Blindflug ins Scheitern: GEW Hessen sieht Umsetzung des Rechtsanspruchs auf Ganztagsplatz im Grundschulbereich gefährdet

Pressemitteilung

Die GEW Hessen hat heute in Frankfurt neue Zahlen zum Bedarf an zusätzlichen Ganztagsplätzen bis zum Schuljahr 2029/30 präsentiert. Nach Einschätzung der hessischen GEW droht ein Scheitern des im Jahr 2026 beginnenden Rechtsanspruchs auf einen Ganztagsplatz im Grundschulbereich. Um dies zu verhindern und um die bereits bestehenden ganztägigen Angebote in Hessen qualitativ steuern zu können, fordert die GEW die Beschäftigung des ganzen pädagogischen Personals an den Schulen durch das Land. Orientieren könne sich Hessen in diesem Punkt am Nachbarn Thüringen.


Der Vorsitzende der GEW Hessen, Thilo Hartmann, bemängelte die fehlenden Daten zur Beschäftigung in den ganztägigen Angeboten in Hessen: „Es gibt keine Statistik zum Personal im Ganztag. Wir haben versucht, dieses Manko durch eine eigene Abfrage bei den Schulträgern zu beheben. Wir wollten unter anderem ermitteln, wie viele Personen mit welcher Qualifikation und in welchem Umfang im Rahmen des Ganztags an den Grundschulen arbeiten. Wir haben keine verwertbaren Zahlen zusammentragen können. So aber ist eine qualitative Steuerung von Ganztagsangeboten, die auf Fakten basiert, kaum möglich. Daten zur räumlichen, personellen und finanziellen Situation zum Ganztag gibt es nicht, das Ganze gleicht einer Black Box!“


Diese Situation, so Hartmann, habe damit zu tun, dass der Ganztag personell nicht komplett durch das Land ungesetzt werde. Beispielsweise fließe Geld des Landes zum Teil an Fördervereine von Schulen, die dann das Personal für den Ganztag einstellten. So entstehe ein Flickwerk von Honorarverträgen: ohne Tarifbindung, in scheinselbstständiger Tätigkeit, ohne Vertretung durch Personal- oder Betriebsräte. Eine Anbindung oder gar Einbindung in die pädagogischen Prozesse der Schule gebe es häufig nicht, die Fluktuation der Beschäftigten sei groß.


„Um trotz dieser Mängel zumindest den zusätzlichen Platz- und Personalbedarf abzuschätzen, haben wir auf Basis der neuen Bevölkerungsvorausberechnung vom Dezember 2022 die voraussichtlich nachgefragten Ganztagsplätze berechnet“, erläuterte die stellvertretende Vorsitzende der GEW Hessen, Heike Ackermann. „Aktuell wünschen etwa 68 Prozent aller Eltern von Kindern im Grundschulalter einen Ganztagsplatz. Ausgehend von diesem Bedarf müssen rund 49.000 zusätzliche Betreuungsplätze bis zum Jahr 2029 geschaffen werden. Vermutlich wird der Bedarf wie in der Vergangenheit weiter steigen. Sollte er 75 Prozent erreichen, dann sind fast 67.000 zusätzliche Betreuungsplätze einzurichten. Bei einem einigermaßen akzeptablen Personalschlüssel von eins zu zehn müssten hierfür 4.800 beziehungsweise 6.550 Erzieher:innen zusätzlich eingestellt werden.“


Ob die ermittelte Zahl von Erzieher:innen zur Verfügung stehen wird, muss – so die Bewertung von Heike Ackermann – allerdings bezweifelt werden, da in den Ganztagsbetreuungen und insbesondere in den Kindertageseinrichtungen schon jetzt Fachkräfte fehlen und die Personalschlüssel nicht den pädagogischen Anforderungen entsprechen würden. Hinzu kämen bauliche Maßnahmen an den Schulen, die schnellstmöglich umgesetzt werden müssen.


„Wir hoffen“, so das Resümee von Thilo Hartmann, „dass die kommende Landesregierung die bestehende Intransparenz mit Blick auf die Beschäftigung im Ganztag beendet. Nur so ist eine sachliche Debatte und eine vernünftige politische Steuerung der Ganztagsplatzgarantie unter pädagogischen Gesichtspunkten überhaupt möglich. Dazu sollen unsere heute vorgelegten Analysen und Berechnungen einen Beitrag leisten. Ohne bessere Bezahlung, bessere Arbeitsbedingungen und einen Ausbau der Ausbildungskapazitäten dürfte der Ganztagsausbau im erforderlichen Umfang kaum gelingen.“
 

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