Video-Konferenz-Übertragungen aus dem Unterricht

Auszug aus: 11. Stellungnahme des GPRLL Wiesbaden-Rheingau-Taunus

Das Kultusministerium hat hierzu am 23. Juli 2020 Ausführungen gemacht:

https://kultusministerium.hessen.de/schulsystem/umgang-mit-corona-schulen/fuer-schulleitungen/schreiben-schulleitungen/hinweise-zu-den-organisatorischen-und-rechtlichen-rahmenbedingungen-zu-beginn-der-unterrichtszeit-im

Auch wenn das entsprechende Kapitel lange Ausführungen zum Thema macht, ist der erst Satz zentral. „Zu diesem Zweck kann…“. Dies heißt er muss nicht! Die Lehrkraft kann in eigener Verantwortung entscheiden, auf welche Art und Weise sie Schüler*in unterrichtet.

Zusammen mit der auch seitens des Hessischen Datenschutzbeauftragten gestärkten Pädagogischen Freiheit im Gespräch mit der GEW Hessen hält der GPRLL einen Einsatz von Videokonferenzübertragungen aus dem Unterricht gegen den Willen der Lehrkraft für unzulässig.

https://www.gew-hessen.de/home/details/videokonferenzen-an-schulen/?tx_news_pi1%5Bcontroller%5D=News&tx_news_pi1%5Baction%5D=detail&cHash=640b7cd2ad58cbfd5240ff276eec975d

Unter Punkt "b) andere Gestaltungsoption“ im Ministerialschreiben vom 23. Juli wird zurecht darauf hingewiesen, dass die Einwilligung aller Beteiligen vorzuliegen hat. Bei Lehrkräften handelt es sich ebenfalls um Betroffene. Eine Videoübertragung setzt ihre Zustimmung voraus.

Die Einwilligungserklärungen für die anwesenden sowie die zugeschalteten Schüler*innen, die nach Ausführung des Ministeriums schriftlich und vollständig von allen Betroffenen vorliegen müssen gelten auch für Lehrkräfte. 

Der GPRLL ist allerdings der Auffassungen, dass auch diese Einwilligungen problematisch sind. Aus rechtlicher Sicht hält der GPRLL Einwilligungen im direkten Zusammenhang mit dem gesetzlichen Bildungs- und Erziehungsauftrag für nicht freiwillig – wie dies auch der Erwägungsgrund 43 der DSGVO ausführt. Einwilligungen sind demnach nicht freiwillig, wenn sie gegenüber einer „public authority“ aufgrund des dabei erkennbaren Ungleichgewichts abgegeben werden. Seitens des Landesdatenschutzbeauftragten heißt es in seinem 47. Tätigkeitsbericht dazu (dort mit Bezug auf WhatsApp formuliert): „Zum anderen ist eine Einwilligung nur wirksam, wenn sie freiwillig erteilt wurde. Eine solche Freiwilligkeit kann im schulischen Zusammenhang in der Regel kaum unterstellt werden.“ 

Auch können sie jederzeit widerrufen werden, was Schulen unmittelbar in die Situation versetzt, permanent darauf vorbereitet sein zu müssen.

Gesamtkonferenzen in digitaler Form

Laut temporär (bis 31. März 2021) geänderter Konferenzordnung, können Konferenzen der Lehrer*innen auch in „elektronischer Form“ stattfinden. Zu beachten sind:

  • „Können“ ergibt aus Sicht des GPRLL keine Erforderlichkeit in Form einer rechtlichen Verpflichtung (DSGVO Artikel 6, Abs. 1, Buchst. c). 
  • Erforderlichkeit bedeutet im juristischen Sinne, dass es kein milderes Mittel geben darf, um dasselbe Ziel zu erreichen. Es müssen also alle anderen Möglichkeiten nachvollziehbar ausgeschlossen worden sein.
  • „Elektronische Form“ bzw. „elektronische Konferenz“ (Konferenzordnung §21, Abs. 1) bedeutet nicht, dass die Konferenz als Videoübertragung durchgeführt wird.
  • Anwesend ist auch wer in elektronischer Form teilnimmt. Zur Beschlussfähigkeit muss diese von zwei Drittel der Stimmberechtigten gewährleistet sein.
  • Geheime Abstimmungen sind auf diese Weise nicht möglich. Mit Antrag eines Fünftels der anwesenden Stimmberechtigten sind Abstimmungen geheim durchzuführen. Dieses Recht sollte nicht unnötig eingeschränkt werden. 

Aus demokratischer Sicht ist die Durchführung von Konferenzen in Präsensform deutlich besser. Alle sehen sich, hören sich, sprechen am Rande miteinander, bekommen die Stimmung mit, trauen sich.

Welche Videokonferenzsysteme sind zulässig?           

Laut Stellungnahme des Landesdatenschutzbeauftragten gelten „die gegenwärtig erhältlichen Videokonferenzsysteme (…) als erlaubt“.

https://datenschutz.hessen.de/datenschutz/hochschulen-schulen-und-archive/videokonferenzsysteme-schulen

Es ist allerdings davon auszugehen, dass diese Stellungnahme kurzfristig zum Schuljahresbeginn aufgehoben werden wird. Zur weiteren Einordnung/Einschränkung dieser Freigabe siehe auch das Gespräch seitens der GEW Hessen mit dem Beauftragten: 

https://www.gew-hessen.de/home/details/videokonferenzen-an-schulen/?tx_news_pi1%5Bcontroller%5D=News&tx_news_pi1%5Baction%5D=detail&cHash=640b7cd2ad58cbfd5240ff276eec975d

Da es sich bei der Übertragung von Aufnahmen biometrischer Merkmale (Gesichter) insbesondere von schutzwürdigen Kindern um Verarbeitung besonderer Kategorien personenbezogener Daten handelt, ist die Rechtmäßigkeit der Verarbeitung nochmals eingeschränkter (DSGVO Artikel 9) und erfordert zusätzlich eine Datenschutz-Folgeabschätzung (DSGVO Artikel 35). Letztere muss vorab vom Verantwortlichen (also der Schulleitung) durchgeführt werden und muss sämtliche Risiken analysieren, bewerten und Maßnahmen zur Abwendung/Minimierung ausführen. Sie soll den Betroffenen transparent gemacht werden. Der Standpunkt des Personalrats ist einzuholen. 

Der Europäische Gerichtshof hat jüngst hinsichtlich der Datenverarbeitung durch US-amerikanische Unternehmen bzw. im US-amerikanischen Rechts- und Zugriffsraum geurteilt. Das so genannte „Privacy Shield“ zwischen den USA und der EU wurde damit als Grundlage des Datenverkehrs für nichtig erklärt. Dies dürfte sich auch unmittelbar auf US-amerikanische Anbieter von Videokonferenzsystemen auswirken. Zumindest ist damit eine Situation eingetreten, in der man Schulen vom Einsatz außereuropäischer Anbieter nur abraten kann (alleine schon aufgrund des zusätzlichen Aufwands bei der Klärung – siehe oben). 

Fundstelle: Homepage GEW Wiesbaden, Stichwort für Suche >> 11. Stellungnahme GEW Wiesbaden

Foto: Bert Butzke, fotobutzke.de