Wie weiter nach den Schulschließungen?

Hygiene in Schule muss Chefsache werden!

Auswertung des Lernens zu Hause

Digitalisierung

Beschluss des Geschäftsführenden Vorstands | Außerordentliche Sitzung vom 14. April 2020

Wie weiter nach den Schulschließungen?

  • Hygiene in Schule muss Chefsache werden!
  • Auswertung des Lernens zu Hause
  • Digitalisierung  

An den Schulen in Hessen hat seit Mitte März kein regulärer Unterricht mehr stattgefunden. Zusammen mit den Osterferien sind die Schulen so, von der eingerichteten Notbetreuung einmal abgesehen, für mindestens fünf Wochen geschlossen. Ebenso wie in den anderen Bundesländern, soll dadurch der Ausbreitung des Corona-Virus entgegengewirkt werden.

Innerhalb kürzester Zeit wurden angesichts dieser unvorhergesehenen Notlage allerorten Wege gesucht und gefunden, das Lernen zu Hause bestmöglich zu gestalten. Dabei konnte man mitunter auf bereits vorhandene Ansätze zum Einsatz digitaler Medien zurückgreifen, zumeist musste aber auf die Schnelle improvisiert werden. Die Verzögerungen und Unzulänglichkeiten bei der Umsetzung des Digitalpakts kamen so leider besonders zum Tragen. Dennoch haben diese drei Wochen sehr deutlich gezeigt: Digitale Medien können einen wichtigen Beitrag zum erfolgreichen Lernen leisten. Genauso deutlich hat sich aber auch gezeigt, dass noch so gut gemachte digitale Angebote das Lernen im Kontext der Schule keinesfalls ersetzen können. Die unmittelbare Interaktion, das Lernen von den Mitschülerinnen und Mitschülern und nicht zuletzt auch das soziale Miteinander in der Schule lassen sich nicht ersetzen. Zugleich ist einmal mehr zu Tage getreten, wie stark die Digitalisierung in den Schulen in der Lage ist, Chancen- und Bildungsgerechtigkeit noch weiter auseinandertreten zu lassen. Es kann und darf nicht in alleiniger Entscheidung und Verantwortung der einzelnen Schulen oder Pädagoginnen und Pädagogen liegen (über die pädagogisch-didaktische Ausgestaltung hinaus), die strukturellen Voraussetzungen für die Bereitstellung und Erreichbarkeit digitaler Lern- und Kommunikationsräume  zu gewährleisten.

Zum jetzigen Zeitpunkt ist noch nicht absehbar, ob der Schulbetrieb nach dem Ende der Osterferien wieder anlaufen kann. Diese Entscheidung soll im Verlauf der kommenden Woche getroffen werden. Sie wird davon abhängen, ob es gelungen ist, die Ausbreitung des Virus entscheidend zu verlangsamen. Aber unabhängig von dem Zeitpunkt, ist ohne Zweifel nicht damit zu rechnen, dass eine unmittelbare Rückkehr zu dem Schulbetrieb möglich sein wird, wie wir ihn vor der Corona-Krise kannten. Es ist davon auszugehen, dass viele unserer Schülerinnen und Schüler in der Krisenzeit Erfahrungen gemacht haben, die den Wiedereinstieg in den Schulalltag erschweren werden. Diese Erfahrungen und Erlebnisse werden ein hohes Maß an psychischen Belastungen aufweisen, denen wir als Institution Schule nur pädagogisch begegnen können. Daher möchten wir als GEW Hessen unsere zentralen Anforderungen aufzeigen, die dabei berücksichtigt werden müssen!

Hygiene in Schule muss Chefsache werden!

Es ist Zeit, das Thema Hygiene zur Chefsache bei Politik, Behörden und Trägern zu machen. Ein ‚Weiter so‘ ist unverantwortlich. Die Schulleitungen brauchen umfassende Unterstützung und Beratung, um die Hygienemaßnahmen umzusetzen. Tipps und Handreichungen allein greifen zu kurz. Der Schutz der in Schule Tätigen und Lernenden darf nicht am Geld scheitern!

