Hinweise zum Einsatz von schwangeren Beschäftigten in Erziehung und Lehre an Kitas, Schulen und Hochschulen während der Corona-Pandemie

AG Gesundheitsförderung- und Arbeitsschutz

Anfragen von Betroffenen an den HPRLL, aber auch an die Rechtsberatungen auf Kreis-, Bezirks- und Landesebene weisen auf Verunsicherungen aller Beteiligten in der Frage hin, ob mutter- und arbeitsschutzrechtliche Vorgaben dem Präsenzeinsatz schwangerer Beschäftigter in Erziehung und Unterricht während der Corona-Pandemie entgegenstehen.

Dazu ein paar Hinweise:

Grundsätzlich hat ein Arbeitgeber nach dem Mutterschutzgesetz (MuSchG ) bereits bei der „anlasslosen Gefährdungsbeurteilung“ aller Arbeitsplätze nach § 5 Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) im Rahmen allgemeiner betrieblicher Schutzmaßnahmen den Mutterschutz mit zu berücksichtigen, sodass die Konzepte bereits existieren müssten, bevor Beschäftigte dem Arbeitgeber ihre Schwangerschaft überhaupt anzeigen und dadurch konkrete Fälle entstehen lassen.

Die „Arbeitgeberfunktion“ im schulischen Bereich wird von den jeweils zuständigen Schulämtern wahrgenommen; dessen ungeachtet haben die Schulleiterinnen und Schulleiter die Verantwortung für die Umsetzung von Arbeitsschutzmaßnahmen vor Ort.

Sobald eine Frau ihrem Dienstvorgesetzten bzw. Arbeitgeber, in Schulen also der Schulleitung, mitgeteilt hat, dass sie schwanger ist, hat diese mit der Erstellung einer individuellen Gefährdungsbeurteilung (GFB) unverzüglich die konkret erforderlichen Schutzmaßnahmen festzulegen und der Betroffenen das Ergebnis mitzuteilen sowie ihr auch ein Gespräch über weitere Anpassungen der Arbeitsbedingungen anzubieten. Bei der Erstellung der GFB kann der Rat des betriebsärztlichen oder Arbeitssicherheitsdienstes hinzugezogen werden. Im hessischen Schuldienst übernimmt diese Aufgabe die Medical Airport Service GmbH (MAS).   

Schulleitungen haben uns zurückgemeldet, dass sie sich insbesondere bei der Einschätzung der Gefährdung von Schwangeren durch das Coronavirus überfordert fühlen und von den Schulämtern bzw. dem HKM hier konkrete Anweisungen erwarten, die derzeit allerdings auf sich warten lassen oder in den verschiedenen Schulamtsbezirken nicht immer einheitlich erfolgen.

Es gibt allerdings bereits eine Reihe sehr konkreter Empfehlungen von Expertengremien, die in der Gesamtschau sehr eindeutig sind:

Bereits im Faltblatt zu „Mutterschutz für Beschäftigte in Schulen und in der Kinder- und Jugendbetreuung“ des hessischen Sozialministeriums (HMSI) von 2015 wird die Empfehlung eines befristeten „Beschäftigungsverbotes“ von 10 Tagen nach dem letzten Influenza-Erkrankungsfall in der Einrichtung bei regionalen Epidemien größeren Ausmaßes empfohlen. Die Corona-Pandemie ist ganz sicher mehr als nur eine regionale Epidemie größeren Ausmaßes; zudem ist das Corona-Virus auch noch erheblich gefährlicher als die bis dahin bekannten Influenza-Viren. Auch wenn eine diesbezügliche Aktualisierungsanfrage im Hinblick auf die Corona-Pandemie seitens des betriebsärztlichen Dienstes im Landesarbeitsschutzausschuss (LASA) beim Sozialministerium noch nicht beantwortet wurde, ist die Empfehlung des HMSI von 2015 aus meiner Sicht auch für die aktuelle Pandemiesituation beachtlich. Angesichts der aktuellen Lage bedeutet sie allerdings ein Präsenzunterrichtsverbot für schwangere Beschäftigte während des gesamten Zeitraums eines dynamischen Infektionsgeschehens.

Offiziell auf die Corona-Pandemie bezogen sind die aktuelleren „Hinweise zur mutterschutzrechtlichen Bewertung von Gefährdungen durch SARS-CoV-2“ des Bundesfamilienministeriums (BMFSF) vom 24.02.2021. Danach stellt ein „besonderer Personenkontakt“, wie er an Kitas, Schulen und Hochschulen in typischen Erziehungs- und Unterrichtssettings besteht, vor dem Hintergrund, dass die Auswirkungen einer SARS-CoV-2-Infektion derzeit noch nicht zuverlässig bewertet werden können und der Erreger als biologischer Arbeitsstoff der Risikogruppe 3 eingruppiert ist, als „Regelvermutung“ eine „unverantwortbare Gefährdung im Sinne von § 9 MuSchG“ dar (vgl. Abschnitt 3.2.1.3.). Dabei gilt zusätzlich, dass weder eine überstandene Corona-Infektion noch eine Impfung nach dem aktuellen Stand der Forschung einen „zuverlässigen Gefährdungsausschluss“ darstellen (vgl. Abschnitt 3.2.1.4.)

So sieht es auch das Hessischen Ministeriums für Soziales und Integration (HMSI), das in seinen Handlungsanweisungen für die Beschäftigung schwangerer Frauen unter SARS-CoV-2-Risiko (Stand 10. Juni 2021) ausführt, dass die wissenschaftliche Erkenntnislage derzeit in vielen Fragen noch lückenhaft ist. Vor diesem Hintergrund könne bei einem engen Kontakt einer Schwangeren zu ständig wechselnden Personen oder zu einer größeren Anzahl von Ansprechpersonen, z.B. in der Kinderbetreuung, eine unverantwortbare Gefährdung vorliegen.

Fazit

Auch wenn schwangere Beschäftigte im Bereich Erziehung und Lehre an Kitas, Schulen und Hochschulen ein besonderes persönliches Interesse an der Arbeit in Präsenz in Zeiten der Corona-Pandemie haben, müssten die Arbeitsbedingungen vor Ort im Vergleich zum „Regelbetrieb“ schon sehr stark umgestaltet werden, dass sie keine unverantwortbare Gefährdung für Schwangere im Sinne der hier zitierten Expertenempfehlungen darstellen. Selbstverständlich bedeutet dies kein „Beschäftigungsverbot“; die Unterrichts- und Erziehungsarbeit erscheint in Präsenz aber nur bei sehr weitreichender Kontaktreduzierung und unter kompromissloser Einhaltung der aktuell geltenden Hygienemaßnahmen (neben Händedesinfektion und ggf. FFP2-Maske als Standard auch unbedingt die Einhaltung der Abstandsregeln) verantwortbar. Ist dies vielleicht in begrenztem Umfang in Sekundar- oder Hochschulen noch organisierbar, dürfte an Kitas und in Grundschulen pädagogisches Arbeiten mit Kindern in Präsenz völlig unmöglich sein. Schulleiterinnen und Schulleitern ist deshalb zu empfehlen, die Kollegin sofort vom Präsenzunterricht freizustellen.

Peter Zeichner, Mitglied im Landesarbeitsschutzausschuss und in der Arbeitsgruppe Gesundheitsförderung- und Arbeitsschutz (GefAS) der GEW Hessen