Befristete Verträge im Schulbereich

Aktuelles aufgrund der Verfügung des Landesschulamts vom 12. August 2014

Unbefristete Verträge sollen die übliche Form des Beschäftigungsverhältnisses zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern darstellen, so heißt es auf europarechtlicher Ebene. Leider greift die befristete Beschäftigung immer mehr um sich und führt sowohl zu prekären Arbeitssituationen als auch zu ungewissen Lebensperspektiven.

Im Schulbereich wird über Jahre hinweg bezogen auf die Befristung auf den Sachgrund der Vertretung zurückgegriffen. Dies führt dazu, dass Kolleginnen und Kollegen nach einigen Jahren auf eine ganze Kette von Verträgen zurückblicken können.

Stand der aktuellen Rechtsprechung und Handlungsmöglichkeiten bezogen auf die Kettenverträge im Schulbereich

Um ein Arbeitsverhältnis befristen zu können, bedarf es eines sachlichen Grundes im Sinne des Teilzeit- und Befristungsgesetzes (TzBfG). Eine Ausnahme bildet die sachgrundlose Befristung nach § 14 Abs.2 des TzBfG. Diese ist jedoch auf 2 Jahre begrenzt und nicht zulässig für Beschäftigte, die zuvor beim selben Arbeitgeber in einem befristeten oder unbefristeten Arbeitsverhältnis standen. Im Schulbereich ist als Sachgrund meist der Sachgrund der Vertretung zu finden, es werden also eine oder mehrere andere Lehrkräfte vorübergehend vertreten.

Kettenverträge

Zum Sachgrund der Vertretung hat das BAG dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) die Frage vorgelegt, ob das Europarecht den Abschluss befristeter Arbeitsverträge ausschließt, wenn beim Arbeitgeber wegen regelmäßigen Ausfalls verschiedener Arbeitnehmer ein dauerhafter Vertretungsbedarf besteht, der mit dem Abschluss unbefristeter Arbeitsverträge gedeckt werden könnte. Als Antwort hat es erhalten, dass die individuelle arbeitsrechtliche Konstellation auf einen Rechtsmissbrauch hin überprüft werden kann.

Kriterien der Missbrauchskontrolle

Das BAG hat daraufhin Kriterien für die Kontrolle eines Rechtsmissbrauchs ausgearbeitet. Neu ist, dass bei jeder Befristungskontrollklage die Prüfung des Rechtsmissbrauchs der Befristung auf der Grundlage des institutionellen Rechtsmissbrauchs (§ 242 BGB) durch die erstinstanzlichen Gerichte erfolgen muss. Besondere Berücksichtigung sollen nach der Rechtsprechung des BAG im Wesentlichen folgende Kriterien finden: 

  • Anzahl befristeter Arbeitsverträge in Folge
  • Dauer der Beschäftigung
  • Kontinuität der ausgeübten Tätigkeit
  • Laufzeit der einzelnen befristeten Arbeitsverträge (kürzere Laufzeiten weisen eher auf einen Rechtsmissbrauch hin als längere Laufzeiten)
  • Deckung eines dauerhaften Vertretungsbedarfs mit befristeten Arbeitsverträgen

Gegenüber dem Arbeitgeber müssen in einer Gesamtabwägung alle Kriterien vorgetragen werden, die auf das Vorliegen von Dauerbedarf hinweisen. Das BAG erwähnt in den oben genannten Urteilen mehrfach, dass es sich immer um eine Gesamtabwägung aller relevanten Umstände handeln muss, so dass es sich letztlich immer um Einzelfallentscheidungen der Arbeitsgerichte handelt.

Gesamtdauer der Beschäftigung bei den Kettenverträgen

Bezüglich der Gesamtdauer stellt das BAG daher fest, dass die Dauer des Arbeitsverhältnisses deutlich über zwei Jahren liegen muss, damit eine Missbrauchskontrolle durchgeführt werden kann:

„Kriterien, die bei einer Gesamtwürdigung auf einen Gestaltungsmissbrauch hindeuten können, müssen dem Schutzkonzept des § 14 TzBfG iVm. § 5 Nr. 1 Buchst. a der Rahmenvereinbarung Rechnung tragen. Erlaubt das Konzept des TzBfG die Befristung von Arbeitsverträgen bei Vorliegen eines Sachgrunds, ergibt sich zwingend, dass die Schwelle zur missbräuchlichen Fortsetzung aneinandergereihter Verträge deutlich über derjenigen liegen muss, die für die Befristungskontrolle nach § 14 Abs. 1 TzBfG, § 21 Abs. 1 BEEG maßgeblich ist.“ (BAG, Urteil vom 18.7.2012, 7 AZR 443/09).

Diese Schwelle liegt bei zwei Jahren Beschäftigungsdauer. In den ihm vorgelegten Einzelfällen hat das BAG am 18. Juli 2012 entschieden, dass ein Rechtsmissbrauch bei einer Beschäftigungsdauer von 11 Jahren und 13 Verträgen in der Folge vorliegt, bei 7 Jahren und 9 Monaten Beschäftigungsdauer und 4 Verträgen in Folge jedoch noch nicht. Da im Schulbereich bereits bei fünf Jahren Beschäftigungsdauer oft schon mehr als 11 Verträge vorliegen werden Prozesse daher bereits ab fünf Jahren Beschäftigungsdauer geführt.

