TVöD: Tarifrunde beginnt

Beginn der Verhandlungen am 1. September

HLZ 9-10/2020: Schuljahr beginnt - Corona bleibt

Am 18. Juni 2020 beschlossen die Gewerkschaften des öffentlichen Dienstes, die Entgelttabellen des Tarifvertrages für Bund und Kommunen (TVöD) zu kündigen. Der Verhandlungsführer der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeber (VKA) zeigte sich verschnupft: 

„Dieser Schritt kommt nicht überraschend. In der schlimmsten Rezession der Nachkriegszeit jetzt schon mit Arbeitskampf zu drohen, zeigt aber, dass die Gewerkschaften den Ernst der Lage offensichtlich nicht erkannt haben.“ 

Eine verblüffende Aussage, hatten die Gewerkschaften doch vorab angeboten, keine Kündigung auszusprechen und die Tarifrunde gegen eine finanzielle Kompensation durch eine Einmalzahlung ins nächste Jahr zu verschieben. Das hatte die VKA abgelehnt, die stattdessen eine Verschiebung ohne Kompensation anbot. Ein solches Tarifmoratorium ohne Einmalzahlung wäre ein Schlag ins Gesicht für all jene gewesen, die trotz persönlicher Gefährdung in den letzten Monaten in Gesundheitsämtern, in Ordnungsbehörden, in Notdiensten und in den Kitas ihr Bestes gegeben haben.

Am 1. September haben die Verhandlungen für die Beschäftigten bei Bund und Kommunen in Potsdam begonnen. Die interne Diskussion über die gewerkschaftlichen Forderungen war bei Redaktionsschluss der HLZ noch nicht abgeschlossen. Allerdings hatte sich bereits im Sommer herauskristallisiert, dass es bei der nun zu führenden Tarifrunde vor allem ums Entgelt gehen wird. Einen bunten Strauß an Forderungen einzubringen, wäre angesichts der pandemiebedingt schwierigen Situation kaum sinnvoll. Denn in dieser Tarifrunde stellt sich natürlich die Frage, wie Arbeitskampfmaßnahmen überhaupt aussehen können. Ist es etwa im Kita-Bereich realistisch, die Kolleginnen und Kollegen nötigenfalls zu Warnstreiks aufzurufen? Wie würden darauf die Eltern reagieren, die sich monatelang mit geschlossenen Einrichtungen mehr schlecht als recht arrangieren mussten? Wie groß ist unter diesen Bedingungen die Bereitschaft der Beschäftigten, Aktionen und Arbeitskampfmaßnahmen mitzutragen?

Aufgrund der besonderen Situation haben die Gewerkschaften darauf verzichtet, die Regelungen zur Eingruppierung im Sozial- und Erziehungsdienst zu kündigen, die 2015 mit einer Laufzeit von fünf Jahren vereinbart wurden. 

Sozial- und Erziehungsdienst

Die Aufwertungsschritte des Sozial- und Erziehungsdienstes, von denen die anderen kommunalen Beschäftigten nicht betroffen sind, waren in der Vergangenheit nur mit hart geführten Streiks durchzusetzen. Das war 2009 so, aber auch 2015, als die Kitas bundesweit bis zu vier Wochen geschlossen waren. Um ein akzeptables Ergebnis zu erzielen, wären auch in diesem Jahr ähnlich massive Arbeitskampfmaßnahmen notwendig geworden. Für die Kolleginnen und Kollegen ist der Verzicht auf eine Aufwertungsrunde in diesem Jahr schmerzlich, denn das Ergebnis vor fünf Jahren vermochte kaum, die damaligen Erwartungen zu erfüllen. Allerdings ist eine Tarifausein­andersetzung zur Aufwertung des Sozial- und Erziehungsdienstes zeitlich nicht an die allgemeinen TVöD-Entgelt­runden gebunden. Daher ist es möglich, für bessere Eingruppierungen für die Berufsgruppen im Erziehungs- und Sozialbereich dann mobil zu machen, wenn sich die gesamtwirtschaftliche Situation und die kommunale Haushaltslage wieder erholt haben.

Bange machen gilt nicht

Die Arbeitgeber haben schon vor der Sommerpause angekündigt, sie sähen für Lohnerhöhungen keine Spielräume. Darüberhinaus setzt die VKA auf eine Spaltung der Belegschaft: 

„Die Gewerkschaften müssen anerkennen, dass die Belastungen der Beschäftigten durch die Corona-Krise sehr unterschiedlich waren und sind.“

Hier müsse differenziert werden, denn es gebe immer noch Beschäftigte, „die bei vollen Bezügen keinerlei Arbeitsleistung zu erbringen haben, andere sind in Kurzarbeit und erhalten 95 Prozent ihres Nettoentgelts.“ Es geht also in den kommenden Wochen nicht nur um eine Einkommensverbesserung, sondern auch darum, gemeinsam die Spaltung der Beschäftigten des öffentlichen Dienstes zu verhindern. nicht

Darüber hinaus werden die Arbeitgeber eine möglichst langfristige Tariflaufzeit anstreben. Deshalb müssen wir gemeinsam in den nächsten Wochen Druck machen, um ein Tarifergebnis zu verhindern, das aufgrund einer langen Laufzeit mit einer Minderung der Realeinkommen verbunden wäre, wenn die Inflation in einer der Krise folgenden Aufschwungphase wieder anzieht.

Die Kommunen werden in der Öffentlichkeit lautstark auf den drastischen Einbruch ihrer Steuereinnahmen in Folge der Pandemie verweisen. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass Bund und Länder derzeit schuldenfinanzierte Programme auflegen, um diese Steuerausfälle zu kompensieren. Das hessische Sondervermögen von 12 Milliarden Euro sieht für die Kommunen Hilfen von 2,5 Milliarden Euro vor (HLZ S.16). Weitere Mittel sind im Konjunkturpaket des Bundes vorgesehen. 

Bei den Warnstreiks werden Kitas und vergleichbare Einrichtungen aus den genannten Gründen nicht die Rolle der vergangenen Jahre spielen, in denen sie ein wichtiger Motor der Arbeitskämpfe gewesen sind. Wie der Kita-Bereich in die Warnstreiks einbezogen werden kann, war bei Redaktionsschluss dieser HLZ noch in der Diskussion. Neben Streiks sind auch andere Aktionsformen möglich. Deshalb ist es wichtig, dass viele den Aufrufen der Gewerkschaft in den nächsten Wochen Folge leisten, auch wenn das pädagogische Arbeitsfeld noch lange Zeit von durch die Pandemie bedingten Problemen geprägt sein wird.

GEW Hessen: Rüdiger Bröhling, Isabel Carqueville und Andreas Werther


Zeitplan und Aktionen

Warnstreiks gab es in der Vergangenheit meistens im Zusammenhang mit der zweiten Verhandlungsrunde, die in diesem Jahr am 19. und 20. September stattfindet, und vor der dritten Verhandlungsrunde, die für den 22. und 23. Oktober vorgesehen ist. Deshalb verweisen wir an dieser Stelle auf die September-Ausgabe der E&W, der diese HLZ beigefügt ist, und auf die Internetseiten www.gew.de und www.gew-hessen.de.