Arbeitszeit der Lehrkräfte unter Pandemie-Bedingungen

GEW-Forderungen | Beschluss des Landesvorstands

28. Mai 2020

Der Landesvorstand beschäftigte sich auf seiner Sitzung am 28. Mai in Fulda ausführlich mit der aktuellen Situation in den Schulen, vor allem auch mit der Arbeitsbelastung der Lehrerinnen und Lehrer. Mitglieder des Landesvorstands berichteten, dass die Arbeitszeiten insbesondere seit der Wiederaufnahme von Präsenzunterricht in der Kombination mit der Betreuung des häuslichen Lernens in vielen Fällen „jedes akzeptable Maß überschreiten“. Es wurde auch als Irrtum angesehen, dass die aus Gründen des Infektionsschutzes gebildeten kleineren Lerngruppen eine „Entlastung“ darstellen: „Zu der hohen Konzentration auf die Einhaltung der Abstands- und Hygieneregeln kommt die massiv erhöhte Verantwortung für die eigene Gesundheit und die der Schülerinnen und Schüler.“

Die derzeitige „Überlast“ wird – so die übereinstimmende Meinung der Mitglieder des Landesvorstands – nicht ohne Folgen für die Gesundheit der Lehrkräfte bleiben. Deshalb hat der Landesvorstand Forderungen beschlossen, die zu einer Begrenzung der Arbeitsbelastung im neuen Schuljahr führen sollen. Denn es besteht Grund zur Annahme, dass auch nach den Sommerferien kein Präsenzunterricht im üblichen Umfang möglich sein wird.

Das Gesetz zur Änderung schulrechtlicher Vorschriften sieht bereits vor, dass zunächst bis zum 31. März 2021 von den Vorgaben der Stundentafel „abgewichen“ werden kann. Gleichzeitig kündigte das Hessische  Kultusministerium (HKM) an, dass die so entstehende Lücke durch „die Kombination von Präsenzunterricht mit unterrichtsunterstützenden Lernsituationen für das häusliche Lernen“ gestopft werden soll, „die den Schülerinnen und Schülern auch in den Phasen zwischen den Präsenzunterrichtstagen einen kontinuierlichen, von der Schule fortwährend begleiteten Lernrhythmus“ ermöglichen sollen: „Dazu werden von den Lehrkräften für diese Zwischenphasen didaktisch versiert ausgearbeitete Materialien und Aufgabenstellungen zur Verfügung gestellt. Darüber hinaus wird dadurch gewährleistet, dass die Schülerinnen und Schüler ein qualifiziertes Feedback zu ihren Ergebnissen sowie zur individuellen Fortführung des Lernprozesses durch ihre Lehrerinnen und Lehrer erhalten.“

Organisation des häuslichen Lernens ist Unterricht

Für Lehrerinnen und Lehrer ist dieses Szenario, das die Eltern beruhigen soll, ein Horrorszenario: Die Überlast aus einem vollen Einsatz mit allen Pflichtstunden im Präsenzunterricht und einer gleichzeitigen Betreuung der Schülerinnen und Schüler in einem strukturierten häuslichen Lernen ist nicht zu leisten. Daran ändert es auch nichts, wenn Lehrkräfte, die nicht im Präsenzunterricht eingesetzt werden können, einen Teil der Aufgaben für das häusliche Lernen übernehmen, da die Vorgaben des HKM nicht ohne eine enge didaktische und personelle Verzahnung von Präsenzunterricht und häuslichem Lernen zu erfüllen sind.

Deshalb wird die GEW auf allen Ebenen Widerstand leisten, wenn die Betreuung des häuslichen Lernens aus der in der Pflichtstundenverordnung geregelten Unterrichtsverpflichtung in den Bereich der „außerunterrichtlichen Dienstpflichten“ verlagert werden soll.

Die vergangenen Wochen haben aus Sicht des GEW-Landesvorstands gezeigt, dass auch die Vorbereitung, Durchführung und Nachbereitung des häuslichen Lernens inhaltlich sehr komplex und zeitlich höchst aufwändig ist und sowohl im Hinblick auf Arbeitszeit und Arbeitsbelastung den Anforderungen des Präsenzunterrichts in nichts nachsteht. Dies gilt insbesondere, wenn die Anleitung zum häuslichen Lernen von einer improvisierten Anfangsphase in einen strukturieren „Regelbetrieb“ übergehen soll.

Die GEW geht davon aus, dass Schülerinnen und Schüler für das nächste Schuljahr einen ganz anderen Stundenplan bekommen, der sowohl Stunden und Tage für den Präsenzunterricht als auch feste Zeiten und Pläne für das häusliche Lernen festlegt. Diese Verteilung muss sich auch in den Einsatzplänen der Lehrkräfte abbilden: Sie werden einen Stundenplan für den Präsenzunterricht haben und einen zweiten Stundenplan mit den Fächern und Lerngruppen, für die sie das häusliche Lernen vorbereiten, durchführen, betreuen und nachbereiten.

Der folgende Beschluss, der einstimmig gefasst wurde, wird von den GEW-Landesvorsitzenden in allen Gesprächen und Erklärungen der nächsten Wochen vertreten und ist auch bereits in die Stellungnahme der GEW zur Änderung des Schulgesetzes eingeflossen.

Beschluss

Der Unterrichtseinsatz der Lehrkräfte in der Notbetreuung, im Präsenzunterricht und bei der Vorbereitung, Durchführung und Nachbereitung des häuslichen Lernens richtet sich nach der Pflichtstundenverordnung und der individuellen Pflichtstundenzahl unter Berücksichtigung von Teilzeitarbeit, Deputaten und Abordnungen. Stunden im Präsenzunterricht und Stunden zur Vorbereitung, Durchführung und Nachbereitung des häuslichen Lernens, die gleichermaßen der Erfüllung der Stundentafel dienen, sind gleichwertig in vollem Umfang anzurechnen. Dazu ist die Pflichtstundenverordnung - wie viele andere Rechtsvorschriften auch - durch einen „Pandemie-Paragrafen“ zu ergänzen. Die GEW schlägt dem HKM vor, die Regelung wie folgt zu formulieren:

„Auf die Pflichtstundenzahl der Lehrkräfte werden im Stundenplan der Schülerinnen und Schüler festgelegte Stunden für das häusliche Lernen unter Pandemiebedingungen voll angerechnet, die von den Lehrkräften inhaltlich vor- und nachbereitet werden müssen. Die Lehrkräfte sind verpflichtet, sie in der üblichen Form zu dokumentieren.“

Die Dokumentation soll wie beim Präsenzunterricht in Form eines Unterrichtsnachweises erfolgen (Eintrag in das Klassenbuch).

Foto: Manfred Jahreis, pixelio