GEW-Mitglieder setzen ein Zeichen

Fotoaktion: Banner mit Forderungen

Und: Rede von Karola Stötzel in Wiesbaden zum Warnstreik 8. Februar in Wiesbaden

 

Danke an alle Kolleginnen und Kollegen für eure Fotos! 

 

Rede von Karola Stötzel, stellvertretende Vorsitzende der GEW Hessen, in Wiesbaden 

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

für die diesjährige Tarifrunde TV-H in Hessen sagen wir: es gilt den“ Anschluss zu halten“. „ Anschluss halten“ an die allgemeine Tarifentwicklung. So liegt der der Öffentliche Dienst der Länder im Jahr 2017 4,8 Prozent hinter der Gesamtentwicklung der Tarife in Deutschland zurück. Im Vergleich zur Metallindustrie sind es 11,9 Prozent. Damit der Öffentliche Dienst im Land Hessen nicht abgeschlagen wird, fordern wir 6 Prozent im Volumen für die Laufzeit von einem Jahr.

Wichtig für die GEW ist dabei: In diesem Rahmen sollen in den Entgeltstufen 9 bis 15 endlich – wie auch im TVÖD – die Erfahrungsstufe 6 eingefügt werden. Der inzwischen mehr als auffällige Fachkräftemangel in Hessen – ganz besonders deutlich an dem Mangel an Grundschullehrkräften – macht überdeutlich, wie wichtig diese Erweiterung auf die Erfahrungsstufe 6 ist. Zuletzt musste Kultusminister Lorz an die Lehrkräfte im Ruhestand appellieren, zurück in den Schuldienst zu kommen, um die vielen freien Stellen an Grund- und Förderschulen zu besetzen. Dieser Offenbarungseid verfehlter Personalpolitik zeigt überdeutlich: Ganz offensichtlich fehlt es an der entsprechenden Einkommensentwicklung  für qualifizierte  Fachkräfte!

Innenminister Beuth hat bei den Auftaktverhandlungen auch durchaus seine Bereitschaft signalisiert, bei der Erfahrungsstufe 6 etwas tun zu wollen: Allerdings stellt er sich gegen die Forderung der Gewerkschaften des Öffentlichen Dienstes nach der Kehrseite dieser Medaille, die Erhöhung der Tabellenentgelte im Gesamtvolumen von 6 Prozent unter Einbeziehung einer sozialen Komponente in Form eines Sockel- oder Mindestbetrages. Bei der Erfahrungsstufe 6 hat die Landesregierung also erkannt, sie hat ein Problem Fachkräfte zu gewinnen. Bei den Entgeltgruppen bis EG 8 will Herr Beuth aber festgestellt haben, dass Hessen „die unteren Lohngruppen deutlich besser stellt als andere Bundesländer“ und verweigert es, eine soziale Komponente einzuziehen. Hier sage ich ganz deutlich: Diese Spaltungslinie machen wir nicht mit. Die soziale Komponente wird von uns als Ausgleich für die Erweiterung um die Stufe 6 in den Entgeltgruppen 9-15 gesehen. Eine weitere Spreizung der Tabellen als sie bisher schon gegeben ist, ist mit uns nicht zu machen.

Wir lassen uns da nicht spalten und sagen auch an die Adresse der Landesregierung: reich wird keiner, der im öffentlichen Dienst arbeitet.

Da gibt es andere, auf die Innenminister Beuth zurückkommen könnte, wenn er ein Problem sieht, die Forderungen der Gewerkschaften aus Landesmitteln zu erfüllen. Diese lägen mit einem Volumen von 1 Milliarde so hoch, das könne das Land nicht leisten. Es sei überfordert.

Im Dezember 2016 meldete Hessens Finanzminister Schäfer Rekordeinnahmen für den Haushalt 2016: 1,1 Milliarden Euro mehr an Steuereinnahmen als geschätzt. „Ein außergewöhnliches Steuerjahr sei es gewesen – die Konjunktur so gut und stabil wie lange nicht“.  Nun, neben der Konjunktur waren es vor allem Einnahmen aus Erbschaften, die dem Haushalt das ungewöhnlich hohe Plus bescherten. Es hinterließ eine Multimilliardärin aus Bad Homburg so viel Geld, dass die Erbschaft dem Land 500 Millionen Euro einbrachte.

Es gilt in diesem Land als unfein, sich die Verhältnisse der wirklich Reichen genauer anzuschauen und auch Namen zu nennen. Ich will es trotzdem tun.

Schauen wir uns die Erblasserin aus Bad Homburg genauer an: 2015 verstarb aus der Familie Quandt, Hauptanteilseigner von BMW, das Familienoberhaupt Johanna Quandt. Ihr Vermögen (die BMW-Aktien waren zu diesem Zeitpunkt größtenteils bereits an ihre Tochter Susanne Klatten und Stefan Quandt überschrieben): 14 Milliarden Euro (lt. Forbes). Im Vergleich zu diesem Vermögen ist eine Erbschaftssteuer von 500 Millionen Euro oder rund 3,5 Prozent des Milliarden-Vermögens,  eigentlich nicht viel.

