Bezahlung an Hochschulen hinkt in vielen Bereich den Entgelten in der freien Wirtschaft  hinterher und verliert durch die Inflation noch weiter an Attraktivität.
 

Die Konferenz Hessischer Universitätspräsidien (KHU) forderte unlängst eine Dynamisierung des hessischen Hochschulpaktes um 9 Prozent. Da Hessen – hoffentlich auch noch nach der Landtagswahl im Herbst - 4 Prozent vorsieht und der Bund eine Erhöhung um 3 Prozent zugesagt hat, sind 9 Prozent eine realistische Größe. Aber auch das wird nicht ausreichen, um die berechtigten, notwendigen Tariferhöhungen auszugleichen, die Betreuung zu verbessern, unbefristete Beschäftigung zu fördern und die Energieversorgung nachhaltiger zu gestalten.