Schwarz mit grünen Punkten

Weniger befristete Arbeitsverträge an hessischen Hochschulen?

HLZ 3/2014: Schwarz-Grün in Hessen

Im Wahlkampf waren sich die damaligen Oppositionsparteien SPD und LINKE mit BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN in ihrer Kritik an der Hochschulpolitik der CDU-geführten Landesregierung einig. In ihren Wahlprogrammen präsentierten sie auch in diesem Politikfeld sehr ähnliche Vorstellungen.

Doch in Hessen hat, ebenso wie auf Bundesebene, eine aus den Wahlen resultierende rot-rot-grüne Mehrheit nicht zu einer solchen Koalition geführt.  Somit stellt sich die Frage, ob der neue grüne Juniorpartner der Hessen-CDU, wenn schon nicht den versprochenen Politikwechsel, zumindest einige erkennbar neue Akzente in der hessischen Hochschulpolitik setzen kann.

Weniger Geld für mehr Studierende?

Wintersemester 2013/2014 hat die Studierendenzahl in Hessen einen neuen Rekord erreicht. Das Hessische Statistische Landesamt zählte 227.600 Studierende und 36.700  Studienanfängerinnen und -anfänger zwischen Kassel und Darmstadt.

Auf einer Diskussionsveranstaltung der Universität Gießen ließ der (damalige) hochschulpolitische Sprecher der hessischen CDU Rolf Müller noch im Wahlkampf Sympathien für die mittelfristige Wiedereinführung von Studiengebühren erkennen. Und auch wenn sowohl das „Zukunftsprogramm“ der CDU als auch der Koalitionsvertrag Studiengebühren explizit ausschlossen, gilt es wachsam zu bleiben: In anderen Bundesländern können wir beobachten, dass die gerade erkämpfte Gebührenfreiheit unter den Bedingungen der Schuldenbremse wieder in Frage gestellt wird.

Der Koalitionsvertrag kündigt punktuell einige Verbesserungen für Studierende an: die Erprobung eines einsemestrigen „Orientierungsstudiums“, ein verbesserter Hochschulzugang für beruflich Qualifizierte, die Einführung eines Beschwerdesystems für Studierende, die erleichterte Anerkennung von im Ausland erworbenen Studienleistungen sowie familienfreundliche Studienbedingungen. Die Hochschulen sollen auf ein bedarfsgerechtes Angebot von Master-Studienplätzen hinwirken, allerdings ohne dass von einem Rechtsanspruch auf die Fortführung des Studiums nach einem Bachelor-Abschluss die Rede ist.

Angesichts des zu erwartenden dauerhaften Anstiegs der Studierendenzahlen und des Verzichts auf eine Verbesserung der öffentlichen Einnahmen ist kaum damit zu rechnen, dass der Trend einer sinkenden finanziellen und personellen Ausstattung im Verhältnis zur Zahl der Studierenden umgekehrt werden kann. Der Koalitionsvertrag sieht sogar eine faktische Kürzung der Ausgaben für den Hochschulbau vor, indem die im Rahmen des Bauprogramms HEUREKA bereitgestellten Mittel um ein Jahr gestreckt werden. Das Angebot studentischen Wohnraums in Hessen soll, vor allem durch die Studentenwerke, verbessert werden. Wie das angesichts der dauerhaft gekürzten Landeszuweisungen an die Studentenwerke gelingen soll, bleibt allerdings offen.

Eine entscheidende Frage für die Studierenden ist auch, ob sich Hessen zusammen mit den anderen Bundesländern und dem Bund auf eine Erhöhung und Verbesserung des BAföG verständigen wird. Eine entsprechende Ankündigung wurde letztendlich aus dem Koalitionsvertrag von CDU, CSU und SPD gestrichen, nachdem man sich mit den Ländern nicht über die Finanzierung dieser überfälligen Reform einigen konnte.

Weniger Befristung wagen?

Nicht zuletzt dem Wirken der GEW dürfte es zu verdanken sein, dass das um sich greifende Befristungsunwesen im Koalitionsvertrag problematisiert wird. CDU und GRÜNE wollen „für den wissenschaftlichen Nachwuchs planbare und verlässliche Karrierewege und Perspektiven schaffen“. Der Anteil befristeter Beschäftigungsverhältnisse habe „ein Maß erreicht, das Handlungsbedarf entstehen lässt“. In Übereinstimmung mit gewerkschaftlichen Forderungen sollen „in den Bereichen, in denen Daueraufgaben anfallen, (…) Dauerarbeitsplätze geschaffen“ und „Befristungsregelungen (…) überprüft werden“. Entscheidend für den wissenschaftlichen Nachwuchs sei „die Schaffung einer gesicherten Perspektive“, bei Arbeitsverhältnissen für Qualifikationsstellen müsse „eine Anpassung der Befristungsdauer erfolgen, welche die für den Erwerb der jeweiligen Qualifikation üblicherweise notwendigen Zeiträume enthält“. Auch die Modernisierung der Karrierewege durch die Einführung eines Tenure-Track-Modells kündigen CDU und GRÜNE an, sehen aber die Verantwortung für die Schaffung adäquater Arbeitsverhältnisse bei den Hochschulen und Forschungseinrichtungen.