Wie aber kommt´s, dass solche Vermögen aufgehäuft werden. BMW weist für 2014 Dividenden an die Familie Quandt in Höhe von 814 Millionen Euro aus. Im Jahr 2016 belaufen sich die Dividenden an Susanne Klatten und Stefan Quandt auf 994,7 Millionen Euro. Also knapp unter einer Milliarde Einkommen im Jahr. Darauf zahlen sie (wenn) Einkommenssteuer – 42 Prozent ist der aktuelle Spitzensteuersatz. In den fünfziger Jahren lag der in Deutschland noch bei 90 Prozent. Eine Vermögenssteuer zahlen sie nicht. Die Familie Quandt gilt als soziale Familie, sie stiftet und spendet großzügig für wohltätige Zwecke. Auch spendet sie gerne und offen zugegeben, größere Beträge auch an CDU/CSU und der FDP – alle Mitglieder der Familie Quandt sprechen sich, in den seltenen öffentlichen Verlautbarungen, aber gegen Steuererhöhungen wie Vermögenssteuern oder gerechtere Erbschaftssteuern aus. Die CDU in Hessen (und auch die Grünen) macht es ihnen nach. Die Hessische CDU (die FDP und die Grünen auch) waren es, die eine angemessene Erbschaftsteuer auf große Vermögen und Firmenerben im Bundesrat ebenso verhindert haben, wie die Wiedereinführung der Vermögenssteuer.

Ihr seht: das wäre doch eine Aufgabe für Landesregierung! In dem kleinen Bad Homburg leben, rein statistisch,  die meisten wirklich reichen Menschen in Deutschland. Doch die härtesten Gegner der Wiedereinführung der Vermögenssteuer oder höherer Erbschaftssteuern auf Firmen und Vermögenserbschaften ohne Schlupflöcher, sitzen hier in Hessen in der Regierung und klagen über leere Kassen. Und das ist der Grund, warum uns der Lohn geklaut wird!

Zurück zu unseren Forderungen: Ein wirkliches Problem ist die Situation der befristet Beschäftigten im Öffentlichen Dienst. An den Hochschulen ist es für ganze Generationen von Nachwuchswissenschaftlern schier nicht länger möglich, so etwas wie eine Familien- und Lebensplanung vorzunehmen, weil die beständigen Befristungen ihrer Arbeitsverträge, die häufig genug auch noch Teilzeit-Arbeitsverträge sind, sie genau daran hindern. Mehr als 50 Prozent aller Neuverträge werden nur als befristete Verträge ausgegeben und meist nur für die Dauer eines Jahres.

Die Gewerkschaften haben sich auch in dieser Tarifrunde vorgenommen, daran weiter zu arbeiten, dass sich diese Situation verändert!

Im Schulbereich hat die GEW im letzten Jahr eine Vereinbarung zur Eindämmung von befristeter Beschäftigung erreicht. Doch immer noch sind weit über die Hälfte der tarifbeschäftigten Lehrkräfte befristet. Das klassische Argument der Arbeitgeber für niedrige Einkommensentwicklung im Öffentlichen Dienst ist, die Arbeitsplätze sind sicher. Die befristeten Tarifbeschäftigten in Hessens Schulen haben nichts von beiden, weder sichere Arbeitsplätze noch gute Gehälter. Die GEW wird erneut versuchen, befristete Arbeitsverträge im Schulbereich zurückzudrängen und sich erneut die Frage der Sommerferienbezahlung vornehmen. Viel zu viele Lehrkräfte haben sich über den letzten Sommer wieder beim Arbeitsamt gemeldet. Da wird die GEW in dieser Tarifrunde genau hinschauen. Für die befristeten Beschäftigten geht es auch um die Frage, wovon sie eigentlich - bei den ständigen Unterbrechungen in der Erwerbsbiografie - im Alter einmal leben sollen.

Während der Ex-VW-Manager Winterkorn, der zuletzt einen Spitzenverdienst von 17,5 Millionen Euro hatte und heute aus eine Betriebsrente von 3.100 Euro täglich! erhält, sehen viele, auch Beschäftigte des Öffentlichen Dienstes, bei einem Rentenniveau von nur noch 43 Prozent im Jahr 2030, einer Rente  an der Grenze der Altersarmut entgegen. Das ist ein sozialpolitischer Skandal und muss dringend geändert werden. Dafür aber brauchen wir auch eine Entgeltentwicklung im Öffentlichen Dienst, die mit der Tarifentwicklung der allgemeinen Wirtschaft und Industrie Schritt hält!

Die zeit- und wirkungsgleiche Übertragung des Tarifergebnisses auf die Beamtinnen und Beamten gehört ebenso „zum Anschluss halten“, wie die Übertragung der tariflichen Arbeitszeit von 40 Stunden. Hierzu noch eines: die beiden letzten Tariferhöhungen wurden nicht auf die Beamtinnen und Beamten übertragen. Die Arbeitszeit von 42 Stunden die Woche gilt für sie seit 2003. Es schlägt also sozusagen 13 und es ist Zeit, hier endlich etwas zu unternehmen.

Bei den von Innenminister Beuth berechneten Kosten der Tarifrunde in Höhe von 1 Milliarde Euro,  hat er die Arbeitszeitverkürzung für die Beamtinnen und Beamten schon mal mit gerechnet. Mehr oder weniger zugegeben, aber wir haben es nachgerechnet, dass er anders auf die Summe nicht kommen kann.

So geht es aber nicht: einerseits den Beamtinnen und Beamten die Tarifanpassungen zwei Jahre lang verweigern, um dann andererseits die Kosten für eine Arbeitszeitverkürzung der Beamtinnen und Beamtinnen den Tarifbeschäftigten vorzurechnen, um deren berechtigte Forderungen abzuweisen!

Deshalb gilt auch: UmSteuern und Umverteilen ist möglich und machbar! Deshalb stehen wir hier: für eine gerechtere Teilhabe an der allgemeinen wirtschaftlichen Entwicklung. Mit 6% Gesamtvolumen, einer Erfahrungsstufe 6 und soziale Komponente! Dafür, dass die Schere nicht weiter auseinandergeht!