Teilnahme am Beamtenstreik

Rechtswidrige Nichtbeförderungen

Das Bundesverfassungsgericht hat in den nächsten ein bis zwei Jahren zu entscheiden, ob sich Beamtinnen und Beamten bei einer Streikteilnahme auf ihr Grundrecht aus Art. 9 Abs. 3 GG berufen können. Sollte die Entscheidung negativ ausfallen, wäre der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte anzurufen, der die Entscheidung auf europäischer Ebene treffen könnte. Bis zu einer Entscheidung über oder bis zur ersehnten Durchsetzung des Streikrechts für Beamtinnen und Beamte wird das Land Hessen alle Möglichkeiten des Disziplinarverfahrens ausschöpfen. Konkret handelt es ich in Hessen um den Tatbestand aus § 68 HBG - unentschuldigtes Fernbleiben vom Dienst.

Vorbehalt des Gesetzes

Die Rechtsfolgen des unentschuldigten Fernbleibens vom Dienst sind abschließend in § 68 HBG und § 8 HBesG geregelt. Grundsätzlich gilt im Beamtenrecht der Vorbehalt des Gesetzes - alle wesentlichen Regelungen müssen durch Gesetz geregelt sein. Dies gilt selbstverständlich auch für Beförderungsverbote.

Beförderung trotz Verweis oder Geldbuße

Weder ein Verweis noch eine Geldbuße dürfen eine Beförderung verhindern. Dies ergibt sich eindeutig aus der Struktur des Hessischen Disziplinargesetzes. Erst bei „Stufe 3“, der Disziplinarmaßnahmen, der Kürzung der Dienstbezüge, kann der Dienstherr die Beförderung unterlassen: „Solange die Dienstbezüge gekürzt sind, darf die Beamtin oder der Beamte nicht befördert werden.“ (§ 11 Abs. 4 HDG).
Das Hessische Kultusministerium hat selbst in seinem Erlass vom 8. September den Rahmen gesteckt, innerhalb dessen er die „angemessenen“ Rechtsfolgen einer Teilnahme am Beamtenstreik sieht. Dabei handelt es sich bei Lehrkräften ohne Funktionen um einen Verweis, bei geplanter Prüfungstätigkeit um eine Geldbuße. Daher ergibt sich der Widerspruch daraus, dass bereits ein schwebendes Disziplinarverfahren schon eine Beförderung verhindern soll, wenn die Disziplinarmaßnahme selbst die Beförderung erst recht nicht verhindern darf.

Grundsatz der Unschuldsvermutung

Im Disziplinarverfahren gilt der Grundsatz der Unschuldsvermutung. Er ergibt sich als Rechtsstaatliches Prinzip aus Art. 20 Abs. 3 GG sowie aus Art. 6 Abs. 2 EMRK. Danach ist jeder Beamte bis zum verfahrensmäßigen Abschluss eines Disziplinarverfahrens grundsätzlich als unschuldig anzusehen. Diese Unschuldsvermutung verlangt, dass dem Beschuldigten eine schuldhafte Verletzung seiner Dienstpflichten nachgewiesen wird. Der aus dem Rechtsstaatsprinzip und der Unschuldsvermutung abgeleitete und auch im Disziplinarrecht geltender Grundsatz „im Zweifel für den Angeklagten“ besagt, dass Zweifel im tatsächlichen Bereich bei der Anwendung
materiellen Disziplinarrechts, die trotz Ausschöpfung aller Beweismittel nicht behoben werden können, nur zugunsten des Beschuldigten berücksichtigt werden dürfen.

Der Grundsatz der Unschuldsvermutung besagt aber auch, dass eine Benachteiligung im Sinne eines Beförderungsverbotes gerade im schwebenden Disziplinarverfahren nicht erfolgen darf.

Verletzung des Rechts auf Zugang zu öffentlichen Ämtern durch die Nichtbeförderung

Durch die Nichtbeförderung werden die Rechte der streikenden Beamtinnen und Beamten auf ihr Recht des Zugangs zu öffentlichen Ämtern verletzt. Art. 33 Abs. 2 GG besagt: „Jeder Deutsche hat nach seiner Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amte.“ Nach Art. 33 Abs. 2 GG dürfen Auswahlentscheidungen nur auf Gesichtspunkte gestützt werden, die unmittelbar Eignung, Befähigung und fachliche Leistung der Bewerber betreffen. (BVerfG, Kammerbeschlüsse vom 20.09.2007 – 2 BvR 1972/07).