Wenn Sachmittel streiken…

GEW Hessen: Aktiv für den TVStud

HLZ 12/2021: Studieren in Hessen

Im Jahr 2009 waren etwa 9.000 studentische und wissenschaftliche Hilfskräfte an hessischen Hochschulen beschäftigt. Diese Zahl hat sich in den letzten zehn Jahren fast verdoppelt: Derzeit sind in Hessen über 16.000 Hilfskräfte im Einsatz. Damit machen sie etwa ein Viertel, an größeren Universitäten wie Frankfurt oder Gießen sogar ein Drittel aller Hochschulbeschäftigten aus. Die Tendenz ist eindeutig: Immer mehr Aufgabenbereiche werden an teilzeitbeschäftigte Hilfskräfte ausgelagert, sei es in der Forschung oder Lehre, im technischen Support oder in der Verwaltung. Hilfskräfte sind personalpolitisch gesehen billige und dabei oft hochqualifizierte Arbeitskräfte. Im Haushalt der Hochschulen firmieren sie als Sachmittel.

Die geringe Bezahlung und die oft schlechten Arbeitsbedingungen von studentischen Beschäftigten sind kein Geheimnis. An vielen Hochschulen in Hessen liegt der Stundenlohn kaum über dem Mindestlohn. Die Nichteinhaltung von arbeitsrechtlichen Mindeststandards, illegale Urlaubsregelungen oder unbezahlte Überstunden sind keine Einzelfälle. Kurze Vertragslaufzeiten, fehlende Vertretungsbefugnis der Personalräte und der Umstand, dass für Hilfskräfte der Studienort gleichzeitig Arbeitsplatz ist, kumulieren sich in einer besonderen Vulnerabilität dieser Beschäftigtengruppe.

Dies müsste eigentlich in einer hohen Unzufriedenheit der Hilfskräfte resultieren. Aber das Gegenteil scheint der Fall. Aus einer Studie im Auftrag der Max-Traeger-Stiftung der GEW aus dem Jahr 2012 geht hervor, dass Hilfskräfte überaus zufriedene Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sind. (1) Dafür macht die Studie die folgenden Ursachen aus:

  • Es handelt sich bei der Hilfskrafttätigkeit oft um das erste Arbeitsverhältnis.
  • Die Beschäftigung als Hilfskraft wird nur als Durchgangsstadium im Rahmen der eigenen Qualifikation verstanden.
  • Der direkte Zugang zu den Professuren wird als besonderes Privileg wahrgenommen und überwiegt den Ärger über die schlechten Arbeitsbedingungen.

Trotz dieser denkbar schlechten Voraussetzungen ist 2020 aus einer Mischung von Corona-Koller, Überstundenfrust und digitalem Vernetzungsschub eine bundesweite Kampagne von Hilfskräften ins Leben gerufen worden, deren erklärtes Ziel es ist, einen Tarifvertrag für studentische Beschäftigte (TVStud) nach Berliner Vorbild zu erstreiken. Darauf aufbauend kam es auch in Hessen zur Gründung und Vernetzung von Hilfskräftereferaten und TVStud-Gruppen.

Die TVStud-Bewegung im Tarifstreit in Hessen
Ihrem deutlichen und vor allem auch lauten Auftreten ist es zu verdanken, dass die Gewerkschaften GEW und ver.di die Forderung nach einer Tarifierung studentischer Hilfskräfte als prominentes Thema in die Verhandlungen mit der Tarifgemeinschaft der Länder im Bereich des Tarifvertrags der Länder (TV-L) aufnahmen. Auch in Hessen, das seit 2004 nicht mehr Teil der TdL ist, hat die TVStud-Bewegung im Zuge der gerade abgeschlossenen Tarifverhandlungen im Bereich des Tarifvertrags Hessen (TV-H) trotz geringem Mobilisierungsgrad für viel Sichtbarkeit gesorgt (HLZ S.33). Vom Verhandlungsauftakt in Wiesbaden über die Warnstreikaktionen in Darmstadt, Wiesbaden, Frankfurt und Kassel bis zur letzten Verhandlungsrunde in Dietzenbach: An fast allen Veranstaltungen und Streikaktionen waren auch Hilfskräfte beteiligt.