Deren Verantwortungsbewusstsein für die Beschäftigungsbedingungen ihres Personals hat sich bislang als eher begrenzt erwiesen, so dass eine deutliche Verbesserung ohne klaren politischen Steuerungsimpuls nicht zu erwarten ist. Die Herausforderung für uns in der GEW wird es sein, diese auf Landesebene, aber auch in den Hochschulen einzufordern.

Die Beschäftigten in der prekärsten Lage werden überhaupt nicht erwähnt, weder die Lehrbeauftragten, die ohne festes Arbeitsverhältnis einen wachsenden Anteil auch der grundständigen Lehre erbringen, noch die studentischen und wissenschaftlichen Hilfskräfte. Während Hessen zukünftig – richtigerweise – über das Tariftreue- und Vergabegesetz Unternehmen bei öffentlichen Aufträgen zur Einhaltung tarifvertraglicher Standards zwingen will, sollen die beim Land beschäftigten studentischen und wissenschaftlichen Hilfskräfte offenbar weiterhin untertariflich vergütet werden.

Unternehmerische Hochschule light?

Ein Kernelement der Hochschulreformen der vergangenen Jahre war die Reduzierung der Grundfinanzierung zugunsten der nach dem Konkurrenz-Prinzip organisierten  Drittmittelfinanzierung. Die zunehmende Bedeutung von Drittmitteln hat die Hochschullandschaft polarisiert, da sich die älteren und größeren Hochschulen in solchen Verfahren in einer günstigeren Ausgangsposition befinden als jüngere und kleinere Hochschulen. In Hessen haben hiervon insbesondere die TU Darmstadt und die Goethe-Universität Frankfurt profitiert. Dieser Entwicklung soll nun anscheinend zumindest moderat entgegengesteuert werden, denn der Koalitionsvertrag kündigt an, dass mit der Neuauflage des hessischen Hochschulpakts ab 2016 ein Zuschlag zur Grundfinanzierung oberhalb der Inflationsrate angeboten werden soll. Die Mittel für die dringend erforderliche Erhöhung der Grundfinanzierung werden aber begrenzt bleiben, nicht zuletzt weil gleichzeitig die landeseigene Exzellenzinitiative LOEWE fortgeschrieben werden soll. Aus den zwischen den Hochschulen sehr ungleich verteilten LOEWE-Mitteln werden zudem fast ausschließlich befristete, projektbezogene Beschäftigungsverhältnisse geschaffen.

Die Binnenstruktur der unternehmerischen Hochschule zeichnet sich durch eine Schwächung der gewählten Kollegialgremien gegenüber der Leitungsebene aus. Auch in dieser Hinsicht sind moderate Änderungen angekündigt, ohne dass eine weitergehende Re-Demokratisierung der Hochschulen zu erwarten ist. Die Gremien der Studierendenschaft sollen in Fragen der Studienordnung und der Studienorganisation verbesserte Beteiligungsrechte erhalten.

Senat, Hochschulrat und Präsidium sollen über Fragen der Hochschulplanung und des Budgets gemeinsam Verantwortung übernehmen. Wenngleich der Senat so gestärkt wird, soll der demokratisch nicht legitimierte – überwiegend mit Unternehmensvertreterinnen und -vertretern besetzte – Hochschulrat weiterhin in die Hochschulen hineinregieren können. Darüber hinaus sollen die Finanzen von Drittmittelprojekten und der Studierendenschaft transparenter gemacht werden. An den bestehenden wissenschaftsspezifischen Einschränkungen des Hessischen Personalvertretungsgesetzes soll sich nichts ändern. So wird es dabei bleiben, dass die Hochschulpersonalräte gerade die Gruppen mit dem höchsten Handlungsbedarf, die studentischen Hilfskräfte und befristeten wissenschaftlichen Beschäftigten, kaum unterstützen können.

Insgesamt lassen sich durchaus einige neue Akzente ausmachen, die bei Fortsetzung einer schwarz-gelben Koalition so nicht zu erwarten gewesen wären. Mutig ist auch die Ankündigung, den Fachhochschulen in forschungsstarken Bereichen ein eigenständiges Promotionsrecht zuzugestehen, wie es gerade auch in Schleswig-Holstein eingeführt wird. Ein wirklicher Politikwechsel findet aber nicht statt, da das Leitbild der unternehmerischen Hochschule nicht überwunden wird. Darüber hinaus wird die chronische Unterfinanzierung des Hochschulsystems angesichts der weiterhin unzureichenden öffentlichen Einnahmen fortbestehen, wodurch die Gestaltungsspielräume zu eng bleiben. Bei vielen Vorhaben wird die konkrete Umsetzung entscheiden, insbesondere bei der für 2015 angekündigten Überarbeitung des Hessischen Hochschulgesetzes. Dabei wird es auch darauf ankommen, dass Studierende und Beschäftigte sich hörbar in den politischen Prozess einbringen. Ob sie beim neuen, hochschulpolitisch gänzlich unerfahrenen Wissenschaftsminister Boris Rhein auf offene Ohren stoßen werden, muss sich noch zeigen.


Tobias Cepok ist Referent für Jugendbildung, Hochschule und Forschung der GEW Hessen, Roman George Mitglied des Vorstands der Landesfachgruppe Hochschule und Forschung.