Aktuelle Regelung in Hessen

Rechtssicherheit gibt es aufgrund einer Verfügung des Landesschulamtes vom 12. August 2014 zunächst für die Fallgruppe der Lehrkräfte im Arbeitsverhältnis, die länger als 9 Jahre beim Land Hessen als Lehrkräfte beschäftigt sind. Diesem Personenkreis hat das Land Hessen aufgrund der Verfügung des Landesschulamts vom 12. August 2014 eine unbefristete Beschäftigung anzubieten.

Das Landesschulamt geht im Übrigen von einer maximalen Gesamtbeschäftigungsdauer in Vertretungsverträgen von fünf Jahren aus. „Lehrkräfte, die zur Vertretung im Schulbereich eingesetzt werden, sollen ab dem dritten Beschäftigungsjahr bei Abschluss eines erneut befristeten Arbeitsvertrages darauf hingewiesen werden, dass die Beschäftigung als Vertretungslehrkraft – und bei Vorliegen aller weiteren Voraussetzungen – in der Regel längstens eine Perspektive bis zu einer Gesamtbeschäftigungsdauer von fünf Jahren bietet.“

Im Falle einer Gesamtbeschäftigungsdauer von mehr als fünf Jahren sollen die Staatlichen Schulämter anlassbezogen Einzelprüfungen durchführen beispielsweise „bei Vertragsverlängerung oder auf Antrag“. Die Prüfung kann eine Verlängerung oder Beendigung des befristeten Vertrages als Ergebnis haben. „Steht als Ergebnis der Einzelfallprüfung fest, dass der Abschluss eines weiteren Arbeitsvertrages möglich ist, so kann dieser abgeschlossen werden. Führt die Verlängerung zugleich dazu, dass zukünftig eine weitere Verlängerung des Vertrages aller Wahrscheinlichkeit nach nicht mehr in Betracht kommen kann, so ist die/der Beschäftigte darauf hinzuweisen.“

Als Merkmale zur Beurteilung des Einzelfalls zieht das Landesschulamt die folgenden Kriterien heran:

  • Anzahl der befristeten (Verlängerungs-) Verträge
  • Dauer der einzelnen Arbeitsverträge
  • Unterbrechungszeiten
  • wechselnde Einsatzorte
  • wechselnde Schulformen
  • jeweiliger Beschäftigungsumfang

Ein Abweichen ist bei befristet Beschäftigten im Berufsschulbereich im Einzelfall und im beiderseitigen Einvernehmen möglich, die im Hauptberuf eine andere Tätigkeit ausüben wie zum Beispiel Bäckermeister, Schreiner oder Apotheker.

Sachgrund der Vertretung

Aufgrund der Rechtsprechung des BAG vom 10. Oktober 2012 und vom 16. Januar 2013 ist der Arbeitgeber oft auch nicht in der Lage, die Vertretungskette an sich nachzuweisen so dass in diesen Fällen für die Befristung kein Sachgrund vorhanden ist. Diese Thematik kann im Arbeitsgerichtsprozess gesondert aufgegriffen werden.

Prozessuales und Fristen

Die Feststellung, ob das befristete Arbeitsverhältnis als ein unbefristetes Arbeitsverhältnis gilt, muss ein Arbeitsgericht treffen. Eine Entfristungsklage muss spätestens drei Wochen nach dem Ende des letzten Arbeitsverhältnisses beim Arbeitsgericht eingereicht werden. Entfristet werden kann bei Erfolgsaussichten einer Klage das Arbeitsverhältnis mit dem jeweiligen Stundenumfang.

Die Klageerhebung ist dann sinnvoll, wenn ein Anschlussarbeitsverhältnis nicht mehr angeboten wird oder wenn zu einem anderen Zeitpunkt während der Laufzeit des Vertrags eine ausreichende Erfolgsaussicht besteht.

Erforderliche Unterlagen zur Prüfung

Zur Prüfung der Erfolgsaussichten einer Entfristungsklage bitten wir um Zusendung der folgenden Unterlagen:

  • Datenblatt erhältlich unter Kettenverträge im Mitgliederbereich
  • Übersicht über die Arbeitsverträge
  • Arbeitsverträge in Kopie
  • Berufsqualifikation (Lehramtsbefähigung)
  • Arbeitszeugnisse (falls vorhanden)

Befristete Verträge im Schulbereich


Quellen

§ 14 TzBfG; § 30 TV-H

 Urteil des BAG vom 18.07.2012, Aktenzeichen AZR 443/09

 Urteil des BAG vom 18.07.2012, Aktenzeichen AZR 783/10

 Urteil des BAG vom 10.10.2012, Aktenzeichen 7 AZR 462/11

 Urteil des BAG vom 16.01.2013, Aktenzeichen 7 AZR 662/11

 Urteil des Arbeitsgerichts Gießen vom 8. März 2013, Aktenzeichen 10 Ca 538/12

 Verfügung des Landesschulamtes vom 12. August 2014