Hygiene und Infektionsschutz werden sehr unterschiedlich und teils viel zu nachlässig behandelt. Die Verantwortung, für Hygiene zu sorgen, wird oft den Leitungen aufgebürdet, statt diese zu unterstützen. An manchen Schulen wird nicht regelmäßig geputzt, Oberflächen werden nicht desinfiziert und gereinigt und die Toiletten sind nach wie vor zumeist in einem schlechten Zustand. Es fehlt häufig an Flüssigseife und warmem Wasser, Einmalhandtüchern und Desinfektionsmitteln.

Arbeits- und Gesundheitsschutz muss an hessischen Schulen gerade jetzt aktiv praktiziert werden. Die GEW Hessen fordert für alle Schulformen jeweils exemplarische Mustergefährdungsbeurteilungen zu erstellen, in denen die medizinisch gebotenen Schutzmaßnahmen wie Beschäftigungsverbote, Schutzkleidung und Desinfektionsmaßnahmen beschrieben werden. Beschäftigte, die nach dieser dann jeweils aktuellen Einschätzung ein erhöhtes Risiko z.B. wegen des Alters oder durch Vorerkrankungen haben, dürfen nicht im Unterricht, zusätzlichen Angeboten und in der Betreuung eingesetzt werden.

Die Zeit bis zur Wiedereröffnung der Schulen muss aber auch  genutzt werden, um alle kurzfristig möglichen Maßnahmen zur Verbesserung der hygienischen Rahmenbedingungen zu ergreifen. Mindestvoraussetzungen sind für uns:

  • ausreichende Ausstattung mit Waschgelegenheiten, Desinfektionsmittel, Seife und Papierhandtücher möglichst in allen Klassenräumen und Gemeinschaftsräumen wie Mensen u.a.
  • genügend funktionierende Toiletten
  • regelmäßige und in Zeiten von Corona deutlich(!) häufigere Reinigung der Toiletten und Waschgelegenheiten, am besten mit Präsenzkräften
  • Medizinischer Mund- und Nasenschutz für Lehrkräfte und sozialpädagogische Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, soweit gewünscht bzw. erforderlich.

Es kann nicht sein, dass wie es derzeit der Fall ist, die Beschäftigten selbst und auf eigene Kosten die Hygienemittel mitbringen und für ihren eigenen gesundheitlichen Schutz sorgen müssen! 

Hierbei sind insbesondere auch die Schulträger zu schnellstmöglichem Handeln aufgefordert und vor allem die Schulen, in einen den Hygienevorschriften unter den Bedingungen der Sars-Covid-19 Pandemie entsprechenden Zustand zu versetzen. Das Land muss seinerseits in Zusammenarbeit mit Gesundheitsexpertinnen und -experten eine praktikable Handreichung entwickeln, welche Maßnahmen im Schulalltag zu berücksichtigen sind.

Auswertung des Lernens zu Hause

Gerade Schülerinnen und Schüler, denen das Lernen schwerer fällt, müssen angeleitet und unterstützt werden. Diese anspruchsvolle Aufgabe können Eltern, auch bei gutem Willen, nicht im vollen Umfang leisten. Dies gilt insbesondere in dieser Zeit, in der auch viele Eltern belastet sind: durch Sorgen bezüglich der Gesundheit von Angehörigen und Freunden oder auch durch existenzielle Sorgen um den Arbeitsplatz und das finanzielle Auskommen. Hinzu kommen Probleme, die sich aus den Einschränkungen des täglichen Lebens und den Anforderungen der Arbeit im Home-Office ergeben. Die wichtigste Aufgabe für Eltern ist in diesen Tagen ohnehin nicht die Vermittlung von schulischen Inhalten, sondern die Sorge um das Wohlergehen der Kinder, denn die Folgen der Pandemie schlagen sich selbstverständlich auch in Form von Ängsten und Verunsicherungen bei diesen nieder.

Da das Lernen zu Hause den Unterricht in der Schule nicht ersetzen kann, muss sichergestellt werden, dass nach Möglichkeit keine Schülerin und kein Schüler zurückgelassen wird. Die ohnehin bestehende soziale Spaltung beim Bildungserfolg darf sich durch die Corona-Krise nicht noch weiter vergrößern. Inhalte, die in der Zeit der Schulschließung behandelt worden sind, dürfen nicht  Gegenstand von Leistungsbewertungen oder gar Abschlussprüfungen gemacht werden. Allen muss die Möglichkeit gegeben werden, die zu Hause bearbeiteten Inhalte in der Schule nachzubereiten und offen gebliebene Fragen zu klären – ohne Benotung.

