Just Transition

Die Gewerkschaften und der Klimawandel

HLZ 2022/5: Wir gegen den Klimawandel

Nicht nur die deutsche Gewerkschaftsbewegung ist in den  Fragen, wie man dem Klimawandel begegnen und aus den fossilen Energieträgern aussteigen kann, gespalten. Die Debatte um Klimaschutz und systemischen Wandel wirft tiefgreifende Fragen auf:

  • Welche alternative Energieerzeugung ist möglich?
  • Was passiert mit dem wirtschaftlichen Wohlstand der betroffenen Regionen?
  • Wie gehen wir mit den bisherigen Arbeitsplätzen um und welche neuen Arbeitsplätze entstehen?

Dem Konzept des „gerechten Übergangs“ (Just Transition), das aus der US-Arbeiterbewegung kommt, liegt die Idee zugrunde, Arbeitnehmer:innen zu unterstützen, die von umweltpolitischen Maßnahmen betroffen sind. In der globalen Debatte wird deutlich, dass nicht alle, die das Konzept als politisches Instrument bis hin zu einer systemischen transformativen Kraft vertreten, dieselben Ziele und Mittel verfolgen. Einigkeit besteht bezüglich der notwendigen Dekarbonisierung und eines planvollen Übergangs zu ökologisch nachhaltigen Volkswirtschaften und Gesellschaften. Außerdem geht es um die Verknüpfung von Nachhaltigkeit und Sozialpolitik, insbesondere im Hinblick auf die Arbeitsplätze der abhängig Beschäftigten.

Inzwischen ist Just Transition zu einem Bezugspunkt für Gewerkschaften und viele andere Akteure der Zivilgesellschaft geworden. Internationale Gewerkschaftsbünde wie ETUC und ITUC haben den „gerechten Übergang“ in die globale Umwelt- und Klimadebatte eingebracht, um grüne und nachhaltige Arbeitsplätze und menschenwürdige Arbeit für die Arbeitnehmer:innen weltweit zu sichern. In den Debatten über den Strukturwandel bestehender Arbeitsplätze sollten wir nicht vergessen, dass die Idee eines gerechten Übergangs in der bestehenden Wirtschaftsordnung eng mit der Idee einer grünen Wirtschaft verknüpft ist. Selbst wenn wir „grün“ mit etwas Positivem assoziieren, wird der Kampf um menschenwürdige und gut bezahlte Arbeitsplätze national und global weitergehen.

Aber wie gehen die Gewerkschaften in der Praxis damit um? Was bedeuten der Klimawandel und ein gerechter Übergang in ein alternatives System für eine Bildungsgewerkschaft? Welche Rolle spielen wir als Wissensvermittler:innen und Pädagog:innen? Wie können Gewerkschaften ihre Bündnispartner:innen in der Klimabewegung unterstützen? Welches Handwerkszeug brauchen wir, um den Klimawandel zu verstehen und Maßnahmen zum Klimaschutz und zur Anpassung an den Klimawandel umzusetzen?

Bildung für Nachhaltige Entwicklung (BNE) ist das Leitmotiv, um Klimawandel und Klimaschutz in der Lehrkräftebildung und in den Schulen zu verankern. Dem nächsten Gewerkschaftstag der GEW liegt der Antrag „Es gibt keine Arbeit auf einem toten Planeten“ vor, den die junge GEW, der Bundesausschuss der Studierenden in der GEW und die Bundesfachgruppe Hochschule und Forschung eingebracht haben (HLZ S. 9). Er verfolgt das Ziel, dass sich die GEW – auch im Kontext internationaler gewerkschaftlicher Solidarität - in die Debatten um einen gerechten Übergang und eine sozial-ökologische Transformation einbringt.

Gleichzeitig enthält der Antrag aber auch konkrete Forderungen für den Bereich Hochschule und Forschung. Im Mittelpunkt steht die Forderung, dass Ökologie, Ökonomie und soziale Gerechtigkeit stärker in Forschung und Lehre integriert werden müssen – und zwar sowohl in den Sozial- und Geisteswissenschaften als auch in den Natur- und Ingenieurwissenschaften. Bund und Länder müssen für Forschung und Lehre zu den zentralen Fragen einer sozialökologischen Transformation zusätzliche Mittel zur Verfügung stellen. Für uns in Hessen ist die Einrichtung eines Institute for Sustainability an der Universität Kassel von besonderem Interesse.

In den Nachhaltigkeitskonzepten von Schulen und Hochschulen sollte es nicht nur um Energieeinsparung oder Müllvermeidung gehen. Neubauten, Sanierungen und Renovierungen müssen Maßnahmen zur Klimaanpassung und eine deutlich ressourcenschonendere und klimafreundlichere Ausstattung vorsehen. Bei der konkreten Gestaltung nachhaltiger Arbeitsplätze müssen Personalräte mitbestimmen können. Einige Landesgesetze zur Mitbestimmung der Personalräte im öffentlichen Dienst sehen das bereits vor, in Hessen ist das nicht der Fall. Dazu gehört auch, Dienstreisen und Veranstaltungen nach ökologischen Aspekten gestalten zu können.

Die klimapolitischen Forderungen können im Widerspruch zu anderen bildungspolitischen Forderungen stehen. Das sollte uns aber nicht davon abhalten, die GEW zur Vorkämpferin für eine sozial-ökologische Transformation zu machen. Ein Antrag der jungen GEW Hessen, der vom Landesvorstand inzwischen einstimmig beschlossen wurde, macht deutlich, dass wir bei der Frage des Umgangs mit Ressourcen den Blick auch auf die GEW-Arbeit selbst richten müssen.

Simone Claar


Dr. Simone Claar ist stellvertretende Landesvorsitzende der GEW Hessen. Sie forscht und lehrt an der Universität Kassel zu den Themen Grüner Kapitalismus, Klima- und Energiepolitik, insbesondere mit dem Fokus auf das südliche Afrika.