Verzicht auf Reisekosten wirklich bindend?

Klassenfahrten

 

Die Teilnahme und die Durchführung von „Klassenfahrten“ gehört zu den Dienst- und Arbeitspflichten der Lehrkräfte und der sozialpädagogischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Sie sind Bestandteil der Bildungs- und Erziehungsarbeit.

Außerhalb des Schulwesens käme kein Dienstherr oder Arbeitgeber auf die Idee, die durch die Erfüllung dienstlicher Aufgaben entstehenden Kosten den Beschäftigten unmittelbar aufzuerlegen. In den Schulen ist jedoch die Frage, ob die den Beschäftigten bei Klassenfahrten entstehenden Reisekosten vollständig übernommen werden, seit Jahren ein Streitthema. Aufgrund tatsächlich oder wirklich nicht ausreichender Budgets gipfelte dies in der Vergangenheit in die weit verbreitete Praxis, die Lehrkräfte sogenannte „Verzichtserklärungen“ unterschreiben zu lassen, durch die sie auf die Erstattung der Kosten für Fahrt, Unterkunft und Verpflegung ganz oder teilweise verzichten.

Dass eine solche Praxis dazu führt, dass Lehrkräfte in die Situation geraten, entscheiden zu müssen, auf die Erstattung zu verzichten oder die Durchführung der Klassenfahrt zu gefährden oder selbst nicht teilnehmen zu können, hat der Bayrische Verwaltungsgerichtshof (VGH) in seiner Entscheidung vom 2. August 2007 richtig erkannt. Das Gericht sah außerdem die Gefahr, dass die Beschäftigten, die einen Verzicht nicht erklären, dem Vorwurf des unkollegialen Verhaltens ausgesetzt werden oder gar Nachteile bei dienstlichen Beurteilungen befürchten müssen. Aus Gründen der Fürsorgepflicht dürfe der Dienstherr nicht zulassen, dass ein solcher Interessenwiderstreit entsteht. Es stelle daher einen Verstoß gegen Treu und Glauben dar, wenn sich ein Dienstherr auf die Wirksamkeit einer solchen Verzichtserklärung berufe.

Dagegen hat nun der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg in seiner Entscheidung vom 20. Juli 2016 die Auffassung vertreten, dass es die Aufgabe der Lehrkraft sei, eine Klassenfahrt im Rahmen der zur Verfügung stehenden Mittel durchzuführen. Wenn aber „an einer Schule der Wunsch besteht, Veranstaltungen durchzuführen, die diesen Rahmen sprengen, mag das (…) zulässig sein. Diese Entscheidung fällt aber dann in den Verantwortungsbereich der daran beteiligten Personen“. Etwaige Interessenkonflikte habe „der Lehrer“ nach dem Landesbeamtenrecht  „ggf. auszuhalten“. Das Gericht sah keinen Anhaltspunkt dafür, dass „den Lehrern“ , die zu einer Verzichtserklärung nicht bereit sind, keine Dienstreisen (gemeint sind wohl Klassenfahrten) mehr genehmigt würden. Eine solche Verwaltungspraxis würde auch nach Auffassung dieses Gerichts auf „durchgreifende rechtliche Bedenken“ stoßen.

Obwohl das Urteil aus Baden-Württemberg dem Urteil des VGH Bayern widerspricht, wurde die Revision nicht zugelassen. Mit Rechtsschutz der GEW wurde deshalb Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt. Es ist offensichtlich erforderlich, dass sich das Bundesverwaltungsgericht mit dieser Rechtsfrage beschäftigt. Dabei sollte nicht unbeachtet bleiben, dass das Bundesarbeitsgericht in seinem Urteil vom 16. Oktober 2012 den Reisekostenverzicht einer angestellten Lehrerin für unwirksam erklärt hat.

Für Hessen hat das Urteil des VGH Baden-Württemberg keine bindende Wirkung. Trotzdem ist nicht auszuschließen, dass es genutzt wird, um solche Verzichtserklärungen wieder „salonfähig“ zu machen. Vielmehr müssen den Schulen auch für diesen Bereich ausreichende Mittel zur Verfügung gestellt werden. Andernfalls werden sich auch die hessischen Verwaltungsgerichte mit dem Thema beschäftigten müssen.