Ein Wiedereinstig in den regulären Unterricht wird zu denselben Bedingungen wie im Augenblick der Beendigung aus vielen Gründen nicht möglich sein. Deshalb ist das Kultusministerium jetzt gefordert, einen Wiedereinstiegsplan vorzulegen. Folgende Mindestbedingungen sind dabei zu gewährleisten:

  • Der Schutz der Gesundheit der in Schule Tätigen und Lernenden muss oberste Priorität haben.
  • Wenn der Unterricht wieder anläuft, muss den Schulen ermöglicht werden, mit dem Unterricht schrittweise zu beginnen. Das bedeutet verbindliche Strukturvorgaben insbesondere bezüglich Jahrgangsstufen und maximaler Gruppengröße zu machen sowie flexible Lösungen für Lerninhalte, Facheinsatz und Notengebung zu ermöglichen. Ziel des Schulbetriebs sollte es zunächst sein, Erfahrungen aus der Krisensituation der letzten Wochen aufzuarbeiten, das bisherige Lernen zu Hause auszuwerten, sowie den bisherigen Lernstoff aufzuarbeiten und zu festigen.
  • Keine Durchführung von VERA-Lernstandserhebungen in der Jahrgangsstufe 3! Die KMK hat die verbindliche Teilnahme an den Vergleichsarbeiten VERA 3 für die Länder freiwillig gestellt, jetzt muss Hessen eine klare Entscheidung treffen.
  • Keine Durchführung der Hauptschul- und Realschulabschlussprüfungen und stattdessen Berechnung der Gesamtleistungen und Berücksichtigung der bisherigen Leistungen aus den Projekt- und Präsentationsprüfungen im Schuljahr 2019/2020.
  • Zeugnisnoten aufgrund der Leistungen bis zur Schulschließung festlegen. Alle Schülerinnen und Schüler werden in die nächste Jahrgangsstufe versetzt. Wiederholungen sind auf freiwilliger Basis möglich.

Digitalisierung

Digitales Lernen erfordert eine gute Ausstattung mit schnellem Internet, digitalen Endgeräten und entsprechender, oft kostenpflichtiger Software. Die nun ad hoc entstandenen Lösungen zum Einsatz digitaler Medien können einen sorgfältig konzeptionierten und ausfinanzierten digitalen Ausbau der Schulen nicht ersetzen. Wenn regulär mit digitalen Medien gearbeitet werden soll, dann sind diese im Rahmen der Lernmittelfreiheit vom Land zu stellen. Das betrifft neben der Ausstattung mit Hard- und Software auch eine professionelle Systemadministration. Da es bislang aber an einem gut ausgebauten öffentlichen Angebot mangelt, wurde nun vielerorts auf kommerzielle Anbieter zurückgegriffen. Dies darf keinesfalls zum Dauerzustand werden, denn bei vielen ist weder der vollumfängliche Datenschutz noch der Schutz der Schülerinnen und Schüler vor – nach dem Hessischen Schulgesetz unzulässiger – Werbung sichergestellt. Bei zunächst kostenfreien kommerziellen Angeboten werden Eltern und Schülerinnen und Schüler zudem oft zu kostenpflichtigen In-App-Käufen verleitet. Daher sollten die nun gemachten Erfahrungen zum Anlass genommen werden, den Ausbau der öffentlichen digitalen Bildungsinfrastruktur weiter zu forcieren.

Wir stehen angesichts der Pandemie vor großen Herausforderungen, in vielen anderen gesellschaftlichen Bereichen wie auch im Bildungssystem. Die GEW Hessen steht gemeinsam für einen Dialog mit den Verantwortlichen in der Bildungspolitik bereit, zu den hier erhobenen Forderungen ebenso wie auch zu allen anderen damit zusammenhängenden Fragen.

Beschluss "Wie weiter nach den Schulschließungen"