Mit der Begründung, nicht als „Türöffner“ für die TdL fungieren zu wollen, sperrte sich das CDU-geführte Innenministerium während der Verhandlungen gegen die Einbeziehung von Hilfskräften in den TV-H. Trotzdem konnten dem Arbeitgeber im Rahmen der Tarifeinigung und des Kodex für Gute Arbeit an Hochschulen einige Zugeständnisse abgerungen werden: Dazu zählen ein Mindeststundensatz von 12 Euro, eine Erhöhung der Entgelte in Anlehnung an den TV-H, hochschul­öffentliche Stellenausschreibungen sowie einheitliche Urlaubsregelungen. Zwar bringen diese Regelungen nicht an allen hessischen Hochschulen substanzielle Verbesserungen mit sich, nivellieren jedoch den Flickenteppich an Vorgaben und Stundensätzen in Hessen.
Es ist ein Schritt in die richtige Richtung, aber von dem Ziel – der Tarifierung von studentischer Arbeit im Hochschulbereich – sind wir immer noch weit entfernt.

TVStud: Wie geht es weiter?
Nun gilt es zu klären, wie es mit TVStud in Hessen weitergehen soll. Es bestünde schließlich die Möglichkeit, jenseits des TV-H einen eigenständigen TVStud auszuhandeln. Dies wäre in Hinblick auf die Blockadehaltung des Innenministeriums und den derzeitigen Mobilisierungsgrad eine Herkulesaufgabe. Aber auch ein Ausharren bis zur nächsten Tarifrunde 2024 scheint keine Option zu sein. Zum Zeitpunkt des Redaktionsschlusses stand zudem noch nicht fest, ob sich die TdL auf tarifliche Regelungen für Hilfskräfte einlassen wird. Impulse aus den Verhandlungen mit der TdL könnten dann gegebenenfalls auch für Hessen von Bedeutung sein.

Will die TVStud-Bewegung nicht an Fahrtwind verlieren, müssen auch Etappensiege errungen und gewürdigt werden. Nächste Station könnte eine gesetzliche Regelung zur Vertretung der Hilfskräfte durch die Personalräte sein. Der DGB hat diese Forderung im Rahmen der Verhandlungen über eine Novellierung des Hessischen Personalvertretungsgesetzes (HPVG) fest im Blick. Auch ist noch nicht geklärt, welchen Einfluss das jüngste Urteil des Bundesarbeitsgerichts und die Novellierung des Hessischen Hochschulgesetzes auf Hilfskräfte im administrativ-technischen Bereich haben werden. Schließlich muss sich die TVStud-Bewegung enger mit Mittelbau-Initiativen und Studierendenvertretungen vernetzen und die eigenen Forderungen mit anderen Forderungen aus dem sozial- und hochschulpolitischen Bereich verknüpfen.

Für die Gewerkschaften heißt es daher weiterhin, den TVStud als wesentliche Forderung im Hochschulbereich zu setzen. Und für studentische Hilfskräfte heißt es: Der Kampf hat gerade erst begonnen!

Henning Tauche

Henning Tauche ist Referent im AStA der Justus-Liebig-Universität Gießen und im Landessprecher:innenteam der GEW Studierenden in Hessen.


(1) Alexander Lenger, Christian Schneickert, Stefan Priebe: Studentische MitarbeiterInnen. Zur Situation und Lage von studentischen Hilfskräften und studentischen Beschäftigten an deutschen Hochschulen und Forschungseinrichtungen. Max-Traeger-Stiftung. Frankfurt/M. 2012. Download: bit.ly/3bvxTnE